LD-Verfahren erobert die Welt

Von Roman Sandgruber   26.März 2008

Das LD-Verfahren sicherte der österreichischen Stahlindustrie auf Jahre hinaus einen Konkurrenzvorteil, da damit die Kosten für Stahlherstellung und Investition gegenüber bisherigen Verfahren um 30 bis 50 Prozent gesenkt werden konnten.

Der Anteil des LD-Stahls (Methode siehe Grafik) an der Stahlproduktion stieg innerhalb weniger Jahre rasant. Weltweit lag der LD-Anteil 1960 bei vier Prozent, 1980 bei 55 Prozent, heute liegt er bei zwei Drittel.

Die seit 1938 aufgebauten Hermann-Göring-Werke, die 1945 in die Voest umgewandelt worden waren, verfügten über sechs Hochöfen mit einer Roheisenkapazität von einer Million Tonnen. Für die anschließende Stahlproduktion verfügte das Werk 1948 nur über zwei Siemens-Martin-Öfen und vier Lichtbogenöfen mit einer Kapazität von 200.000 Tonnen.

Als 1948 der Entschluss zum Bau einer Breitbandstraße mit einer Kapazität von 700.000 Tonnen für die Stahl-Weiterverarbeitung fiel, musste die Kapazität des Stahlwerks zwangsläufig erhöht werden. Man war auf der Suche nach der besten, einer neuen Methode.

Die Idee, zum Frischen des Roheisens nicht Luft, sondern reinen Sauerstoff zu verwenden, hatte bereits der Engländer Henry Bessemer um 1850. Allerdings konnte man bis 1928 reinen Sauerstoff großtechnisch gar nicht herstellen.

Das lange Zeit ungelöste Problem war die beim Frischen entstehende Hitze. Diese brachte jede Düse, mit der der Sauerstoff in das flüssige Roheisen eingebracht wurde, zum Schmelzen.

Die vielen Väter

Das LD-Verfahren hat mehrere Väter. Carl Valerian Schwarz ließ sich 1939 die Idee, einen Sauerstoffstrahl senkrecht von oben mit hohem Druck auf das flüssige Eisen treten zu lassen, patentrechtlich schützen. Auch John Miles and Partners meldeten eine Variante desselben Gedankens in verschiedenen angelsächsischen Ländern zum Patent an.

Ende der Dreißiger Jahre begann auch der Schweizer Metallurge Robert Durrer (1890-1978) mit Versuchen mit seitlich oben aufgeblasenem Sauerstoff. Auch Herbert Trenkler, der nach dem Krieg als Hüttendirektor in die Voest kam, beschäftigte sich mit Versuchen zum Sauerstoffaufblasen.

Keinem war es gelungen, das Verfahren zu einer großtechnischen Anwendung zu bringen. Im September 1947 begannen die Kontakte zwischen Durrer und seinem Assistenten Heinrich Hellbrügge und der damaligen Voest AG bezüglich einer Kooperation.

Die Blasversuche der Voest liefen am 3. Juni 1949 an und hatten schon am 25. Juni durchschlagenden Erfolg. Koordiniert wurde das gesamte Versuchsprogramm vom technischen Direktor der Voest, Theodor E. Suess. Verantwortlich war der damalige Hüttendirektor Herbert Trenkler, die Qualitätsprüfung übernahm Hubert Hauttmann. Rudolf F. Rinesch führte die Versuche durch.

Erfolg durch Zufall

Einer der Frischversuche schien besonders gut zu verlaufen. Hauttmann bemerkte, dass bei diesem Versuch die Lanze, mit der die Düse möglichst nahe an das Roheisenbad herangebracht wurde, in etwa 40 Zentimetern Abstand von der Düse ein Loch bekommen hatte. Der Sauerstoff war also mit größerem Abstand oberflächlich auf das Eisenbad getroffen. Dennoch war das Ergebnis hervorragend.

Man machte einen neuen Versuch mit größerem Düsenabstand und geringerem Druck. Die Resultate waren hervorragend.

Hauttmann fertigte daraufhin einen Rohentwurf einer Patentanmeldung an. Am 15. Dezember 1950 wurde das Österreichische Patent Nr. 168589 erteilt. Nach schweren Meinungsunterschieden unter den Beteiligten meldete die Voest alle beteiligten Mitarbeiter als „Miterfinder“ nach.

Um den eigentlichen Erfinder des LD-Verfahrens gab es weiterhin erhebliche Differenzen. Bis heute ist zumindest auf wissenschaftlicher Ebene der Streit nicht bereinigt.

Was bedeutet LD?

Es ist strittig, was ursprünglich unter der Abkürzung LD verstanden wurde. Aus einem Protokoll vom 9. Dezember 1949 stammt der Vorschlag, dem Sauerstoffaufblas-Verfahren den Namen LD als Abkürzung für „Linz-Durrer“ zu geben. Die VOEST selbst präferierte eher die Interpretation „Linzer Düsenverfahren“.

Hauttmann meinte, dass die Buchstaben zunächst überhaupt keine Bedeutung oder nur „Linz-Donau“ geheißen hätten. In den späteren 50er Jahren setzte sich die Auffassung durch, dass LD gewählt worden sei, weil das Verfahren in Linz und Donawitz zur Industriereife entwickelt worden war.

Am 9. Dezember 1949 wurde in der Voest der Beschluss gefasst, die Ausweitung der Rohstahlkapazität nach dem neuen LD-Verfahren durchzuführen. Das mit zwei 30-Tonnen-Konvertern ausgestattete Stahlwerk nahm am 27. November 1952 als erstes kommerziell arbeitendes LD-Stahlwerk der Welt die Produktion auf. Die offizielle Eröffnung durch Bundespräsident Theodor Körner erfolgte am 5. Jänner 1953.

Einstieg der Steirer

1949 hatte sich auch die Österreichisch-Alpine Montangesellschaft mit dem Sauerstoffaufblas-Verfahren zu beschäftigen begonnen. Die erste Schmelze im Donawitzer Konverter- bzw. LD-Stahlwerk wurde am 22. Mai 1953 erblasen.

Das Sauerstoffaufblas-Verfahren hat damit seinen Siegeszug um die Welt angetreten. Bis 1960 waren bereits 18 Stahlwerke nach dem Linz-Donawitz-Verfahren eröffnet.

Bei der internationalen Anerkennung der LD-Patente kam es rasch zu Auseinandersetzungen. Um keinen Streit mit der amerikanischen Besatzungmacht zu riskieren, wurde mit der US-Firma H. A. Brassert Inc. eine gemeinsame Gesellschaft gegründet, über die die Lizenzen vertrieben wurden. Brassert verkaufte 1956 seine Anteile an die Voest und Alpine.

In den USA wurde die Gültigkeit der Voest-Patente aus formalen Gründen nicht anerkannt. Die Amerikaner ersparten sich Milliarden an Lizenzgebühren.

Auch der Aufstieg des Industrieanlagenbaus war dem LD-Verfahren zu verdanken. Bei der Errichtung des LD-Stahlwerks in Rourkela/Indien konnte der aus der „Neubauabteilung“ hervorgegangene Industrieanlagenbau der Voest erstmals seine Leistungsfähigkeit international unter Beweis stellen.