Einfach Wild gekocht
Klassische Wirtshaus-Küche ohne Hauben-Brimborium: Im Gasthaus Wögerer in Feldkirchen an der Donau von Kultiwirt-Obmann Karl Wögerer weiß man, wie´s geht. Wir kochten mit.
So ein Hallo. Die Goldhauben-Damen gehen gerade. Ein Manager einer benachbarten Firma freut sich über die Karte auch in Englisch. Am Stammtisch scherzen die betagten Stamm-Esser mit der Kellnerin über die Tagesmenüs. Es ist ganz normaler Alltag im Gasthaus Wögerer in Feldkirchen an der Donau.
Das Wirtshaus, in dem der echte Wirtshaus-Genuss zu Hause ist, steht am Marktplatz Nr. 18. Es gibt kein Schäumchen-Chi-Chi und keine mit der Pinzette aufgebrachte Deko. Bei Wögerers kocht man klassisch und das seit 1868. Seit 1905 ist man am Standort, den Karl Wögerers Urgroßvater gekauft hat. Auch Karl Wögerer jun. ist Wirt mit Leib und Seele. Seit heuer ist der gemütliche Anpacker Obmann der Kulti-Wirte, einer Vereinigung klassischer Wirtsleute, denen Regionalität, Kochen wie früher, Frische, die Ablehnung von Fertiggerichten, die Pflege von Stammtischen, der Plausch mit den Gästen und das Offenhalten gerade am Sonntag gemein ist.
Karl Wögerer ist auch Jäger. Auch deshalb sind wir hier. Denn wir sind auf der Jagd nach den besten und bewährtesten Wildrezepten, die einfach und auch von wenig Küchenerprobten nachzukochen sind.40 bis 60 Rehe aus dem Revier Feldkirchen verarbeitet Wögerers Küchenchef Lukas Leitner jedes Jahr. Er ist seit fünf Jahren da. Die Chefin ist Karl Wögerers Gattin Martina. Sie hat sich für die Hoamatland-Leserinnen und -Leser eine optisch besonders raffinierte, aberauch besonders einfache Vorspeise ausgedacht: einen Wilderer-Cappuccino. Das ist eine Wildpüree-Suppe im Glas. Sie gelang so gut, dass sie derzeit auf der Karte des Kulti-Wirtshauses steht.
Die Wögerer-Küche ist winzig. Kaum zu glauben, dass hier so viele Portionen in so kurzer Zeit hinausgehen können. Doch jetzt am Nachmittag ist es ruhiger. Ich binde meine Schürze um. Küchenchef Leitner schneidet das Fleisch von der Rehkeule. In einem Riesentopf gibt immer heißer werdendes Rapsöl sanftes Glucksen von sich.
Hinein mit den Rehwürfeln. "Scharfes Anbraten ist wichtig. Denn die Röstnoten bringen das gute Saftl", sagt Koch Leitner. Er ist tätowiert wie fast alle seiner Zunft. Die Sous-Chefin ist eine Frau. Kerstin Wimmer. Sie hat die Nachspeis’, das Preiselbeer-Parfait, kreiert. Drei Lehrlinge kochen auch mit. "Gott sei Dank habe ich heuer keine Probleme gehabt, gute zu bekommen", sagt Wögerer. Er ist eigentlich Bäcker und Konditor. Denn bis 1999, als er das Wirtshaus von seinem Vater übernahm, war es eher eine Bäckerei mit angeschlossenem Kleingasthaus. Dann baute Wögerer aus. Heute finden 240 Gäste in den schmucken Stuben und im modernen Zubau Platz.
Ich hole das Fleisch, das tüchtig Farbe angenommen hat, aus dem Topf, gebe dan die gewürfelten Zwiebeln hinein. Sie werden so sanft und liebevoll angebraten, wie vorher beim Fleisch Gas gegeben wurde. Die klein geschnittenen Steinpilze duften. Auch sie kommen dazu. Großzügig gibt Küchenchef Leitner noch Preiselbeermarmelade dazu, weiters etliche Spritzer Balsamico-Glacé (verdickten, süßen Balsamico; erhältlich im Supermarkt), frischen Rosmarin und Bohnenkraut. Ich rühre, bis Lukas Leitner "genug" sagt, das Fleisch wieder dazugibt, mit Suppe aufgießt und den Deckel daraufgibt. Alles muss sanft schmoren und das nicht zu kurz. Mindestens eine Stunde soll es sein. Besser zwei.
Einstweilen gehe ich Martina Wögerer zur Hand. Die hat das Preiselbeer-Parfait aus dem Tiefkühlfach genommen, hebt es mit der Klarsichtfolie aus der Metallform und schneidet Schnitten.
Vor Parfait braucht man nur Respekt haben, wenn man es isst; bei der Zubereitung gar nicht. Eigentlich ist Parfait "nur" eine Eier-Schlagobers-Creme mit Zutaten, die gefroren wird.
Man kann es auch ohne Rotweinbirne essen. Küchenfaule dekorieren es einfach mit zwei Löffel Preiselbeermarmelade, verrührt mit Rum. Hoffentlich schimpft Martina Wögerer nicht, wenn sie das liest. Denn küchenfaul ist sie gar nicht. Sie macht die Rotweinbirnen frisch (siehe Rezept) und würfelt sie so fein, wie ich es nie machen würde.
Auch der Wilderer-Cappuccino ist einfach. Er kann vorgekocht und in größerer Menge im Tiefkühlfach auf weitere große Stunden warten. Wögerers Sohn Christoph serviert. Wir setzen uns mit küchenwarmen Wangen nieder. Gut schmeckt’s!
Einkaufstipp
Wildbret kaufen: Der Landesjagd-Verband Oberösterreichs listet auf seiner Homepage alle Bezugsquellen für Wild direkt vom Jäger auf: www.ooeljv.at - Bei „Jagd in OÖ“(oben) bitte „Wildbret und Rezepte“ anklicken. Bei der Auswahl links „Wildbret direkt vom Jäger“ anklicken.
Die Rezepte
Wilderer-Cappuccino à la Martina Wögerer
Feldkirchener Reh-Ragout von Küchenchef Lukas Leitner
Preiselbeer-Parfait à la Souschefin Kerstin Wimmer
Tipps fürs Nachkochen
- Beim Hirschfleisch sollte „Kalb“ dabei stehen. Je älter der Hirsch, desto grobfaseriger.
- Beim Wildschwein unbedingt Frischlinge verlangen.
- (Wild-)Ente: Bei jungen Tieren lässt sich der Schnabel noch verbiegen.
- Beim Fasan gilt Vorsicht: Lange Krallen deuten darauf hin, dass das Tier ziemlich alt (und zäh) ist.
- Reh: Je kleiner die Keule, desto jünger das Reh und desto zarter das Fleisch. Bei größerem Bedarf lieber zwei kleine Keulen statt eine große nehmen.
- Zum Dessert passen hervorragend im Mörser grob zerkleinerte, sanft geröstete und darübergestreute Pistazien.
- Wem die Zubereitung der Rotweinbirnen zu mühsam ist, kauft eine Dose Birnenkompott. Den Inhalt mit einem Teil des Saftes und mit Rotwein kurz aufkochen, auskühlen lassen, fertig!
Kult
Auch das Brot bäckt man bei Wögerer selbst.
Roggenmehl ist das Geheimnis und dass man den Brotteig nicht in Riesen-Maschinen macht, sondern in kleinen Mengen mit der Hand. Karl Wögerer weiß, wovon er spricht. Denn er ist nicht nur Wirt, sondern auch Bäcker und zwar ein gelernter. Denn bis 1999 spielte die Bäckerei Wögerer die Hauptrolle. Dann übernahm diesen Part das ausgebaute Gasthaus. Die Bäckerei gibt es immer noch. Viele Mostheurige holen sich die duftenden Sauerteig-Laibe, die auch nach drei, vier Tagen noch gut schmecken.
Industriebäckereien müssen nämlich Weizenmehl beimischen. Damit verpickt der Teig die großen Rührmaschinen nicht, da Weizenmehl weniger Wasser bindet.
Das hat die Bäckerei Wögerer nicht nötig, und das Roggenmehlbrot ist saftig. Das Gasthaus Wögerer ist bekannt für seine Mühlviertler Landhausküche. Es liegt direkt am Donauradweg und neben dem Feldkirchner „Campanile“, einem schmucken Turm, Marktplatz 18, 4101 Feldkirchen an der Donau, Tel. 07233/ 7223. Ruhetag: Montag