"Julieta": Bildschöne Offenbarung einer schmerzhaften Schuld

06.August 2016

Selten hat jemand die Erzählweise von Alfred Hitchcock so stilsicher gefeiert wie der spanische Regisseur Pedro Almodóvar in seinem neuen Kinofilm "Julieta".

Diese Hommage beginnt schon bei der tragischen Schwere, die Hauptfigur Julieta umhüllt, eine Frau mittleren Alters, die in Madrid lebt und mit ihrem Partner Lorenzo nach Portugal gehen will, bis plötzlich alles anders ist ...

Wie Hitchcocks geplagte Heldinnen ist sie blond, schön und schleicht durch die Straßen ihrer Stadt, gedrückt von der Last verschütteter Vergangenheit. Darstellerin Emma Suárez verleiht Julieta eine glaubhafte Aura des Geheimnisvollen. Und wie bei Hitchcock will man ihren privaten Horror entschlüsseln. Anders aber als oft beim alten US-Regiemeister liegt der Kummer hier nicht im Verhalten eines Elternteils begründet, sondern in dem des eigenen Kindes, jenem von Julietas Tochter Antía. Jahrelang haben sich Mutter und Tochter nicht gesehen. Die einst Kleine ist nun selbst Mutter und – wie Julieta erfährt – dünn, ungeschminkt, aber hübsch in der Nähe des Comer Sees zu Hause.

Wie in den zurecht geschätzten Almodóvar-Werken "Volver" (2006) oder "La mala Educación" (2004) läuft die Geschichte von Julieta und Antía, die sich Stück für Stück, schmerzlich langsam offenbart, auf intime Fragen nach Verlassen, Schuld und Sühne hinaus.

Die Wurzeln reichen zurück bis in die 1980er, vor Antías Geburt – eine Zeit, in der Adriana Ugarte Julietas Hinwendung zur Traurigkeit einnehmend kraftvoll verkörpert. Almodóvar inszeniert dies wie immer in prächtigen Farben, mit starken Symbolen und Grandezza in der Bildsprache. Ein Film, der Freude an der Tragik schafft. (nb)

Julieta: E 2016, 100 M., Regie: Pedro Almodóvar

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