"Happy End": Die Familie als Terrorzelle des Privaten

Von Nora Bruckmüller   02.Oktober 2017

Genauer gesagt, sie tippt die Worte in ihr Smartphone, mit dem sie ihren vergifteten Hamster aufnimmt.

Der Oscar-Regisseur zeigt ihre Welt zunächst konsequent über diese Nutzeroberfläche. Danach sieht man aus dem Blickwinkel von Eve, einer beängstigend gut verstörten Fantine Harduin, wie sie ihre röchelnde Mutter filmt.

Es wird klar, dass hier ein Mädchen handelt. Man fällt mitten hinein in das schmerzhaft Unbequeme, das Haneke stets mit seinen Leitthemen unterstreicht: Gewalt, Familie, Voyeurismus. Er serviert einen Cocktail, den ein bitterer Geschmack begleitet. Ausgelöst durch unbeantwortete Fragen: Hat Eve ihrer Mutter das tatsächlich angetan? Liegt ihr das Böse vielleicht in den Genen?

Denn während die vergiftete Frau im Krankenhaus ist, lebt das Scheidungskind in der Villa der reichen, verrohten Bauunternehmer-Familie Laurent. Bei ihrem Vater Thomas (Mathieu Kassovitz), dessen neuer Frau Anaïs und ihrem Baby, sowie ihrer Tante Anne (Isabelle Huppert) und dem betagten Patriarchen Georges (Jean-Louis Trintignant). Charaktere, die schwer am Leben tragen, wie es diese Familie führt, oder es so stark verinnerlicht haben, dass sie blind gegenüber der Würde anderer geworden sind.

Hanke inszeniert dieses Sittenbild in gewohnt nüchternen, statisch anmutenden Aufnahmen, wie Gemälde von schön anzusehenden Treffen, die im Grunde lieblos bleiben. Obwohl wenig gesagt wird, erlebt man ein Fest des Schauspiels, das wie aus dem Nichts unterkühlte Stimmungen schafft. Die Kälte lässt durchaus Hanekes "Amour" vermissen, wo jeder Tragik Wärme voranging. Mehr Herzlichkeit hätte "Happy End" stärkere Fallhöhe verliehen.

Doch vielleicht rührt uns die feinsinnig sezierte, bloße Bosheit nur deshalb nicht mehr, weil die Welt in den Jahren seit "Amour" zu viel davon gesehen, die Menschen letztlich abgebrüht hat.

"Happy End": A/D/F 2017, 110 M., Regie: M. Haneke

OÖN Bewertung:

 

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