Endlich wieder freie Wahlen

Von Von Roman Sandgruber   02.Mai 2009

Auch in Oberösterreich hatten die Versuche, das demokratische Leben wiederherzustellen, schon vor dem offiziellen Ende der nationalsozialistischen Herrschaft und dem sich auftuenden politischen Vakuum begonnen. Die Initiative ergriffen zuerst die Sozialdemokraten. Noch am Tag des amerikanischen Einmarsches in Linz, am Abend des 5. Mai, begab sich eine aus Sozialdemokraten zusammengesetzte Delegation unter Führung von Dr. Ernst Koref und Dr. Alois Oberhummer zum Linzer Weihbischof Josephus Calasanctius Fließer und ersuchte um Benennung christlichsozialer Exponenten für eine zu bildende Landesregierung.

Die von Oberhummer initiierte Landesregierung aus vier Sozialdemokraten mit ihm als Landeshauptmann, vier Christlichsozialen mit Dr. Josef Zehetner als Landeshauptmann-Stellvertreter und einem Kommunisten (Josef Mitter) war nur einige wenige Tage im Amt, da weder der Bischof noch Zehetner als sein Vertreter ein Hehl daraus machten, dass diese provisorische Regierung nicht die politischen Kräfteverhältnisse im Land widerspiegeln würde. Oberhummers Vorgehen wurde auch innerhalb der Sozialdemokratie wegen der Kontaktnahme und Vereinbarung mit dem Bischof kritisiert, weil die Kirche nach Parteimeinung und den Erfahrungen der Zwischenkriegszeit aus der Politik herausgehalten werden sollte.

Landeshauptmann abgesetzt

Oberhummer war als Sozialist mit deutschnationalem Hintergrund, den er auch nach 1945 nicht ablegte, sicher nicht die geeignetste Person für einen Landeshauptmann des Wiederaufbaus. Und auf christlichsozialer Seite fehlte mit Heinrich Gleißner die schon damals einflussreichste Persönlichkeit. Bereits am 15. Mai wurde daher diese Landesregierung von den Amerikanern abgesetzt und der Beamte Dr. Adolf Eigl, dessen Karriere in der NS-Zeit recht ungebrochen vorangeschritten war, mit der Bildung einer Beamtenregierung beauftragt. Eigl wurde am 16. Mai zum „unpolitischen“ Landeshauptmann ernannt und präsentierte am 17. Mai eine Regierung mit 14 Mitgliedern. Gleichzeitig wurden alle politischen Parteien verboten.

Bei etwas soliderer Kenntnis der Verhältnisse hätten sich die Amerikaner wohl die Blamage erspart, nach einigen Monaten ein Drittel ihres Beamtenkabinetts, darunter den Landeshauptmann und dessen Stellvertreter, wegen ihrer tatsächlichen oder angeblichen nationalsozialistischen Vergangenheit zu verlieren und den Landeshauptmann sowie mehrere Landesräte in Glasenbach zu internieren.

Zwischen dem 17. Mai und dem 19. September 1945 waren politische Parteien in der amerikanischen Zone Oberösterreichs offiziell verboten. Das unterschied diesen Teil Oberösterreichs nicht nur von der Bundesregierung und der sowjetisch besetzten Zone, auch dem Mühlviertel, sondern auch von den westlichen Bundesländern und insbesondere von dem ebenfalls amerikanisch besetzten Salzburg.

Am 23. Oktober 1945 einigten sich die erst seit 19. September in Oberösterreich zugelassenen drei Parteien ÖVP, SPÖ und KPÖ auf eine neue, allerdings noch keineswegs auf Wahlen basierende Landesregierung, die aus fünf ÖVP-, drei SPÖ-Vertretern und einem Kommunisten bestand. Die amerikanische Besatzungsmacht ernannte nach längerem Tauziehen am 26. Oktober Heinrich Gleißner zum Landeshauptmann und bestätigte die von Gleißner gebildete politische Landesregierung, die am 29. Oktober 1945 installiert wurde.

Die Nationalrats-, Landtags- und Gemeinderatswahlen wurden für ganz Österreich für den 25. November 1945 anberaumt. Die weitaus größten Geldmittel und Papiermengen für Plakate standen der KPÖ zur Verfügung. Dennoch endeten die Wahlen anders.

