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Die Mundart ist Heimat

Von Reinhold Gruber, 24. Juni 2011, 00:04 Uhr
Die Mundart ist Heimat
Ein Mundartdichter aus Leidenschaft: Joschi Anzinger Bild: Ulli Engleder

Wenn Joschi Anzinger spricht, dann in Mundart. So wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Der Dialekt-Bewahrer redet nicht nur so. Er schreibt auch so. Mit dem „GRANIDD fausdd“ hat er nun einen zweiten Klassiker in die Mundart transferiert.

Anzinger, der „kleine Heimatdichter“ (seine eigenen Worte) vom Pöstlingberg, hat nach dem Nibelungenlied nun Goethes „Faust“ studiert – und die Geschichte nicht nur in die Mundart, sondern auch ins Mühlviertel transferiert. Auf 160 Seiten und vier CDs (erschienen in der Bibliothek der Provinz, Preis: 34 Euro). Ein Gespräch über Literatur, Mundart und Aussichten.

 

Der Faust ist eine alte Mühlviertler Geschichte, sagst du. Wie darf man das verstehen?

Anzinger: Es gibt eine Sage über das Fauststöckl in Oberlandshaag, gegenüber von Aschach. Das Fauststöckl hat in dieser Sage der Teufel einem gewissen Dr. Faust gebaut. Die Geschichte, die Goethe erzählt, gibt es im Mühlviertel also auch. Es gibt auch noch eine zweite Geschichte, nämlich die über die Teufelbruckmühle in Auberg, die auch in meinen Faust vorkommt. Dort hat der Wirt mit dem Teufel gewettet, dass er ihm die alte Mühle über Nacht neu bauen muss. Schafft er es, dann gehört seine Seele ihm. Der Teufel hat es nicht zusammengebracht und ist davongelaufen. Im Granit sieht man heute der Sage nach noch die Tritte des Teufels.

Wie weit oder wie nah ist es vom Nibelungenlied zum Faust gewesen?

Anzinger: Vom Konzept her ist es nicht weit. Weil ich habe in beiden Werken alle handelnden Personen in unser Land verpflanzt. Mit dem Hintergedanken, dass die Klassiker dann von den Leuten vielleicht besser angenommen werden, weil sie sich auskennen. Beim Nibelungenlied war es schon so, dass ich die Geschichte nicht in meiner Mundart in der rheinischen Tiefebene erzählen kann. Das wirft sich. Das ist so etwas wie warme Eislutscher. Das gibt es nicht. Deshalb habe ich mich entschieden, wenn ich das Nibelungenlied mache, dann hole ich es in die Gegend herein, siedle es da an. Das hat funktioniert.

Schlummerte der „Faust“ bereits in deinem Kopf?

Anzinger: Das Hölzl hat mir Verleger Richard Pils geworfen. Dann habe ich zu recherchieren begonnen, Faust-Spuren im Mühlviertel gefunden und gewusst, dass ich das machen muss. Die europäische Welt-Literatur lebt weiter, wenn du sie mit einem neuen Inhalt erfüllst, habe ich mir gedacht.

Voraussetzung für das Neuerzählen der Geschichte ist aber, sich mit dem Original auseinanderzusetzen. Wie intensiv musstest du Goethes „Faust“ lesen?

Anzinger: Sehr intensiv. Ich habe den „Faust“ zuerst einmal ganz gelesen und mich dann kapitelweise hineingearbeitet. Ich wollte ihn nicht übersetzen, weil das kannst du auch gar nicht. Ich wollte die Figuren neu beleben, mit neuen Dialogen, neuen Texten und neuen Inhalten. Aber natürlich zieht sich der rote Faden durch die ganze Geschichte. Das geht ja bis ins Alte Testament zurück, wo von Hiob die Rede ist. Da heißt es, dass Gott und Satan darauf wetten, ob Hiob Gott treu bleibt, obwohl ihn der Böse verführt. Goethe hat dann in „Faust“ mit Mephisto diese tolle Figur erfunden, der fast ein Psychoanalytiker ist. Durch ihn hat die negative Seite in uns Menschen ein Gesicht bekommen. Er kennt uns halt. Das ist das Interessante und Zeitlose an dem Stoff. Menschen machen immer wieder Fehler und rennen einem Rattenfänger nach. Du brauchst ja heute nur zum Beispiel anschauen, worauf die Börsencrashs aufgebaut wurden. Das ist alles aufgebaut auf einem Lügengebäude, einer Verlockung, einer Verführung. Auch der Mephisto ist ein Verführer, ein Verzerrer der Wirklichkeit. Dadurch ist es für mich eine aktuelle Geschichte geworden.

