"Jacques – Entdecker der Ozeane" war Opfer seines Ehrgeizes

Von Ludwig Heinrich aus Zürich   19.Dezember 2016

Er ist eine Legende. Der Meeresforscher Jean-Jacques Cousteau, 1997 in Paris im Alter von 87 Jahren gestorben, drehte mehr als 100 Filme, brachte aus den Tiefen der Meere Bilder mit, wie man sie nie zuvor gesehen hatte. Regisseur Jérôme Salle setzt ihm mit "Jacques – Entdecker der Ozeane" ein filmisches Denkmal. Lambert Wilson spielt die Hauptrolle.

 

OÖNachrichten: Der Film zeigt Cousteaus Leben und Abenteuer zwischen seinem 37. und 70. Lebensjahr. Für Sie bedeutete das: zehn Kilo abnehmen und, für den Alterungsprozess, viele, viele Stunden beim Maskenbildner. War es die Mühe wert?

Lambert Wilson: Auf jeden Fall, zumal Regisseur Salle klargemacht hatte, dass er kein Heldenlied singen, sondern auch die Schattenseiten des Jean-Jacques Cousteau zeigen wollte.

Welche waren das?

Sein brennender Ehrgeiz, der ihn eine Zeitlang nicht davor zurückschrecken ließ, für besonders "gelungene" Filmaufnahmen Haie zu töten und Tieren Aufputsch- oder Beruhigungsmittel zu spritzen. Erst unter dem Einfluss seines Sohnes Philippe, der 1997 beim Absturz mit einem Wasserflugzeug ums Leben kam, wurde er zum leidenschaftlichen Naturschützer.

Wie beeinflusste sein obsessives Verhalten die Familie?

Er war von seiner Sache so besessen, dass er keine Zeit für die Erziehung seiner Kinder hatte. Das überließen Männer wie er ihren Frauen, die nebenbei noch sehr damit beschäftigt waren, von den Männern nicht mit anderen Frauen betrogen zu werden...

Haben Sie Cousteau je kennen gelernt?

Nein. Aber in den 60er-Jahren gab es in Frankreich nur zwei Fernsehsender, es war wie eine religiöse Zeremonie, sich mit der Familie Cousteaus neueste Abenteuer anzusehen. Er lächelte meistens und vermittelte so stets das Gefühl einer großartigen Zeit auf seinem berühmten Schiff, der "Calypso". Kennen gelernt habe ich aber François Sarano, einen Meeresbiologen, der 15 Jahre mit ihm tauchte. Er erzählte uns über Cousteaus Ehefrau Simone und deren vielen einsame Stunden an Bord.

Der Entdecker der Ozeane war Opfer seines Ehrgeizes
Jacques Cousteau

Jacques Cousteau, das Original

 

Gab es in Ihrem Familienleben Gemeinsamkeiten mit dem Leben der Cousteaus?

Wir haben hochinteressante Parallelen gefunden. Unser Vater Georges Wilson, der als Schauspieler in Frankreich sehr verehrt wurde, hat seine Frau ebenfalls betrogen. Wir waren, wie Cousteaus Söhne, zwei Brüder, zwischen denen nur ein Jahr Altersunterschied bestand. Cousteaus Kinder mussten ins Internat, und auch unser Vater kümmerte sich nicht um unsere schulischen Belange. Mir lag der Film auch deswegen am Herzen, weil er das Verhältnis zwischen Vater und Söhnen so gut beleuchtete.

Verurteilen Sie Ihren Vater?

Nein, ich verurteile auch Cousteau nicht. Das wäre zu billig. Sie sahen ihre Mission woanders, in der "positiven Sicht auf eine freie Welt". Unser Vater wollte uns bestimmt nicht verletzen, er lebte halt für seine Leidenschaften.

 

Kurzkritik

"Jacques – Entdecker der Ozeane" ist das stimmige Porträt eines Alphatiers, das mit atemberaubenden Bildern besticht. Auch wenn die Spannungen zwischen Cousteau (Wilson) und seiner Familie (Audrey Tautou, Pierre Niney) konstruiert wirken, bezieht der Film große Stärke aus der glaubhaften Wandlung vom getriebenen Entdecker zum großen Umweltschützer.
 

OÖN Bewertung: