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Der Garten als Spiegelbild der Zeit

Von Roswitha Fitzinger, 03. Mai 2019, 18:35 Uhr
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Mehrmals im Jahr öffnet Familie Lugerbauer in Micheldorf (Grabenstraße 3) ihr 3000 Quadratmeter großes Gartenparadies. Am morgigen Sonntag findet der erste „Tag der offenen Gartentür“ dieses Jahres statt: 9-17 Uhr. Nächster Termin: 22./23. Juniwww.geranium.at Bild: (Alexander Schwarzl)

Ob funktional, prunkvoll oder an die Natur angelehnt, der Garten hat über Jahrtausende sein Erscheinungsbild stets verändert. Doch nie waren die Grünflächen bloß Gärten, vielmehr spiegelten sie immer auch den Zeitgeist einer Epoche wider.

Das Paradies kennt jedes Kind. Geschaffen von Gott für die ersten Menschen, hieß es im Alten Testament Garten oder Garten Eden. Zwei Begriffe, eine Bedeutung. Nicht nur wird der Garten Eden häufig als Paradies bezeichnet, auch hinsichtlich ihrer ursprünglichen Bedeutung verweisen beide Ausdrücke stets auf eine eingezäunte Fläche. Der deutsche Begriff Garten etwa leitet sich etymologisch von Gerte ab. Gemeint sind Weiden- oder Haselnussruten, die, ineinander verflochten, den Garten umfriedeten.

Gärten entstanden erst, als die Menschen sesshaft wurden, angelegt rein zu dem Zwecke, das Grundbedürfnis nach Nahrung zu befriedigen. Die Aufgabe des Nomadendaseins bedingte, dass Essbares knapp war und die angebauten Pflanzen überlebenswichtig wurden. Sie bedurften Schutzmaßnahmen wie Hecken und Zäune, um ungebetene Gäste abzuhalten.

In den antiken Hochkulturen hingegen wurden erstmals bewusst gestalterische und ästhetische Maßnahmen gesetzt. Der persische König und Feldherr Kyros II. ließ vor 2500 Jahren in jedem seiner vielen Paläste einen Garten anlegen. Sie dienten dem inneren Rückzug, der Privatsphäre, waren aber ebenso Symbole der Macht. Auch die Pyramiden im alten Ägypten waren einst von großen Gartenanlagen umgeben. Der Totenkult der Ägypter sah als Opfergaben Blumen, Speisen und Getränke vor. Dafür brauchte es Gärten, in denen Wasser in Form künstlich angelegter Teiche, umgeben von Weinlauben, Alleen, Blumen- und Gemüsebeeten, von zentraler Bedeutung war. 513 dieser Tempelgärten sind etwa zur Zeit Ramses III. (1221 – 1156 v. Chr.) nachgewiesen.

Im Mittelalter hatte sich mit dem „Hortus conclusus“, dem ge- oder verschlossenen Garten, ein eigener Typus herausgebildet. Der Klostergarten als sein bekanntester Vertreter spielte bei der Entwicklung der Pflanzen- und Heilmittelkunde eine bedeutende Rolle.

Die Beherrschung der Natur

Die Entdeckung neuer Kontinente und Seewege brachte neue Pflanzen und Ideen nach Europa, die auch die Gartengestaltung beeinflussten. Die italienischen Renaissancegärten des 15. und 16. Jahrhunderts präsentierten sich als offenes Gesamtkunstwerk, waren aber auch Ausdruck des Humanismus mit seiner nach außen hin geöffneten Ästhetik. Gerade Wegachsen, terrassenförmige Anlagen, bunte Blumenbeete, viele Fontänen und Wasserspiele kennzeichneten diese Gärten, deren wichtigste Blume übrigens die Tulpe war.
Eine Weiterentwicklung und Steigerung stellten in der Folge die französischen Barockgärten dar. Noch größer, noch symmetrischer noch geometrischer wurden sie angelegt. Die Beherrschung der Natur als Demonstration von Macht und Wohlstand, den königlichen Absolutismus widerspiegelnd. Die Gärten sollten auf einen Blick erkennbar sein, waren deshalb lang und schmal. André Le Nôtre gilt als Urheber des typischen französischen Gartens. Im Auftrag von Ludwig XIV. gestaltete er den Garten von Versailles, den Inbegriff barocker Gartenkunst.

