Christine Osterberger: Die Hürdenspringerin

Von Karin Schütze   04.September 2015

Im "Was ist los?"-Gespräch erinnert sich die Innviertlerin an die schwierige Zeit ihrer Anfänge als Sängerin und erzählt von den verschlungenen Pfaden ihres vielseitigen Lebens. Sie führten die gelernte Konditormeisterin mit Chansons auf die Bühne, aber auch zur Malerei.

20 Jahre auf der Bühne – welche Emotionen löst dieses Jubiläum in Ihnen aus?

Christine Osterberger: Sehr viele schöne Glücksmomente. Das Schönste ist, wenn man sich durch Singen ausdrücken kann und das Feedback bekommt, dass man andere berührt, Emotionen in ihnen auslösen kann. Meine Lehrerin war Gisela May, die Brechtsängerin in der ehemaligen DDR, die Brecht noch persönlich kannte. Das war eine ganz elementare Begegnung, aus der auch eine Freundschaft wurde. Sie war für mich eigentlich die wichtigste Person, ich habe ja relativ spät begonnen.

Wie sind Sie zum Singen gekommen?

Ich habe mit 18 Gesang studiert (am damaligen Linzer Brucknerkonservatorium, Anm.), habe aber dann als Konditormeisterin den elterlichen Betrieb in Schärding übernommen. 14 Jahre hatte ich die Bäckerei, wollte aber immer Sängerin werden und habe nebenbei Gesangsunterricht genommen. In Graz an der Sommerakademie habe ich dann Frau May kennen gelernt, und sie hat mich bestärkt: "Geh auf die Bühne, mach' was, es lohnt sich." Auch mein Mann hat mich sehr unterstützt, wir haben zwei kleine Kinder gehabt. Und so habe ich am 5. November vor 20 Jahren in Wels im Kornspeicher meinen ersten Auftritt gehabt.

Wie haben Sie dieses allererste Konzert in Erinnerung?

Es war sehr aufregend, wir waren drei Frauen, eine Pianistin, eine hat Texte gelesen, und ich habe gesungen. Das Haus war ausverkauft, und man hat gespürt, wie es aufgeht, dass man mitgetragen worden ist vom Publikum, dass es einfach das Richtige ist.

Worin liegt für Sie der Reiz der Brecht-Lieder?

Es ist dieses Einfache, diese Texte, die jeder verstehen kann. Zugleich sind sie so doppelbödig und feinsinnig geschrieben. Dieses G’scheite, das jeder verstehen kann, das gefällt mir. Und diese Vielschichtigkeit an Kompositionen, Kurt Weill, Hanns Eisler, Paul Dessau. Oder Hans Zinkl, mit dem ich schon 20 Jahre zusammenarbeite, da weiß man einfach, wie’s geht. Im kommenden Jahr zum 60. Todestag Brechts werden wir einen Abend gestalten – "Play Brecht", mit Wilfried Scharf, ein ganz toller Virtuose auf der Zither. Ich habe ihn angerufen, und er hat sofort gesagt, da macht er mit. Brecht auf der Zither, mit Gitarre und Stimme – darauf freue ich mich schon sehr.

Sie malen nicht nur mit Klangfarben...

Ich habe mit Hinterglas- und Seidenmalerei begonnen. Die Malerei und das Singen gehören für mich zusammen. Wenn ich Musik höre, ist es oft so, dass ich irgendeine Farbe nehme, ohne nachzudenken, und ein Bild male.

Sehen Sie auch Farben, wenn Sie Klänge hören?

Ja, das könnte man sagen, dieses synästhetische Empfinden. Mit dem Alter wird das noch viel mehr, viel feinsinniger, da spürt man das viel mehr.

Was ist Ihre Lieblingsfarbe?

Momentan arbeite ich viel in Türkis- und Blautönen. Ich mag aber auch Rot und Orange. Ich bin keine Schwarz-und-weiß-Malerin, ich brauche kräftige Farben.

Haben Sie einen Wunsch für die nächsten 20 Jahre?

Dass es noch weitergeht wie bisher, dass wir vielleicht auch eigene Sachen singen. Ich schreibe ja auch Texte. Und dass das Ganze noch freier und leichter wird, dass es einfach so weitergeht, das wäre schön. Wenn ich zurückblicke, war es wirklich nicht leicht. Mein Vater war auch Sänger, er hat mich unterstützt. Aber meine Mutter wollte überhaupt nicht, dass ich singe. Ich hab’ mir immer Hürden vorgestellt, und dass ich da drüberspringe, auch wenn es ihr nicht gefallen hat. Aber wenn man etwas wirklich will…

… dann schafft man es trotzdem.

Das Wichtigste für junge Menschen ist, dass sie auf dem Weg bleiben, dass sie sich nicht beirren lassen. Wenn man das in sich hat, dann kann man eh nicht aus. Aber es ist oft nicht einfach, finanziell, mit der Familie. Darum bin ich jetzt umso stolzer, dass es immer noch weitergeht, dass sich immer wieder ganz feine Türen aufmachen. Ich spüre eine tiefe Dankbarkeit. Ich bin ein gläubiger Mensch, auch wenn ich keine Kirchengeherin bin. Aber wenn ich das "Ave Maria" in der Kirche singe, dann spüre ich so eine Urkraft, die da herauskommt und mich mit tiefer Dankbarkeit erfüllt. Das Schönste ist, wenn man Menschen Freude machen kann. Und wenn man sie vielleicht mit einem Lied treffen kann, sie aufmerksam darauf machen kann, sich zu besinnen und anderen Gutes zu tun.

Vita: Christine Osterberger studierte Gesang am Brucknerkonservatorium Linz (1973-78). Mehrere Brecht- und Chansonseminare (Akademie Graz bei Gisela May), 1993 Berlinaufenthalt und Privatunterricht bei May. ImprovisatVielseitigDie ion bei Lauren Newton, Jazzsommer Salzburg.

Vielseitig: Die Sängerin gestaltete zwölf Soloprogramme mit Brechtliedern, Chansons, Wienerliedern – zuletzt mit Hans Zinkl und Wolfram Derschmidt „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ und „Frauen sind keine Engel“ –, aber auch klassische Liederabende.

CD: „Ich mach’s nur aus Liebe“ ist der Titel ihrer jüngsten CD mit Chansons, Wienerliedern und improvisierten Vertonungen eigener Texte, gemeinsam mit Hans Zinkl (Gitarre) und Wolfram Derschmidt (Kontrabass), erhältlich unter info@christine-osterberger.at

Konzerte: Am 5. September gastiert Christine Osterberger mit Gitarrist Hans Zinkl und Musik von Schumann bis Piazzolla in der Pfarrkirche Riedau, 20.15 Uhr. Karten: Sparkasse Riedau oder 0664-8547527, infokontakt@osterberger.info. Am 26. 9., 20 Uhr, gestaltet sie eine Revue im Kubinsaal Schärding, Karten: Raiffeisenbanken Schärding.