War es faszinierend, zu sehen, wie zeitlos dieses Stück ist?

Anzinger: Ja, natürlich. Wobei ich behaupte, dass ein Mehr an Lebenserfahrung den Zugang erleichtert. Ich sage es dir ganz ehrlich: Vor zehn Jahren hätte ich diese Geschichte nicht machen können. Das wäre nicht gegangen, weil ich durch mein Leben erst gelernt habe. Ich komme mit so vielen Menschen zusammen, schlechten, bösen und natürlich auch guten. Menschen, die es gut mit mir meinen und mich ein Stück weitertragen.

Ist es dir beim „Faust“ leichter gefallen, weil du gewusst hast, dass man einen Klassiker in Mundart übertragen kann? Beim Nibelungenlied konntest du dir dessen ja nicht sicher sein.

Anzinger: Ja. Wobei es mir darum ging, dass ich den Zugang zu einer Geschichte ermögliche. Dadurch, dass es da spielt, in einer Gegend, in der sich jeder auskennt, jeder weiß, wo St. Martin im Mühlkreis, Aschach oder Feldkirchen liegen, wird es leichter greifbar. Ich bin ja zu den Menschen gefahren, habe mit ihnen geredet, mir die Geschichten erzählen lassen. Diese Substanz ist nicht an der Oberfläche zu finden, da muss man hineingraben. Das Interessante ist das Freilegen und das Ein-Stück-weit-leben-Lassen. Das ist schön, vor allem weil ich es in meiner Sprache mache. Ich bin schon gefragt worden, warum ich das in Mundart mache. Ich glaube, ich könnte es nicht anders. Und ich möchte es nicht anders. In der Mundart bin ich daheim, da kenne ich mich aus. Ich denke und träume in der Mundart. Ich rede so. Ich bin einfach so und ich will auch nicht anders sein. Das ist, glaube ich, das Ehrliche, dass mir die Leute auch glauben, was ich ihnen erzähle.

Ist das ein Geheimnis des Erfolgs?

Anzinger: Möglicherweise. Aber mein Freund Roland Girtler hat gesagt, dass man zum Erfolg drei Sachen braucht, die angeblich bei mir vorhanden sind.

Welche?

Anzinger: Schwein, Schmäh und Schneid. Dieser Satz ist so genial und er stimmt. Freilich brauchst du Glück. Aber du musst dich etwas trauen, deinen eigenen Weg verfolgen. Das steht auch im Faust drinnen. Eigener Herd ist Goldes wert. Und du musst etwas machen, das dich von der Masse abhebt. Dadurch kannst du zum Original werden. Ansonsten rennst du mit dem Haufen.

Kann man das, was du machst, im weitesten Sinn als Heimatpflege bezeichnen?

Anzinger: Ja, freilich. Die alten Geschichten sind nicht schlecht. Im Gegenteil. Sie sind sehr gut. Sie sind voll Weisheit, voll Philosophie und voll Lebensnähe und Realität. Sie sprühen nur so vor Vitalität. Nur muss man diese Geschichten freilegen. So eine Geschichte wie den Faust neu zu erzählen, heißt nichts anderes, als dass ich ihr wieder neues Leben einhauche, einen neuen Drall gebe. Ich möchte nichts verunglimpfen. Ich hätte beim Nibelungenlied den Siegfried auf ein Motorrad setzen können. Aber das geht am Zweck vorbei.

Welchem Zweck?

Anzinger: Der Zweck ist, eine Geschichte wie den Faust dorthin zu verpflanzen, wo wir heute leben und da irgendwie beleben.

Dadurch erfährt man dann, dass es ein Fauststöckl gibt und wo es liegt. Ich bin mir sicher, dass viele Landsleute das nicht gewusst hätten.

Anzinger: Das mag durchaus so sein. Aber ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich das Fauststöckl vor ein paar Jahren auch nicht gekannt habe.

Das heißt, du lernst auch?

Anzinger: Natürlich. Es ist nicht so, dass ich jemandem etwas erklären will. Ich erkläre mir dadurch auch selbst etwas, lerne meine Umgebung, meine Welt kennen. Ich will mich auskennen. Interesse ist der beste Lehrmeister.

Buchpräsentationen 29. Juni 19 Uhr Pfarrheim Pöstlingberg in Linz 2. Juli 20 Uhr Kirchenwirt z’ Gramastetten

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