Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

"Jeder trägt so einen Rucksack"

Von Christoph Zöpfl aus St. Moritz, 16. Februar 2017, 00:04 Uhr
Bild 1 von 81
Bildergalerie Zöpfls Fotoblog: Die OÖN bei der Ski-WM
Bild: Zöpfl

OÖN-Interview: Bernhard Russi über das Glück, das man sich selber abholen muss, über die Schattenseite seines Sunnyboy-Images und warum Marcel Hirscher derzeit der beste Skifahrer der Welt ist.

Er ist einer der wenigen wirklichen VIPs bei der Ski-WM, für den sich alle Türen auch ohne Akkreditierung öffnen: Die Ski-Legende Bernhard Russi (68) ist als TV-Experte, Zeitungskolumnist und Botschafter des Schweizer Skisports von früh bis spät allgegenwärtig. Im Interview mit den OÖNachrichten spricht er über Höhenflüge und Tiefschläge, die sein Leben prägen.

 

OÖN: Sie erleben die Ski-WM hier in St. Moritz in verschiedenen Funktionen aus nächster Nähe. Würden Sie gerne die Zeit zurückdrehen und selber starten?

Bernhard Russi: Dieses Gefühl hatte ich eigentlich nie, auch nicht nach meinem Rücktritt. Ich hatte das Glück, bis 30 das zu machen, was ich wollte. Es gibt aber schon kleine Momente ... Wenn ich zum Beispiel hier bei der Besichtigung zum Rominger-Sprung rutsche, da kommt schon der Wunsch auf, da noch einmal mit 100 Sachen rüberzufahren und es einfach fliegen zu lassen.

Also lebt da schon noch ein Rennfahrer in Ihnen?

Ja, ich hab‘ alle drei, vier Wochen ganz komische Träume. Ich fliege da über die Hausbergkante in Kitzbühel und der Sprung geht so weit, dass ich keinen Platz mehr zum Landen habe. Da fliege ich einfach oben vorbei und unten ist das Ziel mit den ganzen Zuschauern.

Ist das ein Albtraum?

Nein, das ist ein schönes Gefühl. Ich drehe mich dann in der Luft zweimal um die eigene Achse, fliege zurück zur Kante und denke mir, jetzt suche ich mir einen schönen Platz aus, wo ich landen kann. Nur bin ich noch nie gelandet.

Das heißt, Ihr Rennen geht nie zu Ende.

Genau, an das habe ich noch nie gedacht, aber es ist so.

Niki Lauda hat einmal den Spruch geprägt, dass ihm das "Im-Kreis-Fahren" in der Formel 1 zu langweilig geworden sei. Sie sind schon so lange mit dem Skisport verbunden. Das "Vom-Berg-Hinunterfahren" ist für Sie nie fad geworden?

Ich hatte das Glück, dass ich die Faszination Skisport auf anderen Ebenen weiter erfahren konnte. In der Kommunikation, sprich TV-Kommentator und Kolumnist, dann auf der anderen Ebene, wenn es um die Pistenplanung geht. Ich bin faszinierter denn je.

Sankt Moritz hat als WM-Ort 1974 oder 2003 für den Schweizer Skisport noch nie besonders gut funktioniert. Jetzt liegt die Schweiz im Medaillenspiegel ganz vorne. Wie ist so etwas möglich?

Das Wichtigste ist, dass man als Mitfavorit nach St. Moritz gekommen ist. Wir sind langsam in die Saison gestartet und haben dann zugelegt. Wir haben auch die richtigen Typen. Am Schluss machen es die Individualisten aus. Klar muss das Umfeld stimmen, aber die großen Champions entwickeln sich von selbst. Dann braucht es auch den Killerinstinkt. Du musst die Intuition spielen lassen. Beat Feuz hat das vorgezeigt. Er ist in der Abfahrt nach dem Felsen eine Linie gefahren, die er vorher gar nicht kannte.

Glück muss man auch haben, oder?

Ich sage immer, das Glück kann man nur abholen, wenn man auf dem richtigen Level ist. Luca Aerni hatte natürlich Glück gehabt, dass er in der Kombination überhaupt dabei war. Aber wenn er seinen Slalom nicht so konsequent heruntergezogen hätte, wäre er ohne Chance gewesen.

Eine Hundertstel hinter Aerni wurde Marcel Hirscher Zweiter. Ist Hirscher derzeit trotzdem der beste Skifahrer der Welt?

Natürlich. Er ist multitalentiert, wobei er das nicht jeden Tag zeigen kann, was natürlich klar ist. Aber man darf nicht vergessen, was der alles leistet.

Was würden Sie Hirscher empfehlen, wenn Sie sein Trainer wären? Irgendwann werden ihm ja die Ziele ausgehen, weil er schon so viel gewonnen hat.

Was ist, wenn Hirscher den Slalom fallen lässt und sagt, jetzt gehe ich auf die Abfahrt? Ich glaube, er bringt die Voraussetzungen mit, das traue ich ihm zu.

Beim Österreichischen Skiverband wird gerade eine Strukturreform angedacht. Man ist der Meinung, man kann nur mehr um den Gesamtweltcup mitfahren, wenn man kleine Privatteams formiert. Halten Sie das für eine gute Strategie?

