"Die Geträumten": Ein Fest für die Schönheit der Sprache

Von Nora Bruckmüller   16.Dezember 2016

Mit dem Film "Die Geträumten" hat die Wiener Regisseurin Ruth Beckermann eine bemerkenswerte Arbeit vorgelegt. Bemerkenswert vor allem deshalb, weil das Werk dem Zeitgeist die Stirn bietet – mutig und kompromisslos.

Herzstück des Films sind Briefe, die zwei der wichtigsten deutschsprachigen Lyriker des 20. Jahrhunderts einander geschrieben haben: Ingeborg Bachmann (1926– 1973) und Paul Celan (1920–1970).

Beckermann behandelt diese Dokumente wie es angebracht ist, und nicht anders: behutsam als Zeugnisse von Intimität, Offenbarungen, erster Verliebtheit, die zerbricht und zu einer innigen Beziehung reift, nie frei von Friktion.

Dieser emotionale Schatz wird weder laut ausgebreitet, noch künstlich beschleunigt oder für schnell verpuffende Effekte ausgeweidet. Daraus entsteht eine pure, beinahe radikale Zärtlichkeit.

Sie glückt, weil die jungen Künstler, die Worte und Gedanken der Dichter aus den Jahren 1948 bis 1967 greifbar werden lassen, exzellent in ihrer Darbietung sind: Anja Plaschg, als Musikerin "Soap&Skin" bekannt, und Schauspieler Laurence Rupp ("In 3 Tagen bist du tot"). Beide glänzen in einer anspruchsvollen Form der Einstellung, der Großaufnahme von Gesichtern. Plaschgs ebenmäßige Züge erzählen von einer sensiblen, wachen Sicht auf die Welt und das Gegenüber. Rupp wiederum weiß es, Unverständnis dem gegenüber auszudrücken, genauso wie Verlangen und Lust danach.

Ihre Art des bedachtsamen Lesens und Vortragens öffnet die Augen. Genauso wie den Geist für die Macht von Worten und deren Auswahl und Platzierung. Ganz im Sinne Celans, der an Bachmann schrieb: "Ein Wort von Dir und ich kann leben."

Da es Beckermann versteht, Musikalität und Wirkung von Sprache filmisch zu übersetzen, gönnt sie einem auch Szenen, in denen sich das Gehörte entfalten kann. Sie lässt Rupp und Plaschg rauchen, plaudern und reflektieren. Ein kluges, stilles Auf und Ab – in allen Belangen der dargestellten Künste.

Die Geträumten: A 2016, 89 Min., Regie: R. Beckermann

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