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Es interessiert mich einen Sch*, was sich gehört

Von Gudrun Doringer   22.Juni 2017

Jan Hinrik-Schmidt ist ein höflicher Mensch. Das ist der große Unterschied zwischen ihm und den Menschen, die er studiert, die sich aber so ungern studieren lassen. Der Medienforscher vom Hans-Bredow-Institut in Hamburg beschäftigt sich mit Trollen, die sich im Internet tummeln und mit Vorliebe pöbeln, beleidigen und provozieren. Wer steckt hinter der großen Klappe?
 

1. Warum heißen die Pöbler im Internet Trolle? Es gibt verschiedene Erklärungen dafür. Eine, die ich für ganz schlüssig halte, lautet: Das nordische Wort Troll bezeichnet einen Riesen oder Dämon. Trolle sind furchtbar streitsüchtig, verhalten sich gesellschaftsfeindlich und machen Reisenden das Leben schwer. Das alles stimmt auch für die Trolle im Netz.
 

2. Woran erkennt man einen Troll? Sie wollen stören. Das ist ihr Hauptmerkmal. Trolle kommunizieren nicht verständigungsorientiert, sondern haben das Verhindern von Kommunikation zum Ziel. Das kann verschiedene Motivationen haben: Manche haben eine spielerische Lust daran, andere zu provozieren. Andere verfolgen eine bestimmte politische Agenda. Die sagen: "Ich geh jetzt ins Forum der Gegenseite, versuch’ die Leute dort aufzustacheln und dafür zu sorgen, dass die sich nicht mehr richtig austauschen können. Manche verdienen Geld damit. Wer aus freien Stücken trollt und wer dafür bezahlt wird, ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen."
 

3. Was unterscheidet berechtigte Kritik vom Trollen? "Gute Frage. Schließlich muss man nicht alles toll finden, was im Internet so geschrieben steht. Das Entscheidende ist, ob Verständigungsorientierung hinter der Kommunikation steht. Wenn eine Person daran interessiert ist, andere Leute von ihrer Meinung zu überzeugen, auch wenn sie dies auf polemische Art und Weise versucht – wenn es im Kern aber um Austausch geht, dann ist es kein Troll.
 

4. Welches Ziel verfolgen Trolle? Sie wollen, dass das Gewässer kippt, in dem sie schwimmen. Wenn man sich Kommunikationsforen anschaut, reicht es oft schon, wenn einige wenige Trolle mit Wortmeldungen stören. Das bewirkt, dass sich andere gar nicht mehr zu Wort melden, weil sie das Gefühl haben: "Was ist denn hier los? Wenn ich mich hier einbringe, verschwende ich nur Zeit." Und auf einmal, zack, ist die Debatte abgewürgt, obwohl vielleicht andere Interesse daran gehabt hätten. Aber das wollen die Trolle, dass sich die Vernünftigen nicht mehr zu Wort melden. Öffentlicher Austausch sollte verständigungsorientiert, demokratisch und auf konstruktive Teilhabe ausgerichtet sein. Menschen sollten sich idealerweise zu Themen, die sie interessieren, austauschen und dann versuchen, sich zu verständigen. Trolle destabilisieren diese Räume des Austauschs. Darum geht’s. Im Fall von strategisch gesteuerter Aktivität kann ein Interesse darin liegen, dass das Vertrauen in das Internet als Ort der Debatte ausgehöhlt wird. Ein weiteres Motiv kann sein, dem politischen Gegner eins auswischen zu wollen.
 

Es interessiert mich einen Sch*, was sich gehört
Jan Hinrik-Schmidt

 

5. Was sind das für Menschen, die sich da auslassen? Oft sind es solche, die ein Sendungsbewusstsein oder eine tiefsitzende politische Überzeugung haben – und ganz viel Zeit. Man stellt sich dann oft Pensionisten oder Arbeitssuchende vor, die zu bestimmten Themen oder Parteien in gewisser Weise wahllos ihre Haltung und Ansichten senden. Ohne darauf zu achten, ob ihre Einträge überhaupt zu dem Artikel passen oder zu den Kommentaren, die vorher schon da waren. Die meisten dieser Menschen würden sich selbst nicht als Trolle verstehen. Sie würden sagen: "Ich äußere mich, ich bin ein aktiver Bürger." Nur aus der Sicht der anderen ist das, was er tut, trollen."
 