Ich bin mir nicht so sicher. Das kann man nicht verallgemeinern. Es gibt Leute, die sind im Einzelteam sehr stark, die haben eine eigene Persönlichkeit. Und dann gibt es Leute, die brauchen die Gruppe. Die wollen nicht einmal in einem Einzelzimmer schlafen, die wollen mit jemandem Karten spielen können.

Würde Sie Peter Schröcksnadel fragen, ob Sie Konsulent des Österreichischen Skiverbandes werden wollen, wäre das eine reizvolle Aufgabe?

Das wäre eine reizvolle Aufgabe, weil mich Peter Schröcksnadel immer reizt (lacht). Ich möchte nicht sein Berater sein, weil er vieles besser weiß. Spaß beiseite: Ich schätze ihn sehr, er muss auch nichts mehr beweisen, er hat mit Österreich viel geleistet. Aber ich weiß nicht, ich als Bernhard Russi Berater von Peter Schröcksnadel? Eine gemeinsame Bergtour würde ich schon mit ihm machen.

Ist der ÖSV-Präsident beratungsresistent?

Das ist ein gutes Wort.

Sie hatten lange ein Sunnyboy-Image, vielleicht nicht so ausgeprägt wie bei Hansi Hinterseer, aber doch. Eine neue TV-Doku zeigt jetzt eine andere, dunkle Seite des Bernhard Russi. Wollten Sie damit Ihr Image korrigieren?

Nein, das war eher ein Unfall. Das Schweizer Fernsehen wollte von mir eine Dokumentation machen. Das wollte ich nicht, weil meine Karriere die Leute eh schon bis zum Schwindligwerden kennen. Ich habe dann mit einem Regisseur eine Sommer-Serie gedreht, da gab es viele Freiminuten, wir haben viel über das Leben gesprochen. Eines Tages hat er mich gefragt, ob meine Schwester verheiratet ist und Kinder hat. Ich habe gesagt, dass meine Schwester cerebral gelähmt ist, seit sie drei Jahre alt ist.

Das wusste vorher niemand.

Es hat mich vorher auch keiner danach gefragt. Jedenfalls redeten wir dann weiter, da hat er viel von mir erfahren. Jeder Mensch trägt so einen Rucksack, was ja nicht so schlimm ist. Bei mir hat sich das alles auf viele Jahre verteilt. Das mit meiner Schwester, dann ist mein Vater gestorben, meine Frau unter einer Lawine ums Leben gekommen, ein Bruder ist plötzlich an einer Infektion gestorben, der andere Bruder ist schwerer Alkoholiker. Der Regisseur sagte mir, ich sollte diese Geschichte erzählen. Und irgendwann einmal hat er mich erwischt. Die Doku ist dann gekommen, die ganze Schweiz hat zugeschaut. Und wissen Sie, was das Geheimnis dieser Sache ist? Die Leute schauen den Film an und vergessen am Schluss, um wen es geht. Sie sehen in diesem Film nur sich selbst.

Sind Sie froh, dass dieser "Unfall" passiert ist?

Ja, ich glaube, wir haben den Leuten etwas Gutes getan. Es war eine Gratwanderung, aber wir haben das gut zusammengebracht.

 

Zur Person

Bernhard Russi (68) wuchs in Andermatt auf und bezeichnet sich immer noch als „Bergler“. 1970 wurde er in Gröden überraschend Abfahrts-Weltmeister, zwei Jahre später holte er in Sapporo Olympia-Gold. Mit 30 trat er als Rennläufer zurück, wurde Co-Kommentator im Schweizer Fernsehen, Kolumnist und Designer zahlreicher Abfahrtspisten.

2018 wird im südkoreanischen Pyeongchang auf einer Russi-Abfahrt olympisch „gespielt“, auch um die Olympia-Piste von Peking 2022 kümmert sich der gelernte Hochbauzeichner.

Russi ist in zweiter Ehe mit der Schwedin Mari Berström verheiratet. Er hat einen Sohn, eine Tochter und zwei Enkelkinder.

Am Sonntag kommentiert er in St. Moritz sein letztes Skirennen. Auch, um sich Freiraum für neue Herausforderungen zu schaffen.

Vor seinem 70. Geburtstag will er einmal im Schwierigkeitsgrad 7a klettern (derzeit hält er bei 6c), außerdem begann Bernhard Russi vor drei Jahren mit dem Klavierspielen. Er möchte unbedingt einmal die Mondscheinsonate von Beethoven fehlerlos ins Ziel bringen.

mehr aus Ski-WM

WM-Goldgräber Hirscher: "Das war heute ein befreites Skifahren"

Mikaela Shiffrin nach Gold-Hattrick: "Es hat gerade erst begonnen"

Sechs Medaillen: ÖSV-Herren tipptopp

Hirschers WM-Revue: "Absoluter Traum"

Interessieren Sie sich für dieses Thema?

Mit einem Klick auf das “Merken”-Symbol fügen Sie ein Thema zu Ihrer Merkliste hinzu. Klicken Sie auf den Begriff, um alle Artikel zu einem Thema zu sehen.

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

2  Kommentare
2  Kommentare
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
( Kommentare)
am 16.02.2017 09:51

die hirscher-verbrämung ruiniert sogar ein russi-interview.

lädt ...
melden
antworten
neptun (4.125 Kommentare)
am 16.02.2017 11:57

Wenigstens sind die Aussagen zu Schröcksnadel sehr treffend.

lädt ...
melden
antworten
Aktuelle Meldungen