Das Leben neu ordnen

Von Silvia Nagl   05.November 2016

Wer mit so viel Minimalismus in Ausdruck und Mimik derart viel zeigen kann, der beherrscht perfekt die große Kunst des Schauspiels – so wie Isabelle Huppert (63). Sie ist es, der die Kamera ständig in respektvoller Distanz folgt. Die Huppert geht in diesem Film viel, läuft oft, hält ihren zierlichen Körper immer in Bewegung.

Sie spielt in diesem Film die Philosophielehrerin Nathalie. Alles funktioniert: die Ehe mit dem Langweiler Heinz, die kurzen Gespräche mit den Kindern, die nervenden Anrufe der kranken Mutter. Nur die Gespräche mit ihren Schülern scheinen sie aus dem Alltagstrott herauszureißen. Plötzlich wird alles anders: Heinz verlässt sie wegen einer anderen. Aber auch in diesem Moment behält Nathalie/Huppert die Contenance, diese Schauspielerin braucht kein aufgeregtes Getue. Ein kleines Zucken des Mundwinkels genügt, um den Schmerz zu fühlen. Und wenn ihr im Bus sogar eine Träne die Wange herunterrinnt, dann ist das für Huppert schon wie eine Anwandlung von Gefühlsduselei. Und mit all diesem Minimalismus zeichnet sie ein umfassendes, subtiles Frauenporträt zwischen Traurigkeit und Trotz, Stärke und Zerbrechlichkeit.

Nathalie richtet sich in ihrem neuen Leben ein, genießt die Freiheit. Regisseurin Mia Hansen-Løve scheint sich, so wie viele Cineasten in den bisher 45 Leinwand-Jahren der Huppert auch, in die Schauspielkunst dieser Frau verliebt zu haben. Der Film ist wie eine Hommage an die Grande Dame des europäischen Kinos – für die Regie gab es den Silbernen Bären bei der Berlinale.

Kino: "Alles was kommt", D/F ‘ 16, 105 Min.; Regie: Mia Hansen-Løve

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