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"Wir brauchen eine Neugründung"

Von (bock/eiba), 17. Oktober 2017, 00:04 Uhr
"Wir brauchen eine Neugründung"
Grünen-Spitzenduo Ulrike Lunacek und Ingrid Felipe: Personelle Konsequenzen, sobald das Endergebnis der Nationalratswahl vorliegt? Bild: APA/HERBERT PFARRHOFER

WIEN / LINZ. Die Grünen nach dem Wahldebakel: Erste Forderungen nach personellen Konsequenzen.

Bei den Grünen herrschte auch gestern Fassungslosigkeit über das Wahldebakel vor. Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek äußerte sich nicht; Bundessprecherin Ingrid Felipe bezeichnete das Ergebnis als "zu dramatisch für Schnellschüsse" und setzte auf Durchhalteparolen: "Ich sage klipp und klar: Das ist ein Rückschlag, aber wir werden weiterkämpfen."

Gremien-Sitzungen der Grünen gab es gestern noch keine. Man bereite sich auf den Bundesvorstand heute, Dienstag, vor, hieß es. Erst am Donnerstag, wenn das Endergebnis der Wahl feststeht, wird der Erweiterte Bundesvorstand zusammenkommen. Dort wird es wohl auch um personelle Fragen gehen.

Erste Forderungen nach "Köpferollen" gab es allerdings schon, vornehmlich aus ehemals starken Wiener Grün-Bezirken. "Es muss jemand die Verantwortung übernehmen", sagte Thomas Blimlinger, Grüner Bezirksvorsteher in Wien-Neubau. Diese liege beim Parteivorstand, dem neben Felipe elf Mitglieder angehören. Und Blimlinger, der im November sein Amt abgeben wird, ging mit den Grünen scharf ins Gericht.

Die Partei habe es verabsäumt, Nachwuchs aufzubauen, die Grün-Themen seien "schwer vermittelbar". In den vergangenen zehn, zwölf Jahren seien entscheidende Fehler gemacht worden: "Jetzt sind die Grünen eine stinknormale Partei, die nichts Neues mehr an sich hat." Es müsse sich "einiges ändern", forderte auch der Wiener Landessprecher Joachim Kovacs.

"Seit Jahren abgeschottet"

Johannes Voggenhuber, grünes "Urgestein", sieht in einer Neugründung die einzige Möglichkeit für die Partei, wieder auf die Beine zu kommen. Die Grünen-Führungsriege habe sich "seit Jahren abgeschottet und konnte die Warnsignale nicht wahrnehmen".

Für die Grünen ist nicht nur das Hinausfliegen aus dem Nationalrat bitter. Im kommenden Jahr stehen in vier Bundesländern – Niederösterreich, Salzburg, Kärnten und Tirol – Landtagswahlen an. In den drei letzteren haben sie nun aus einer Schwächeposition heraus Landesregierungsbeteiligungen zu verteidigen.

Aus diesen Ländern kamen gestern noch gemäßigtere Töne. Die Kärntner Grünen drängten nicht auf personelle Wechsel, "jetzt warten wir einmal bis Donnerstag", sagte Landesrat Rolf Holub. Niederösterreichs Grünen-Landesgeschäftsführer Hikmet Arslan sagte, man sei trotz der "herben Niederlage voll Tatendrang".

Oberösterreichs Landessprecherin Maria Buchmayr hatte vom "schlimmsten Tag in der Geschichte der Grünen" gesprochen, sie hoffe aber noch auf die Briefwahlstimmen. Landesrat Rudi Anschober war am Montag nicht erreichbar. Er werde auch an diesem Tag keine Stellungnahme abgeben, hieß es aus seinem Büro.

Landtagsabgeordnete Ulrike Böker aus Ottensheim – einer Gemeinde, in der die Grünen besonders schmerzlich dezimiert wurden – sieht das Problem weniger in den grünen Themen als vielmehr in der Kommunikation: "Warum bringen wir unsere Themen, die absolut richtig sind, nicht hinüber?" Auch das "taktische Wählen" habe den Grünen Stimmen gekostet: "Viele haben SPÖ gewählt, um Schwarz-Blau zu verhindern." Nun brauche man einen Neustart und eine Erneuerung.

