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Ingrid Brodnig: "Die Mitte geht verloren"

Von Christoph Kotanko   16.Juni 2017

Die Journalistin Ingrid Brodnig (32) hat digitale Themen als Schwerpunkt. In ihrem ersten Buch "Der unsichtbare Mensch" beschrieb sie, wie die Anonymität im Internet die Gesellschaft verändert. In "Hass im Netz" ging es um Hetze und Mobbing.

Ab 20. Juni ist ihr drittes Buch im Handel: "Lügen im Netz".

 

OÖNachrichten: Frau Brodnig, in Ihrem neuen Buch sprechen Sie vom "Informationskrieg". Worin besteht dieser Krieg?

Brodnig: Die Bezeichnung stammt aus den USA, wo sowohl im rechten als auch im linken Lager unseriöse Webseiten mit Desinformation gegeneinander ankämpfen. Auch in Europa herrscht in Wahlzeiten ein Kampfzustand: Die Falschmeldungen nehmen zu, ihre Reichweite wird immens. Die erfolgreichste Meldung in sozialen Medien, z. B. zum Verfassungsreferendum in Italien, war komplett erfunden.

Falschmeldungen gab es zu allen Zeiten. Warum ist die aktuelle Entwicklung gefährlicher?

Die Intensität und die Reichweite sind das Problem. Ein Teil der Bevölkerung driftet schlimmstenfalls in die Vorstellung ab, dass die Demokratie kaputt ist und Wählen nichts bringt. Dazu gibt es im Netz wechselseitige Bestätigungen in sogenannten Echokammern, wo jeder Widerspruch fehlt. Wenn sich Menschen nur mit Gleichgesinnten umgeben, radikalisieren sie sich, die Mitte geht verloren.

Ist die Verhinderung von Fake News, Hasspostings etc. eine öffentliche Aufgabe? Oder sind die privaten Betreiber von Plattformen in die Pflicht zu nehmen?

Es muss beides sein. Wenn im Kaffeehaus ein Mann eine Frau sexistisch anpöbelt, kann man auch erwarten, dass der Kaffeehausbetreiber zu dem Mann sagt: Verlassen Sie dieses Lokal! Wenn es strafbare Übergriffe gibt, muss die Behörde das verfolgen. Genauso ist es im Netz. Die Betreiber von Webseiten sind jetzt schon verpflichtet, strafbare Inhalte zu entfernen, sobald sie gemeldet werden. Das passiert zu wenig. Selbst ganz schlimme Sachen – Gewaltvideos, Holocaust-Leugnungen etc. – bleiben teils sehr lange stehen.

Jetzt gibt es Versuche, neues Recht zu schaffen, etwa in Deutschland ein "Netzwerkdurchsuchungsgesetz". Ist das sinnvoll?

Das geplante deutsche Gesetz ist hardcore. Große Plattformen sollen bis zu 50 Millionen Euro zahlen, wenn sie strafbare Inhalte nicht entfernen. Die Idee ist, dass globale Unternehmen wie Facebook, die Milliardengewinne machen, eine Strafdrohung erst ernst nehmen, wenn es teuer wird. Die Gefahr bei überbordenden Regelungen ist, dass andere Grundrechte leiden. Hier z. B. besteht das Risiko, dass man ins andere Extrem kippt und zu viel gelöscht wird. Ein Ausweg wäre ein Anhörungsrecht für Betroffene, bevor Facebook etwas entfernt.

Was können die klassischen Medien gegen Fake News tun?

Faktenchecks bringen viel. In Frankreich hatte es große Auswirkungen, wenn Falschbehauptungen Marine Le Pens von offizieller Seite oder von traditionellen Medien richtiggestellt wurden. Zudem muss den Menschen die Kompetenz zum kritischen Urteil stärker vermittelt werden.

Jugendliche konsumieren digitale Medien intensiv, worauf sollten sie achten?

Viele Fälscher sind extrem faul, sie klauen alte Bilder aus dem Internet und stellen sie in einen neuen Zusammenhang. Da kommt man durch eine Google-Bildersuche leicht drauf. Solche Tricks sollten im Unterricht vermittelt werden. Bei Fotos muss man generell skeptisch sein. Viele Fälschungen funktionieren über emotionalisierende Bilder. Über solche Hintergründe sollte auch jeder Lehrer, der Deutsch, Geschichte oder Englisch unterrichtet, informiert sein.

 

Buch Ingrid Brodnig, "Lügen im Netz. Wie Fake News, Populisten und unkontrollierte Technik uns manipulieren". Brandstätter-Verlag, 205 Seiten. Im Buchhandel ab 20. Juni

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