"The Jungle Book": Der Dschungel hat die Unschuld verloren

Von Nora Bruckmüller   16.April 2016

Unglaublich, aber wahr: Vor 49 Jahren startete die Disney-Adaption von "Das Dschungelbuch" in den Kinos. Dieser Zeichentrickfilm ist für viele nicht nur die erste gesehene Leinwand-Adaption von Rudyard Kiplings Texten zum Findelkind Mowgli (1894, 1895).

Sie ist auch die einzige, die gilt. Weil sie für Erinnerungen an die Kindheit, an unaufgeregte, unschuldige Unterhaltung steht.

Regisseur Jon Favreau ("Iron Man") hat sich für seine Neuauflage also auf emotional heikles Terrain begeben. Noch dazu, wo sein Werk als Kombination von "Live Action" und "CGI" beworben wird. Fachbegriffe, die außerhalb der Branche niemandem weiterhelfen. Um die neue Version genießen zu können, muss man aber auch nur so viel darüber wissen: Mowgli wird von einem Buben aus Fleisch und Blut gespielt, dem aufgeweckten, talentierten New Yorker Neel Sethi, heute zwölf Jahre alt. Tiere und Natur wurden per Computer dreidimensional geschaffen.

Herausgekommen ist dabei eine ganz ansehnliche Erzählung, inhaltlich der Werktreue verschrieben. Es passiert, was man kennt.

Das "Menschenjunge" Mowgli, von Panther Bagheera als Baby im indischen Dschungel entdeckt, wird von einem Wolfsrudel aufgezogen. Vaterersatz ist Anführer Akela, Wölfin Raksha sieht sich als Mutter. Als Tiger Shere Khan sein Jagdrevier verlegt, entdeckt er den Buben und will ihn töten. Bagheera und die Wölfe glauben nicht mehr daran, dass ein kleiner Mensch im Dschungel sicher ist.

Kulisse der Dunst-Tröpfchen

Als Mowgli widerwillig seine Heimat verlässt, trifft er Baloo, den gemütlichen Bären, der ihn dazu ermuntert, sein Anderssein doch zu akzeptieren. Eine Geschichte, die ein Kind zum Helden wandelt, nimmt seinen Lauf, in der sich der Bub der Schlange Kaa, dem Alpha-Affen King Louie und Shere Khan stellt. "The Jungle Book" bezieht dabei seine Stärken aus der Mystik des Stoffs, ewigen Themen wie Identitätsfindung und Erwachsenwerden. Und der audiovisuellen Möglichkeiten, ausgeschöpft bis zum Anschlag. Die Tiere sind voll ehrwürdiger Anmut, bis ins kleinste Härchen Fell exakt. Ebenso süß, flauschig, tapsend, auch behäbig, von bedrohlicher Größe. Der dichte Dschungel steckt voller Details, wird zur Kulisse der Halbschatten oder tausender Dunst-Tröpfchen.

Doch diese visuelle Wucht übertüncht auch immer wieder die Motive des Märchens. Vor allem, wenn die Raubkatzen bis aufs Blut kämpfen, Shere Khan seine Reißzähne in Baloos Rückenfell schlägt, hat das Dschungelbuch, wie man es von Disney kennt, doch all seine frühe Unschuld verloren.

The Jungle Book: USA 2016, 105 Min., ab 10 Jahren

OÖN Bewertung:

 

Kurzinterview: Armin Rohde spricht und singt die Rolle des Bären Baloo.