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Adolf Holl im OÖN-Interview: Die Inflation der Heiligen

Von Von Peter Grubmüller, 30. Oktober 2010, 00:04 Uhr
Die Inflation der Heiligen
So sieht Andrea Maria Dusl (Regisseurin/Autorin) Adolf Holl. Bild: Residenz-Verlag

Am Montag (19.30 Uhr), zu Allerheiligen, wird Adolf Holl im Linzer Kepler-Salon über „Pop-Heilige“ sprechen – von dem in Italien besonders verehrten Padre Pio bis zur Entertainerin Madonna. Mit den OÖNachrichten sprach der Schriftsteller, Theologe und Philosoph über seine eigenen Glaubenserfahrungen.

OÖN: Warum haben Sie sich Padre Pio (1887–1968, Anm.) als Thema ausgesucht?

Holl: Persönlich durfte ich den Padre Pio leider nie kennenlernen. Aber ich weiß über ihn von Kardinal Schönborn einige Geschichten, sozusagen aus erster Hand. Der Kardinal hat mir erzählt, dass er wieder aus erster Hand von einem Diplomaten erfahren hat, wie sich der Padre Pio in einer Plauderei mit 15, 20 Diplomaten einen halben Meter vom Boden erhoben hat und in der Luft geschwebt ist – eine sogenannte Levitation. Dieser Diplomat hat auch gesehen, dass das dem Padre Pio eher peinlich gewesen ist. Ich hab versucht, mich im Fernsehen per Trickfilm levitieren zu lassen, aber das ist leider nicht geglückt.

OÖN: Beeindrucken Sie solche Geschichten?

Holl: Ich habe eine Schwäche für Ereignisse, neben denen der Physikunterricht merkwürdig ausschaut. Ich bin dafür verführbar, weil diese seltsamen Vorfälle singulär sind. Man kann sie nicht wiederholen. Wenn also ein Knochenkrebs im Endstadium in einer Sekunde in Lourdes verschwindet, dann schauen auch die Mediziner hilflos drein – das amüsiert mich. Die Grundregel der heutigen Erfahrungswissenschaften ist die Wiederholbarkeit, etwa wenn man ein Medikament testet. Sofern die Wiederholung scheitert, fallen diese Ereignisse wissenschaftlich durch und der Wissenschaftler geht ihnen aus dem Weg – das amüsiert mich auch.

OÖN: Sie sind amüsiert, aber glauben Sie es auch?

Holl: Die Frage nach dem Glauben ist mir unangenehm geworden, weil ich als Knabe unter Hitler aufgewachsen bin. Zu dieser Zeit war die Frage nach dem Glauben an erster Stelle. Die vorbehaltlose Begeisterung für irgendwelche Inhalte ist mir suspekt. Ich kann nicht vergessen, dass die Ideologien des 20. Jahrhunderts, ob es die marxistischen oder die faschistischen waren, immer den Akzent auf den Glauben gesetzt haben. Für mich ist auch die christliche Glaubensforderung mit Zweifel zu versetzen, sonst gerät sie in Gefahr, eine Verführung zum Fanatismus zu sein.

OÖN: Sie wollen am Montag die Grätsche von Padre Pio bis zum Popstar Madonna schaffen, wie stellen Sie das an?

Holl: Madonna hab’ ich mir zur Brust genommen, weil sie auch Wunder wirken kann. Sie kann die Menschen zur Begeisterung bringen, sie werden narrisch, schreien, sind glücklich. Das ist eine Art von Verzauberung, das ist fast ein Wunder. Aber ein richtiges Heilungswunder hat sie noch nie versucht – sie wird wissen warum.

OÖN: Halten Sie es für vermessen, dass sie sich Madonna nennt?

Holl: Nein, das ist ein Schmäh, der dem Showbusiness nützlich ist – vielleicht war es geplant, Gläubige zu provozieren oder zu ärgern und in die Medien zu kommen. Die Strategie ist durchschaubar, in der Showbranche zwar notwendig, aber flach, weil selbst glaubt die Madonna ja an nichts. Sie wird mittlerweile auch von dieser Lady Gaga (Holl betont Gaga auf der zweiten Silbe) überholt, die noch blödere Sachen macht.

OÖN: Waren Sie je selbst von einem Popstar begeistert?

Holl: Nein, ich bin Jazz-Fan. Oscar Peterson war für mich ein ganz Großer. Im Wiener Konzerthaus bin ich einmal neben ihm gesessen und war so begeistert wie beim Mozart-Requiem oder bei Bruckners „Te Deum“. Peterson spielte wie ein Gott.

OÖN: Welche Bedeutung hat Allerheiligen für Sie?

