"Girl": Feinfühliges Transgender-Drama
Lukas Dhonts Regiedebüt "Girl" geht für Belgien ins Oscar-Rennen.
Aus dem Wunsch, eine Ballerina zu werden, sind schon viele Filme gestrickt worden. Auch "Girl" erzählt von diesem Traum, den so viele junge Mädchen träumen. Aber noch von einer ganz anderen Sehnsucht: Lara, die auf Probe an einer renommierten Brüsseler Ballettschule angenommen wurde, nannte sich einmal Victor. Ihr Körper ist noch der eines Jungen, mit Hormonen und in Gesprächen wird sie auf die geschlechtsumwandelnde Operation vorbereitet, mit beinhartem Training auf eine Profi-Tänzerin.
Auf die Spitze getrieben
Dass das Regiedebüt von Lukas Dhont für Belgien ins Rennen um einen Oscar geht, mag auch an seinem außergewöhnlichen Plot liegen, der das Thema Transgender im wahrsten Wortsinn auf die Spitze treibt. Aber ebenso an seiner sensiblen, beobachtenden Machart und nicht zuletzt an seinem beeindruckenden Hauptdarsteller.
Der 17-jährige Victor Polster, der Lara spielt und tanzt (!), wurde in Cannes als bester Darsteller im Nebenbewerb "Un Certain Regard" ausgezeichnet. Er verleiht Lara eine stille, in sich gekehrte Zurückhaltung und eisernen Willen zugleich. Ein Lächeln, das von den Unsicherheiten des Erwachsenwerdens erzählt, und einen Blick, in dem viel Einsamkeit liegt.
Die Zehen bluten, der Schweiß rinnt: Als Tänzerin hat es Lara doppelt schwer, Spitzentanz hat sie noch kaum trainiert, ihre Füße sind darauf nicht vorbereitet. Der Druck steigt und steigt mit den Überlastungssignalen des Körpers.
Doch noch mehr schmerzt ihre Isolation, das Gefühl, im falschen Körper gefangen zu sein, den sie schamvoll versteckt. In der Garderobe, beim Duschen. Vor dem Vater, obwohl der alles tut, sie zu unterstützen. Ärzte und Psychologen bemühen sich feinfühlig, sie auf die ersehnte Operation vorzubereiten, doch der Weg zur Frau ist lang, das Training zu hart. Beides zehrt an Lara. Dass der Film gleich drei Herausforderungen aufeinanderprallen lässt – jene des Tanzes, des Erwachsenwerdens und letzteres zugespitzt für ein Transgender-Mädchen – mag konstruiert erscheinen, erweist sich aber auch als Kunstgriff, Konflikte noch klarer zu zeichnen. "Girl" erzählt vor allem vom Wunsch und dem verzweifelten Versuch, der zu werden, der man ist. Damit kann dieses sensible Coming-of-Age-Drama jeden ansprechen.
"Girl": BE/NL 2018, 105 Min., Regie: Lukas Dhont,
OÖN Bewertung:
Der Trailer zum Film: