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Mann in der Krise, weil Krise im Mann

Von Von Kaus Buttinger   14.Februar 2009

OÖN: Sie haben den Mann in der Krise analysiert, wie ihn Schriftsteller und Filmemacher in den vergangenen Jahren gezeichnet haben. Wie lautet Ihr Befund?

Kappert: Der Mann in der Krise wird als eine Person beschrieben, die grundlegend verloren ist. Sie ist ihrer Souveränität verlustig gegangen, obwohl sie einfach nur normal war und auch nie etwas anderes sein wollte. Der Mann in der Krise gehört der gehobenen Mittelschicht an, er ist nicht krank, er hat einen Job, und Geld ist nicht sein Problem. Trotzdem bietet ihm die Gesellschaft keine Möglichkeit, glücklich zu werden. Er leidet wie ein Hund.

OÖN: Klingt nach einer Identitätskrise…

Kappert: Ja, eine Identitätskrise, die sich in der Depression äußert. Der ganz normale Mann, das ist die Grundbehauptung dieser Krisenszenarien, steigt aus der Gesellschaft aus, aber nicht als Rebell, sondern als Patient. Auffällig ist auch, dass der Durchschnittsmann in der Regel sein Unglück nicht überlebt. Wir sehen ein apokalyptisches Szenario, der Mann stirbt am Ende, und mit ihm geht nichts weniger als die vernünftige Welt unter...

OÖN: Der Mann in der Krise steht da als Verlierer, verliert auch sich selbst. Was bleibt?

Kappert: Laut dieser Szenarien bleibt das Schwarze Loch, das Chaos. Die Gesellschaft geht unter. Markant ist: Wenn der normale Mann nicht überleben kann, hat auch die Gesellschaft als solche keine Überlebenschance.

OÖN: Können Sie uns konkrete Beispiele nennen?

Kappert: Ein Kultfilm in Sachen „Mann in der Krise“ ist „Fight Club“ von David Fincher. Der endet in einem Inferno. Die Wolkenkratzer der Bankhäuser sacken in sich zusammen, die Welt explodiert. Beim französischen Schriftsteller Michael Houellebecq stirbt zwar nur der Held und nicht die Welt, aber auch hier gibt es keinen Hoffnungsschimmer. Es bleibt nichts.

OÖN: Inwieweit lassen sich diese Krisenbilder aus Büchern und Filmen auf die männliche Identität in der Realität umlegen?

Kappert: Die enorme Popularität dieser Bücher, etwa „Elementarteilchen“ von Houellebecq, oder Filme wie „American Beauty“ und „Fight Club“, zeigt, dass diese Krisenszenarien den Nerv treffen. Das heißt zwar nicht, dass der Mann derart in der Krise ist. Es heißt, dass das ein Thema ist.

OÖN: Warum ist die Krise des Mannes ein Thema?

Kappert: Weil das Rollenverständnis im Umbruch ist. Gründe dafür sind, dass der Mann als Ernährer zunehmend zurückgedrängt wird, Frauen stärker ins Erwerbsleben eintreten und entsprechende Ansprüche reklamieren. Auch die ökonomische Situation für den durchschnittlichen Mann hat sich deutlich verschärft. Gerade in westlichen Industriegesellschaften sind gewisse Privilegien nur durch das Mann-Sein nicht mehr gegeben. Männer müssen Akzeptanz und Anerkennung heute deutlich härter erwirtschaften. Der Leistungsdruck hat zugenommen.

OÖN: Seit Jahren wird vom „neuen Mann“ gesprochen, er wird fast flehentlich herbeigeschrieben, tatsächlich bleibt er eine recht rare Spezies…

Kappert: Das ist ja auch genau die Diskrepanz zwischen Realität und Krisenszenarien. Darin wird ja das Bild entworfen, es sei nicht mehr fünf vor zwölf, sondern fünf nach zwölf. Würde man dem rückwärtsgewandten Bedrohungsbild folgen, müssten wir davon ausgehen, dass tatsächlich diese ganzen Männerrollen im Umbruch sind und deshalb auch Bilder des neuen Mannes im Mainstream greifen. Das ist aber mehrheitlich nicht der Fall. Trotzdem ist etwas in Bewegung geraten. Beispiel ist die Elternzeit (Karenzzeit-Modell in Deutschland, Anm.), die aber nur 15 Prozent der Väter nutzen, es handelt sich also um eine Minderheit. Ein Umdenken in Sachen Männlichkeit ist bislang nicht mehrheitsfähig.

OÖN: Wenn – wie oft behauptet wird – jede Krise eine Chance bietet, wo wäre die für den Mann?

Kappert: Es gäbe die Chance, sich von der Idee zu verabschieden, dass richtige Männlichkeit erst dann erlangt werden kann, wenn man überlegen ist. Das klassische Männlichkeitskonstrukt basiert ja darauf, dass man andere Positionen wie Frau-Sein, Schwul-Sein, Schwarz-Sein abwertet und darüber seine eigene Identität schafft. Das heißt, es ist ein hierarchisches Modell, kein dialogisches Modell. Das hierarchische Modell hat immer den Anspruch, dominant sein zu müssen und bringt einen enormen Leistungsdruck mit sich. Männer haben Privilegien, aber sie sind auch in diesem Leistungs-Korsett gefangen. Sie müssen einfach immer besser sein, wenn sie sich in ihrer Rolle wohlfühlen wollen. Die Chance liegt darin, dass man begreift, dass in der Gleichberechtigung oder im dialogischen Prinzip auch eine Entlastungsmöglichkeit steckt. Der Mann muss nicht immer besser sein.

OÖN: Gibt es sie schon, die „nicht besseren Männer“?

Kappert: Neue Väter sind Beispiele, wie sich das Prinzip Fürsorge in das Selbstverständnis von Männlichkeit integrieren lässt, ohne dass man deshalb als Memme deklariert wird. Das ist eine große Chance, weil sie den Zugang zu einer bestimmten emotionalen Welt ermöglicht. Den fehlenden Zugang zur Emotion, zum Gefühl beklagen diese Krisenszenarien ja massiv. Diese Männer sind abgeschnitten von ihren Gefühlen und kippen deshalb in die Depression.

OÖN: Lässt sich die momentane Wirtschaftskrise als Krise des männlichen Dankes eindampfen?

Kappert: Diese Formen von Hybris, Rücksichtslosigkeit und Abwehr eines fürsorglichen Denkens – auch im Sinne der Nachhaltigkeit – sind Parameter einer neoliberalen Ideologie, die sich in einem patriarchalischen Männermodell wiederfinden lassen. Ich warne aber davor, die Wirtschaftskrise auf diesen Geschlechteraspekt zu reduzieren.

OÖN: Dennoch: Man spricht von einer Krise der Eliten, und die männliche Monokultur in Führungsetagen ist offensichtlich…

Kappert: Sicher. Wobei ich glaube, dass mangelnde Selbstkritik Teil des Problems ist. Ich sehe keinen Ansatz, dass es diese Selbstkritik nunmehr gibt, die ja wieder eine Umgestaltung von Männlichkeitskonzeption in Gang setzen müsste.

OÖN: Wie würden Sie den Ausweg aus dem anmaßenden männlichen Denken beschildern?

Kappert: Selbstkritik – jenseits der Selbstzerstörung. Das Problem ist ja, dass das patriarchale Prinzip Männlichkeit keine Selbstkritik verträgt, weil es ein ganz starres Konstrukt ist. Wenn kritisiert wird, steht sofort die Identität in Frage. Deshalb wäre der Ausweg die Integration von Selbstkritik und Dialogfähigkeit.

OÖN: Was aber nicht geschieht. Warum nicht?

Kappert: Gerade angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise wird der Diskurs über Männer in der Krise deutlich zurückgedrängt. Das, was auf der Hand liegt, nämlich eine spezifisch männliche Hybris zu thematisieren, findet nicht statt. Das hängt auch damit zusammen, dass man sich in einer Situation, die wirklich ernst ist, nicht mehr über Geschlechterkonstruktionen unterhalten mag. Die Mehrheit begreift die Geschlechterfrage nach wie vor als Zusatzbelastung, die nur in guten Zeiten zu leisten ist. Dabei zeigt uns die Wirtschaftskrise etwas anderes: Wir müssen im ganz großen Stil umdenken. Die neoliberale Ideologie, die wir alle mitgetragen haben, ist gescheitert. Und damit ist auch die vorherrschende Performance von Männlichkeit gescheitert.

OÖN: Is it a man’s world?

Kappert: Ja, die Patriarchen sitzen fest im Sattel.

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28. März 2024