Finanzieller Aderlass

Das Ausscheiden aus dem Parlament ist auch mit herbem finanziellem Verlust verbunden. Die Grünen würden 8,9 Millionen Euro an Bundes-Parteien- und Klubförderung verlieren. Einige Landesgruppen erklärten sich solidarisch, man werde die Bundespartei unterstützen. So einfach werde das nicht, sagt Politikwissenschafter Hubert Sickinger: so seien Landesförderungen oft zweckgebunden. Ein Teil der Landesorganisationen sei selbst finanzschwach und erwarte selbst Belastungen, beispielsweise die kommenden Landeswahlen. 

 

Die Grünen wären die vierte Partei, die abgewählt wurde

Bestätigt sich mit der Auszählung der Wahlkarten, dass die Grünen die Vier-Prozent-Hürde nicht schaffen, sind sie die vierte Partei in der Zweiten Republik, die aus dem Nationalrat hinausgewählt wurde. Wobei die Grünen jene Partei sind, die sich mit 31 Jahren am längsten im Hohen Haus gehalten hat.

Die Kommunisten zogen gleich bei der ersten Wahl 1945 ein, flogen aber bei der fünften Wahl 1959 aus dem Nationalrat. Zwei FPÖ-Abspaltungen wurden jeweils beim dritten Antreten wieder abgewählt: Das Liberale Forum (LIF) fiel 1999 unter die Vier-Prozent-Hürde, das BZÖ nach dem Tod Jörg Haiders 2013. Durch die Fusion mit den Neos sind Liberale aber „indirekt“ wieder im Nationalrat.

Selbst aufgegeben hat eine weitere Partei: das Team Stronach, das vor vier Jahren in den Nationalrat gewählt wurde. Parteigründer Frank Stronach zog sich bald zurück, und nachdem er eine weitere Kandidatur nicht mehr unterstützte, löste sich der Parlamentsklub diesen Sommer auf.

 

Der Klub von Pilz besteht zur Hälfte aus Ex-Grünen
Pilz, Holzinger, Rossmann Bild: APA/ROLAND SCHLAGER

Der Klub von Pilz besteht zur Hälfte aus Ex-Grünen

Sollten die Grünen den Einzug ins Parlament nicht schaffen, werden doch einige Grün-Mandatare im Nationalrat vertreten sein, zumindest ehemalige Grüne. Denn der Parlamentsklub der Liste Pilz wird fast zur Hälfte von ehemaligen Parteifreunden gestellt. Neben dem Gründer Peter Pilz schafften auch Bruno Rossmann und Wolfgang Zinggl neuerlich den Einzug in den Nationalrat, ironischerweise nachdem sie bei den Grünen bei der Listenerstellung gescheitert waren.

Dazu kommt Pilz’ Anwalt und Spender Alfred Noll erstmals ins Parlament. Schon im Nationalrat vertreten war Daniela Holzinger, aber bis zum Sommer im Klub der SPÖ. Neu sind ebenfalls Stephanie Cox und Alma Zadic.

Komplettiert wird der Klub, so man sich an die Reihung hält und Vorzugsstimmen nichts anderes ergeben, von Konsumentenschützer Peter Kolba. Gescheitert wären demnach die prominente Naturwissenschafterin Renee Schroeder sowie die ehemalige Initiatorin des Frauenvolksbegehrens Maria Stern. Diskutiert wird auch eine Änderung des Parteinamens, allerdings will man erst das endgültige Ergebnis abwarten.

 

 

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1  Kommentar
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peter.s (118 Kommentare)
am 17.10.2017 06:50

Nicht nur die Führungsriege hat sich abgeschottet. Die gesamte Partei hat sich zu einer endemischen Art entwickelt, die ihre Außenwirkung völlig außer Acht gelassen hat. Man hat sich mit moralisch einwandfreien linken Philosophien beschäftigt, sich mit diesen Themen gegenseitig beklatscht, auf Andersdenkende hinabgeschaut und konservative Denkansätze mit nationalsozialistischem Gedankengut gleichgesetzt. Überheblichkeit kommt vor dem Fall.
Bei einem Bundeskongress in Facebook-Manier über die Listenplätze abstimmen zu lassen und den mit den meisten "Likes" die vordersten Plätze zu geben, weil er - was getan hat - das beste Selfie gemacht, die geilsten Sprüche gepostet oder am Vorabend die Runde am besten unterhalten hat?
Die Ideen der Grünen mögen tw gut sein, aber "Organisation" ist offenbar ein Unwort. Alle wollen gleich sein, alle gleichviel mitzureden und mitzuentscheiden haben. Das geht nicht. Organisieren und ordnen - eine unbedingtes Muss, auch für die Grünen.

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