6. Wie könnte Schädlingsbekämpfung aussehen? "Für Trolle ist es meist besonders anregend, wenn ihnen Leute widersprechen. Deswegen kam man zu dem Schluss: "Don’t feed the troll." Denn das ist es, was sie wollen. Wenn wir es mit Trollen zu tun haben, die provozieren wollen, fühlen sie sich dann angestachelt und haben im Zweifel auch den längeren Atem. Sie leben von der Aufmerksamkeit. Sie ihnen zu nehmen, ist oft die größte Strafe.

Das Problematische an dem Hinweis ist aber, dass es in Foren ja auch wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass es so etwas gibt wie eine Nettikette – bestimmte Hausregeln, was den Tonfall angeht. Als Administrator eines Forums ist es wichtig, sich einzuschalten, wenn Diskussionen aus dem Ruder laufen. Es ist die Aufgabe des Administrators, Kommentare zu löschen und an seiner statt hinzuzuschreiben: "Dieser Eintrag wurde gelöscht, weil unnötig provoziert wurde." Das ist die andere Variante des Umgangs mit Trollen, die zugleich die positiven Werte einer Diskussion bekräftigt und zumindest ein Mindestmaß an Höflichkeit in der Kommunikation einfordert. Auf diese Art geht man inhaltlich nicht auf den Kommentar ein, sagt aber: "So wollen wir hier nicht diskutieren. Andere User können sich orientieren, wie wir hier diskutieren wollen."
 

7. Sind Trolle im echten Leben auch so destruktiv? Lassen Sie es mich so sagen: Im echten Leben haben wir gelernt, dass es bestimmte Regeln des menschlichen Miteinanders gibt. Im Internet finden wir eine andere Situation vor, weil wir nicht von Angesicht zu Angesicht kommunizieren. Viele fühlen sich geschützt und glauben, dass das eben mal so Dahingeschriebene keine Konsequenzen hat.

8. Ist so ein Troll nicht unglaublich feig? Das ist eine zweischneidige Sache. Weil die Anonymität im Netz auch dafür sorgt, dass manche Menschen sich trauen, bestimmte Sachen zu sagen. Nicht abfällige Dinge diesmal, sondern solche, die sie beschäftigen und die sie sich im realen Leben nicht auszusprechen trauen, weil es um bestimmte Stigmata geht. Um sexuelle Orientierung zum Beispiel, oder um Krankheit. Diese Pseudonymität oder Anonymität im Netz ist nicht immer negativ. Im Kontext des Trollens ist es tatsächlich problematisch, dass Menschen das Gefühl haben, sie würden aus einem gewissen Schutz heraus kommunizieren. Wobei sie in der Regel immer übersehen, dass sie, wenn’s wirklich hart auf hart kommt, in vielen Fällen identifizierbar sind. Entweder weil sie wirklich so doof sind und auf Facebook unter ihrem echten Namen aktiv sind und da pöbeln, oder weil sie über IP-Adressen rückverfolgbar sind.
 

Der Troll im Netz

Als Troll bezeichnet man im Netzjargon eine Person, die ihre Kommunikation im Internet auf Beiträge beschränkt, die auf emotionale Provokation anderer Gesprächsteilnehmer zielt. Dies erfolgt mit der Motivation, eine Reaktion der anderen Teilnehmer zu erreichen. In darauf bezogenen Bildern wird oft der aus der Mythologie bekannte Troll dargestellt.

Trollbeiträge sind auf die Kommunikation im Internet beschränkt und finden sich vor allem in Diskussionsforen und Newsgroups, aber auch in Wikis und Chatrooms, auf Mailinglisten und in Blogs. Als Troll wird bezeichnet, wer absichtlich Gespräche innerhalb einer Online-Community stört.

Die Provokationen sind in der Regel unterschwellig und ohne echte Beleidigungen. Auf diese Weise entgehen oder verzögern Trolle ihren Ausschluss aus administrierten Foren. Nach Judith Donath ist das Trollen für den Autor ein Spiel, in welchem das einzige Ziel das Erregen von möglichst erbosten und unsachlichen Antworten ist.
 

#Respekt ist ein Gemeinschaftsprojekt der OÖNachrichten mit den Bundesländerzeitungen „Kleine Zeitung“, „Salzburger Nachrichten“, „Tiroler Tageszeitung“, „Vorarlberger Nachrichten“ und der „Presse“. Die Serie thematisiert den eskalierenden Umgangston im Netz und skizziert Strategien zur Verbesserung. Der heutige Teil stammt von den Salzburger Nachrichten.

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