Zurück zur Natur

Mit der Aufklärung entwickelte sich ab 1720 in England wiederum ein komplett neuer Stil. Natürlich wirkende Teiche und Seen, verschlungene Wege oder weite Rasenflächen sind typische Kennzeichen englischer Landschaftsgärten. Die Natur wurde nicht mehr in Formen gezwungen, sondern sollte sich entfalten können und einem begehbaren Landschaftsgemälde gleichen.

Mit der Industrialisierung verlagerte sich das Leben und Arbeiten zunehmend in die Städte. Doch auch im urbanen Lebensraum wollte der Mensch die Natur in greifbarer Nähe haben. Zunächst entstanden große städtische Parkanlagen, doch irgendwann wollten die Städter mehr, als passive Nutznießer der Grünanlagen sein, wollten sich die Hände schmutzig machen. Buddelten die Stadtmenschen zunächst noch in Schrebergärten in der Erde, tun sie es aktuell auf zur Verfügung gestellten öffentlichen (Brach-)Flächen. Urban Gardening heißt der Trend, der ausgehend von New York auf Europa überschwappte. Aber auch auf privaten Terrassen und Balkonen wird mittlerweile mit Vorliebe gegartelt. In Töpfen, Kübeln, Pflanzenampeln, ja sogar an der Wand wachsen und reifen Erdbeeren, Tomaten, Kräuter, Häuplsalat und vieles mehr.

Therapieplatz Garten
Birgit Steininger Bild: privat

Therapieplatz Garten

Birgit Steininger ist Gartentherapeutin und leitet an der Universität für Agrar- und Umweltpädagogik in Wien den Masterlehrgang „Green Care“. Der Lehrgang, der auf einen bestehenden Grundberuf aufbaut, besteht seit 2012 und ist europaweit der einzige dieser Art. Green Care macht sich die positive und unterstützende Wirkung der Natur, von Tieren und Pflanzen zunutze, um Menschen zu helfen und sie zu fördern. Die Gartentherapie ist ein Bereich.

OÖNachrichten: Warum tut uns das Garteln gut?

Birgit Steininger: Dazu gibt es verschiedene Theorien. Eine besagt, dass viele Menschen unter einem sogenannten Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom leiden. Im Alltag sind wir vielen Reizen ausgesetzt, die unsere Aufmerksamkeit schwächen, wie etwa Straßenlärm. Die Natur hilft, dieses Defizit wieder auszugleichen. Ich greif in die Erde, ich pflanze etwas an, ich rieche an einem Zitronenmelissenblatt, ich höre Vogelgezwitscher. Schon kleine Reize reichen aus, um positive Energie freizusetzen. Bereits in unserer Sprache finden sich ja viele Verweise auf die Erde: Man ist tief verwurzelt, etwas fällt auf fruchtbaren Boden.

Gartenarbeit ist das eine, Gartentherapie etwas ganz anderes, oder?

Gesundheitsfördernde Wirkung kann sich jeder aus dem Garten holen. Wichtig bei der Therapieform ist, dass sie von einem Therapeuten angeleitet wird. Der Garten ist eine Materialkiste mit unzählig vielen Möglichkeiten. Der Gartentherapeut beurteilt die Situation des Patienten und wählt die für ihn passende Therapie, definiert Ziele und evaluiert diese. Für einen geriatrischen Patienten etwa kann die Therapie darin bestehen, in einem Innenraum im Sitzen Sonnenblumenkörner in die Erde zu stecken. Langzeitarbeitslose können im Garten die Regelmäßigkeit und Beharrlichkeit trainieren, Suchtkranke hingegen die Genussfähigkeit abseits der Suchtmittel neu entdecken, indem sie die Früchte ihrer Arbeit verzehren.

Bei welchen Menschen/Patienten fällt Gartentherapie auf besonders fruchtbaren Boden?

Prinzipiell ist sie für jedes Alter geeignet. In Österreich wird diese Therapieform stark in der Psychiatrie und im Geriatriebereich eingesetzt. Auf der Palliativstation im AKH Wien wurde mit einer Gruppe eine einjährige Gartentherapie gemacht. Diese einmal wöchentlich zwei Stunden brachten den Patienten Abwechslung und Ablenkung von den Schmerzen. Es kam zu mehr sozialen Interaktionen zwischen den Patienten und diverse Tätigkeiten konnten sie gemeinsam mit den Angehörigen machen. Da stand dann für zwei Stunden das Blumengesteck im Vordergrund und nicht die Krankheit.

