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Alles roh. Gegart wird gar nichts

Von Peter Hirsch, 26. April 2014, 00:04 Uhr
Alles roh. Gegart wird gar nichts
Das Roh-Prinzip: Alles wird so gegessen wie gekauft, nur schneiden, pürieren, mixen und würzen ist erlaubt. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Ein neuer Ernährungstrend kommt aus den USA. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes noch "uriger" als die Steinzeitdiät.

Rohkost war gestern und vorgestern. Absolut ROH ist heute. Vier Kochbücher, die sich dieser besonders "kalten Küche" widmen, sind in den vergangen Wochen auf Deutsch erschienen, einige werden wohl noch folgen.

In den USA sind Gerichte mit ausschließlich ungegarten Zutaten seit drei Jahren "trendy", angeblich schwören viele Hollywoodstars auf diese Kost. Sie mache gesund, schön und vital. Das hörte man, zum Teil von den gleichen Stars, vor kurzem noch von der Steinzeitkost, der mit ihr verwandten Paleo-Diät und veganer und vegetarischer Ernährung. Die neue "Wir essen nur Rohes"-Mode kommt Veganern und Vegetariern nicht sehr entgegen: Es gibt auch Fleisch- und Fischgerichte.

Roh ist manches giftig

Man kann vieles, aber nicht alles roh essen. Unter anderem sind Bohnen, Hülsenfrüchte giftig, wenn sie nicht gegart werden, ebenso Holler, Yamswurzeln, Bataten (Süßkartoffeln). Die Stärke in unseren Erdäpfeln wird erst durch den Kochvorgang verdaulich. Keinesfalls roh gegessen werden darf Geflügel und Wildschwein, auch bei anderem Wild sollte man eher vorsichtig sein. Von Schweinefleisch sollte die Roh-Fraktion ebenfalls die Finger lassen.

Nicht nur um Gifte zu neutralisieren und um Lebensmittel besser verdaubar zu machen, werden sie gekocht. Durch Erhitzen werden gefährliche Mikroben ( Salmonellen, Listerien) und Toxoplasmen (Parasiten) beseitigt, und die Lebensmittel verderben nicht so schnell. Für "roh" spricht allerdings, dass durch Erhitzen viele Nährstoffe und Vitamine verloren gehen bei Fleisch (B-Vitamine) und Fisch, noch mehr bei Obst und Gemüse. Außerdem gelangen die Nährstoffe von Rohkost, besonders von geraspeltem Obst und Gemüse, langsamer in das Blut als gegartes Gemüse und Obstbrei. Das entlastet den Blutzuckerspiegel, und man bleibt länger satt.

Gekocht wird seit der Steinzeit

Grundregel beim Zubereiten von rohen Speisen: Absolut frische Zutaten zügig verarbeiten und auch gleich essen. Tipps und Rezepte zum Thema rohe Ernährung bietet das Buch "ROH – der pure Genuss" von Gabriele Gugetzer (GU-Verlag, 129 Seiten, 25,70 Euro). Schöne Fotos, nette, aber wenig überraschend und nicht sättigend die Rezepte: Das beweisen auch der Menüvorschlag auf dieser Seite.

Es gibt halt nicht gar so viele kulinarisch ernst zu nehmende, gute Gerichte, für deren Entstehung man weder Pfanne oder Kochtopf, weder Herd noch Backrohr oder zumindest eine Feuerstelle benötigt. Das wussten schon unsere Vorfahren in der Steinzeit – siehe: "Schon Menschen in der Steinzeit aßen nicht nur Rohes."

Schon Menschen in der Steinzeit aßen nicht nur Rohes

Das Ernährungskonzept „Roh“ ist noch „uriger“ als die Steinzeitdiät und ebenso umstritten. „Alles roh“ hat mit der Steinzeitdiät zwar Gemeinsamkeiten, der größte Unterschied aber ist: Vor 1,8 Millionen Jahren begannen unsere Urahnen, durch Blitzschlag entstandenen Brände als Lagerfeuer weiter zu nützen um Nahrung zu kochen und aus Tongefäße durch Brennen zu festigen. Vor 32.000 Jahren, im Jungpaläolithikum, lernten die Menschen mit Hilfe Feuersteinen Funken zu schlagen und selbst Feuer machen. Spätestens seit jener Zeit wurden viele Speisen gegart.

Die in Niederösterreich entdeckte Frauenfigur „Venus von Willendorf“ stammt aus der jüngeren Altsteinzeit (Jungpaläolithikum).
Die Dame ist beleibt. Ist das ein Hinweis darauf, dass alle Menschen der Steinzeit vor 20.000 bis 2 Millionen Jahren, viel gegessen haben? Wohl kaum. Wer sich heute wie in der Steinzeit ernährt – ein Trend aus den 1990er-Jahren – oder sich den Regeln der „Paleo(lithiklum)-Diät“ unterwirft oder sich roh ernährt hat meist ein Ziel: Abnehmen!

Das sagen die Verfechter

Steinzeiternährung, das Konzept „Urgeschmack“ und die Paleo-Diät ist sei nach Meinung ihrer Verfechter die „einzige artgerechte Ernährung für Menschen“.

