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Doppelspitze übergibt die Grünen an Werner Kogler

Von Lucian Mayringer und Heinz Steinbock   18.Oktober 2017

Mit Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek und Ingrid Felipe trat die Doppelspitze zurück. Als neuer Bundessprecher übernimmt vorerst der langjährige steirische Abgeordnete Werner Kogler.

"Wir übernehmen die Verantwortung dafür, dass die Mission nicht gelungen ist", erklärte Felipe am Abend bei einer gemeinsamen Abschiedspressekonferenz mit Lunacek.

Als Tiroler Grünen-Chefin und Landeshauptmann-Stellvertreterin werde sie sich nun ganz auf die Tirol-Wahl im Frühjahr 2018 vorbereiten. Denn es gehe darum, "nach dem wirklich schwierigen Jahr 2017 die Trendwende zu schaffen".

Für Lunacek ist es ein totaler Rückzug. Sie werde auch nicht auf ihr Mandat als EU-Abgeordnete zurückkehren. Die gescheiterte Spitzenkandidatin sprach von der "schwersten Krise für die Grünen seit dem Einzug in den Nationalrat vor 31 Jahren" nach dem Herausfallen aus diesem. Jetzt brauche es "einen Neustart. Ich bin überzeugt, es wird gelingen, wieder in den Nationalrat einzuziehen." Sie selbst werde jetzt "eine Pause einlegen", wollte die langjährige Europa-Abgeordnete eine Rückkehr in die Politik nicht ganz ausschließen.

Am Vormittag hatte Lunacek noch Unterstützung von einigen Landesorganisationen bekommen. Für Lunacek sei es "kaum zu schaffen" gewesen, in der "Grundstimmung", die gegen die Grünen gewesen sei, erfolgreich zu sein, nahm sie Oberösterreichs Grünen-Landesrat Rudi Anschober in Schutz. Die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou sagte im Ö1-Morgenjournal: "Personelle Konsequenzen müssen zum Schluss kommen und nicht zu Beginn. Ein Köpferollen, ein öffentliches Hinrichten von Bauernopfern und hinterher so zu tun, als sei es damit getan, ist meiner Meinung nach genau der falsche Weg."

Nun soll Kogler, bisher Felipes Stellvertreter, am Freitag mit den Vertretern der Landesorganisationen die Weichenstellung als im Nationalrat nicht vertretene Partei vornehmen. Ob Kogler eine vorerst dauerhafte Lösung sei oder eine komplett neue Spitze gesucht werde, sei ebenfalls Sache des erweiterten Bundesvorstands, sagten Lunacek und Felipe.

Abseits der Versuche einer personellen Neuaufstellung läuft bei den Grünen die Abwicklung der Parteiorganisation an. Bis zum 8. November, dem Ende der Gesetzgebungsperiode, muss man die Klubbüros rund um das Parlament räumen. 90 Mitarbeiter des Nationalratsklubs und knapp 20 in der Bundespartei wurden dem Vernehmen nach bereits darüber informiert, dass ihnen zum Stichtag die Kündigung droht.

Bereits Montagabend berichteten Klub-Mitarbeiter von Räumungsaktivitäten bis hin zum Leeren alkoholischer Restbestände: "Wir betrinken uns mal auf dem Balkon vom noch-grünen Parlamentsklub. Ich war echt sehr gerne Abgeordnete", twitterte etwa die Abgeordnete Sigrid Maurer.

Kopfschmerzen dürften den grünen Landesgruppen noch die von der Bundespartei hinterlassenen Schulden bereiten. Allein aus dem Hofburg-Wahlkampf seien drei Millionen Euro zu tilgen, kündigte Vorarlbergs Grünen-Chef Johannes Rauch Solidarität an ("Man kann ja nicht davonlaufen, wie das Kind vorm Dreck"). Die Gesamtschulden der Bundesgrünen inklusive Kosten aus dem Nationalratswahlkampf bezifferte Felipe mit fünf Millionen Euro.

„Wir hätten sagen müssen: Es geht ums Überleben“

Am Wahlsonntag und am Montag hatte Grünen-Landesrat Rudi Anschober die Öffentlichkeit gemieden. Gestern lud er zur Präsentation einer Wahlanalyse aus seiner Sicht.

Vom Rücktritt Ingrid Felipes und der Erklärung von Ulrike Lunacek nach dem Bundesvorstand (in dem Anschober kein Mitglied ist) war da noch keine Rede. Anschober verteidigte die „Doppelspitze“ noch als „richtige Entscheidung“ und die Performance der Spitzenkandidatin Lunacek. Diese habe bei der Stimmung, die massiv gegen die Grünen gelaufen sei, nicht erfolgreich sein können, so Anschober.

Die Bundespartei wird vorerst Werner Kogler führen. Anschober wies jegliche Bundes-Ambitionen für sich zurück: „Ich strebe mit Sicherheit keine Bundesfunktion an, und ich werde auch keine annehmen.“

Die „absolute Katastrophe“, in die diese Nationalratswahl für die Grünen mündete, sei das Ergebnis einer „Reihe von Fehlern“, gab sich Anschober selbstkritisch. Der fatale Fehler am Ende aus seiner Sicht: Obwohl ein Debakel für die Grünen in den Umfragen absehbar war, habe man es versäumt, „den Wählern mitzuteilen, dass es für die Grünen ums Überleben geht“.

„Der Kern der Kernwähler“

Nicht Peter Pilz, sondern „taktisches Wählen“ habe den Absturz letztlich verursacht, glaubt Anschober aufgrund von Wählerstromanalysen, wonach 161.000 frühere Grün-Wähler SPÖ wählten: „Die Hoffnung, Schwarz-Blau verhindern zu können, war stärker als die Sorge, ob die Grünen wieder ins Parlament kommen.“

Von den 580.000 Wählern von 2013 verloren die Grünen aber an alle Parteien, inklusive Peter Pilz. „Wir haben den Kern unserer Kernwählerschaft erreicht“, muss Anschober erkennen. Für frühere Grüne gab es offenbar „mehrere wählbare Alternativen“.

Der Strudel des Abstiegs habe im ersten Halbjahr begonnen und sich dann mit den internen Streitereien fortgesetzt: Rauswurf der Jungen Grünen, Eva Glawischnigs Rücktritt, die Listenreihung, die Pilz’ Abspaltung zur Folge hatte: „Eine Partei, die streitet, wählt man nicht gerne.“

„Neu aufstellen“

Anschober plädiert für eine „Strukturreform“ der Grünen, die auch die personelle Auswahl und die Listenerstellung umfassen müsse: „Ich bin überzeugt: Das Modell der Kandidatenfindung ist nicht der Weisheit letzter Schluss“, sagt Anschober zum „Basisdemokratie“-Modell, das letztlich Peter Pilz den sicheren Listenplatz kostete. Ein Alternativmodell kann Anscho-ber allerdings noch nicht anbieten.

Die Grünen-Bundespolitik werde nun maßgeblich von den Landesgruppen aus gestaltet werden müssen, auch „finanzielle Solidarität“ müsse selbstverständlich sein. Er selbst werde sich „mit Rat und Erfahrung“ in Reformen einbringen.

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