Holl: Allerheiligen ist der Tag, an dem wir zu den Gräbern gehen und uns dann fragen, ob die verstorbene Großmutter das auch bemerkt, dass wir ihr eine Kerze anzünden. Das ist schon wieder ein Anlass, meine eigene Anhänglichkeit an das Religiöse zu überprüfen. Ich frage mich dann auch, ob meine verstorbene Mutter einen Kontakt zu mir hat oder ob sie einfach nicht durchkommt, weil es mit der Leitung etwas hat. Beim Allerheiligen-Fest kommt inzwischen auch noch jenes Gefühl dazu, dass Papst Johannes Paul II. die Heiligsprecherei leider inflationiert hat, das müssen einige 100 gewesen sein. Heilig zu sein, ist nichts mehr wert – Papst Benedikt XVI. fängt auch schon wieder so an.

OÖN: Auch Padre Pio wurde von Johannes Paul II. heilig gesprochen, ist er auch ein Opfer der Inflation?

Holl: Nein, Padre Pio ist eine Nummer eins bei der Heiligsprechung, bei ihm gibt es ja eine Attraktion. In einem Industrieland wie Italien hängt der Padre Pio in jedem zweiten Taxi und in jeder zweiten Gemeinde steht ein Padre-Pio-Denkmal. Man kauft sich einen kleinen Padre Pio um fünf Euro, oder eine Statue um 200 Euro. Das sind lauter Sachen, die mir recht sind. Sie sind mir recht, weil sie atheistischen oder agnostischen Wissenschaftlern zuwider sind. Nämlich, dass in einem Industrieland Mentalitäten lebendig sind, die im Mittelmeerraum schon vor 3000 Jahren lebendig waren.

OÖN: Möchten Sie nach Ihrem Tod auch zu Allerheiligen am Friedhof besucht werden?

Holl: Das hätt’ ich schon ganz gern, dann leb’ ich in den Gedanken dieser Leute weiter. Die Leute haben kein gutes Gefühl dabei, dass sie vollkommen verschwinden – bei manchen dauert es länger, wie bei einem gewissen Herrn Hitler. Der will ja nicht verschwinden, das beschäftigt mich sehr. Der normale Mensch verschwindet, sobald niemand mehr da ist, der an ihn denkt, daher gibt es einen Grabstein, das Grab wird im besten Fall auch noch gepflegt – daher hat der Mensch dann schon zu Lebzeiten das Gefühl, er wird nicht ganz verschwinden. Das tröstet ihn, und das ist wünschenswert. Dann hat man zu Lebzeiten schon das Gefühl, dass man kein Volltrottel und kein Bösewicht war.

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4  Kommentare
4  Kommentare
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( Kommentare)
am 01.11.2010 12:00

welche seltsamen Raupen in den Gehirnen von diesen verhinderten Geisterbeschwörern noch immer kriechen. Wahrnehmungsproblematiken (Levitation...) die längts gelöst sind, Spontanremissionen, die auch längts erklärbar sind, werden als Wunder ausgegeben. Doch wirklich seltsam, dass ein Auto von alleine fährt, obwohl nirgends ein Gaul dran zieht, Herr Holl???

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am 01.11.2010 09:31

482 Heilige kamen unter dem Pontifikat von Johannes Paul II. dazu, eine inflationäre Entwicklung, aber der jetzige Papst, ehemals Ratzinger aus Marktl, will es ihm offenbar nachmachen.
Seit seinem Amtsantritt im April 2005 nahm Benedikt XVI. bisher 34 Heiligsprechungen vor. Gestern, Sonntag, kamen 6 weitere dazu, also insgesamt 40.
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Die Glaubwürdigkeit der r.k. Kirche wird durch diesen HokusPokus dauerhaft untergraben, vielleicht wollen sich die "Heiligsprecher" selbst bereits zu Lebzeiten die Anwartschaft zementieren.

Die Gläubigen staunen und wenden sich immer mehr von DIESER Kirche ab.

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heiratkind (318 Kommentare)
am 01.11.2010 09:13

Bei den 10 Geboten heißt es unter anderem:
DU SOLLST NEBEN MIR KEINE ANDEREN GÖTTER HABEN !
Ist es dann nicht ein Widerspruch wenn JESUS von der katholischen Kirche als Gott verehrt wird ? Ist es nicht ein Wiederspruch wenn ein HEILIGER angebetet wird ?
KANN MIR DAS BITTE JEMAND ERKLÄREN ?

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milli34 (3.636 Kommentare)
am 01.11.2010 12:06

hallo heiratskind,wanst das bis jetzt net gschafft hast, glaub i, wirds da a, nimma gelinga:-((

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