Für die ÖVP war das Wahlergebnis ein großer Erfolg, für die SPÖ eine herbe und so nicht erwartete Enttäuschung, für die KPÖ und die hinter ihr stehende Sowjetunion eine veritable Katastrophe: Die kommunistische Partei blieb auf Bundesebene mit fünf Prozent der Stimmen und nur vier Mandaten praktisch bedeutungslos. In Oberösterreich war die KPÖ mit 2,6 Prozent der Stimmen sang- und klanglos untergegangen. Im sowjetisch besetzten Mühlviertel hatte sie mit 0,9 Prozent der Stimmen noch viel katastrophaler abgeschnitten. Entschieden wurde die Wahl praktisch von den Frauen (siehe Grafik).

Die neue, aufgrund des Wahlergebnisses gebildete Landesregierung bestand aus sechs ÖVP- und drei SPÖ-Vertretern unter Führung von Landeshauptmann Dr. Heinrich Gleißner. Entscheidend für die weitere politische Entwicklung war, wie das in Oberösterreich in der Zwischenkriegszeit immer fast ein Viertel des Wählerpotenzials umfassende nationale Lager sich nach 1945 verhalten würde. Aufgrund der Amnestie für minder belastete Nationalsozialisten und der Rückkehr fast aller Kriegsgefangenen ergab sich für die nächsten Wahlen im Jahr 1949 eine völlig veränderte Situation. In Oberösterreich erhielten rund 77.000 „minderbelastete“ Nationalsozialisten das Wahlrecht zurück. Insgesamt gab es um 110.000 mehr Wahlberechtigte als 1945.

Der Kampf um diese Wähler entbrannte in voller Härte. Es kam zu den Kontakten führender ÖVP-Vertreter, darunter Julius Raab, Alfred Maleta und der oberösterreichische Landesparteiobmann Dr. Schöpf mit ehemaligen Nationalsozialisten, mit Dr. Manfred Jasser, dem Verleger Friedrich Heiß, dem Staatsrechtler Hermann Raschhofer, dem Historiker Taras Borodajkewycz und dem späteren Chefredakteur der „Oberösterreichischen Nachrichten“ Walter Pollak, am 28. Mai 1949 auf dem Landsitz Alfred Maletas in Oberweis.

Aber auch die SPÖ suchte den Kontakt mit den Nationalen. In Oberösterreich waren die Beziehungen zwischen der SPÖ und dem nationalen Lager besonders gut. Die engen Beziehungen Ernst Korefs zu Franz Langoth, dem letzten nationalsozialistischen Oberbürgermeister von Linz waren bekannt. Es gab aber auch recht undurchsichtige Verbindungen zwischen dem Parteisekretär der oberösterreichischen Sozialisten Karl Krammer und dem so genannten Gmundner Kreis schwerbelasteter Nationalsozialisten, etwa zu Stefan Schachermayr, dem ehemaligen Gauinspektor der NSDAP in „Oberdonau“, und zu Erich Kernmayer, dem Pressechef von Gauleiter Bürckel. Jetzt hatten beide gute Beziehungen zum amerikanischen Geheimdienst CIC und zur SPÖ.

Parteien auf Wählerfang

Der damalige sozialistische Innenminister Oskar Helmer wird von Gustav A. Neumann, dem damals erst 25-jährigen Landesobmann des oberösterreichischen VdU und Herausgeber des „Echo der Heimat“, bei einem Treffen in Gmunden, in der „Villa Maria Luise“, mit der Bemerkung zitiert: „Schaun’s, Herr Neumann, wenn ich diese Nazi net betreu, betreut sie der Maleta in Oberweis.“ Die Versuche beider Parteien, das nationale Lager zu vereinnahmen, scheiterten.

In Oberösterreich gelang dem neu gegründeten VdU (Verband der Unabhängigen) nicht nur ein tiefer Einbruch in die Wählerschichten der ÖVP, sondern ebenso in die der SPÖ. Die absolute Mehrheit der ÖVP im Landtag und in der Landesregierung war verloren gegangen. Gleißner blieb Landeshauptmann, musste aber 1950 bei den Bundespräsidentenwahlen eine herbe Niederlage gegen Theodor Körner einstecken. So blieb er dem Land bis zum Jahr 1971 als Landeshauptmann erhalten.