Essen soll man:
Viel Gemüse, Fleisch, Fisch, Eier, und tierisches Fett.
Eingeschränkt Obst.
Kein Getreide, keine Hülsenfrüchte, kein Zucker, keine pflanzlichem Fette, kein Alkohol.

Diese Ernährung bewirke ideales Körpergewicht, Gesundheit, Leistungsfähigkeit und helfe, Erkrankungen zu vermeiden, zu lindern oder zu heilen.

Die Steinzeitdiät-Theorie basiert auf Darwins Evolutionstheorie und der Annahme, das menschliche Erbgut habe sich seit der Steinzeit nicht verändert. Folglich müsse steinzeitliche Ernährung ideal sein, da sich der menschliche Organismus im Laufe von Millionen Jahren an diese perfekt angepasst habe.

Das sagen die Kritiker

Für den Nutzen der Ernährung à la Steinzeit gebe es keinen seriösen Beweis. Und die Aussage, das menschliche Erbgut habe sich seit der Steinzeit nicht verändert, ist widerlegt. Auch das Roh-Konzept wird von den meisten Ernährungswissenschaflern und Ärzten abgelehnt.

Roh – Drei Rezepte

Bei der Empfehlung eines Menüs aus dem Buch „ROH“ habe ich mir schwer getan. Vorspeisen, kalte Suppen und kleine Gerichte kein Problem, aber ein Hauptgericht, das satt macht – noch dazu ohne das verbotene Brot oder Gebäck – habe ich nicht gefunden. Und ein originelles Dessert auch nicht.

Pilzcarpaccio mit Haselnüssen
250 g Champignons gut reinigen, Stielenden abschneiden, in ganz dünne Scheiben schneiden, auf vier Tellern flach auslegen, leicht salzen, kräftig pfeffern. Dressing rühren aus 3 EL Haselnussöl, 1 TL Agavendicksaft, 2 EL Granatapfelsaft (gibt es in guten Supermärkten), und einem Spritzer Zitronensaft. Dressing über die Pilze träufeln. Die Pilze mit Rucolablättern belegen und mit im Mörser etwas zerkleinerten oder mit dem Messer grob gehackten Haselnüssen bestreuen.

Röllchen von zweierlei Lachs
400 g rohes Lachsfilet („Sushiqualität“) fein hacken mit zwei Drittel das Saftes einer großen Limette, Salz und schwarzem Pfeffer aus der Mühle mischen, das Tatar eine Stunde kaltstellen. Halben Bund Schnittlauch fein schneiden. Lachstatar in ein Sieb geben, abtropfen lassen, Schnittlauch und restlichen Limettensaft unterrühren. 8 dünne Scheiben gebeizten Lachs („Graved Lachs“) wenn nötig halbieren, etwas Tatar in die Mitte setzen. Aufrollen, mit Schnittlauch umwickeln (binden).
Alternative für Freunde von Fleisch: Beef Tatar. Leider ohne Toast mit Butter.

Bei Desserts ist die Auswahl roher Speisen klein und fad: Sorbets, Obstsalate, dünn aufgeschnittene Früchte à la Carpaccio. Zucker ist, weil nicht „roh“, verboten. Honig, Süßwein, Agavendicksaft und frische Stevia-Stängel sind als Süßmittel erlaubt.

Himbeersorbet
400 g Himbeeren (frisch oder aufgetaute Tiefkühlware) mit dem Saft einer halben Zitrone, dem Mark einer halben Vanilleschote und 3 EL Agavendicksaft im Mixer oder mit dem Pürierstab fein zerkleinern, dann das Püree durch ein Sieb streichen. In einer flachen Form 3 Stunden einfrieren, zwischendurch mit einer Gabel durchrühren. Zum Servieren Kugeln formen.

 

Die Roh-Regeln
Verboten ist alles Gegarte und über 40 Grad Erhitztes, also auch die Sattmacher Brot, Gebäck, Reis, Erdäpfeln und Hülsenfrüchte.

Erlaubt sind: Snacks: luftgetrockneter Schinken, Fleisch und Fisch kalt geräuchert.

Obst, Gemüse, Kräuter, Blüten: Fast alle Salate, Obstsorten und Gemüse, auch als rohe Suppen (z. B. Gazpacho), Püree (aber nicht aus Erdäpfeln) und als Smoothie; Champignons frisch, andere Pilze nur getrocknet zum Würzen in Pulverform; Nüsse

Fisch & mehr: Austern und Matjes. Roher und gebeizter Lachs, Thunfisch, auch Heilbutt, Pangasius, Dorade und Kabeljau z. B. für Tatar, Sashimi (= Sushi ohne Reise) und Ceviche (= roher Fisch in Zitronensaft eingelegt)

Fleisch: Rind und Lamm, auch Reh und Hirsch für Beef Tatar und Carpaccio.

Eier nur roh für Mayonnaise und im Beef Tatar (Dotter)

Alle Gewürze auch Salz und „echt roher Apfelessig“

Rohmilchkäse ist erlaubt, Rohmilch, Butter und Obers hingegen kommen aus unerfindlichen Gründen in den Rezepten nicht vor, Kokosmilch dient als Ersatz.

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