Im Garten spielen stets das Säen, Wachsen, Reifen und Ernten eine Rolle – was macht das mit uns?

Es geht um einen Prozess, der sich nicht beschleunigen lässt. Da können wir noch so viel Druck ausüben, es geht nicht schneller. Der Garten lehrt uns Geduld und in gewisser Hinsicht auch Demut. Auch wenn ich alles richtig mache, mich gut kümmere, können trotzdem Schädlinge kommen und die Ernte vernichten. Ich muss den Misserfolg akzeptieren. Viele Faktoren beeinflussen den Erfolg, nicht alle kann man beeinflussen. Ein Garten verändert sich ständig, ist etwas Lebendiges, das auf meine Pflege oder Nicht-Pflege reagiert. Das Schöne der Natur ist aber auch, dass sie uns überrascht. Es können Pflanzen blühen, die nicht geplant waren. Außerdem: Ich habe noch nie einen Gärtner getroffen, der gesagt hätte: Ich weiß jetzt alles. Ein Garten bedeutet auch ständiges Lernen.

"Bin im Garten ..."
Dr. Thomas Schlager-Weidinger Bild: privat

„Bin im Garten ...“

in im Garten“ ist häufig nicht nur eine Ortsangabe, sondern auch eine Zustandsbeschreibung im Faust’schen Sinne: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!“. Die Verwirklichung dessen wird möglich, indem ich mich im Einklang erleben darf: mit mir selbst, mit der Natur und gelegentlich mit dem, der hinter allem steht. Hier gelingt es mir, sinn- und lustvoll tätig zu sein in einem zeitlichen Rhythmus, der nicht einengt und bedrängt, sondern Zyklen folgt, die ganz selbstverständlich Ruhe- und Reifungsphasen beinhalten.

„Bin im Garten“ ist aus diesem Grund ein Ausdruck für die Unterbrechung eines heraus- und überfordernden Alltags. Mit „Unterbrechung“ liefert J. B. Metz auch eine der prägnantesten und kürzesten Definitionen von Religion. Zentrales Element dieser sind nicht etwa verstaubte Regeln und Riten, sondern ist vielmehr ein blühendes Leben, das göttlich inspiriert, begleitet und getragen ist.

„Bin im Garten“ ist somit auch eine biblische Metapher menschlicher Existenz. Das hebräische Wort „gan“ für Garten leitet sich vom Verb „beschützen/hegen“ ab und bedeutet so viel wie „Umwallung“. Die Erfahrung von Garten ist also mit dem Gefühl von Geborgenheit verbunden. Auch aus diesem Grund findet man in der Bibel immer wieder Bilder, die Gott selbst in einem Garten (Eden) zeigen und ihn als verantwortlichen Gärtner zeichnen.

Zu guter Letzt – oder zuallererst – ist der Garten in der Bibel vor allem auch ein Traum von einer Welt, wie sie sein könnte: ein Ort der Schönheit und des Friedens, der Fruchtbarkeit und des Heils sowie der Verbundenheit alles Lebendigen. Um sich hier nicht in einer romantischen Weltflucht zu verirren, bedarf es der Vergegenwärtigung der biblischen Schöpfungserzählungen, die sich in einem Garten abspielen. Für die Auslegung ist zu berücksichtigen, dass Gärten im Alten Orient immer Ausdruck der königlichen Macht und Herrlichkeit waren. Der jeweilige Herrscher zeigt dadurch, dass er imstande ist, eine lebensfreundliche Ordnung in eine Welt lebensfeindlicher Unordnung zu bringen. Die Perser verwendeten für diese Palastgärten das Wort „pardes“, welches sich als „Paradies“ in der Bibel wiederfindet. Von Interesse ist weiters, dass die altorientalischen Kulturen von Wüstenerfahrungen geprägt waren. Vor diesem Hintergrund ist die revolutionäre Botschaft der Schöpfungserzählung zu lesen: Jeder (!) Mensch – und nicht nur der König – wird zum Bebauen und Bewahren in diesen von Gott gegeben Garten gesetzt (Gen 2,15). Im Zentrum steht also nicht ein Arbeitsauftrag, sondern die Einsetzung des Menschen in eine königliche Würde.

Ich bin überzeugt, wenn wir es endlich schaffen, jeden Menschen so zu sehen, dann wäre das Paradies auch in dieser Welt erlebbar. Im eigenen Garten oder auf dem Balkon können wir es ein Stück weit schon begreifen – bereiten wir es doch einander!

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