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Politische Instrumentalisierung von Olympia ist unselige Tradition

Von Peter Filzmaier, 31. Jänner 2014, 00:04 Uhr
Politische Instrumentalisierung von Olympia ist eine unselige Tradition
Kremlchef Wladimir Putin bei einem Kontroll-Besichtigungstermin in Sotschi Bild: EPA

SOTSCHI. Russlands Präsident Wladimir Putin macht die Olympischen Winterspiele in Sotschi zu seiner Bühne.

Der Sündenfall der Olympischen Winterspiele ereignete sich 1936. Friedensgedanke und Diskriminierungsverbot als politische Ziele der olympischen Bewegung wurden ad absurdum geführt. Damals fanden die Spiele in Garmisch-Partenkirchen statt, wo man kurz vorher Schilder "Vorsicht! Scharfe Kurve! Juden 100 Stundenkilometer!" entfernte. Fotos zeigten dennoch über dem Hinweisschild des "Olympia-Verkehrsamtes Ski-Club Partenkirchen" eine Tafel mit der Aufschrift "Juden – Zutritt verboten!".

Reichssportführer Von Tschammer und Osten hatte der Welt über die Nachrichtenagentur Associated Press sowieso mitgeteilt, dass der deutsche Sport für Arier da sei. Ernst Röhm, Stabschef der Sturmabteilung, veröffentlichte bereits 1933 einen Erlass, wonach Juden an Sportveranstaltungen in Deutschland nicht mehr teilnehmen durften.

Doch die Boykottdiskussion der Garmischer Winter- sowie der Berliner Sommerspiele (Schirmherrschaft Adolf Hitler) geriet zur Farce. Während Julius Streicher als Herausgeber des "Stürmer" die Spiele als "von Juden dominiertes Spektakel" beschimpfte, erkannte Joseph Goebbels deren Propagandachance – und das Internationale Olympische Komitee (IOC) wurde Erfüllungsgehilfe.

Vermeintliche Fortschritte

Der spätere IOC-Präsident Avery Brundage, damals Chef des US-Komitees, betonte vermeintliche Fortschritte Deutschlands unter der Naziherrschaft und dessen angeblich aufrichtige Interessen. Danach reiste er als einziges Mitglied einer "Kommission" nach Berlin, um die Diskriminierung jüdischer Sportler zu untersuchen. Im Hotel Kaiserhof traf er mit NSDAP-Funktionären und von diesen ausgesuchten Gesprächspartnern zusammen. Juden erklärte er, dass ihnen kein Unrecht geschehe und sein Verein in Chicago sie auch nicht aufnehmen würde.

Als Folge von Brundages Bericht war von Boykott keine Rede mehr. Die österreichische Empörung, dass Brundage fast vier Jahrzehnte danach Karl Schranz wegen Verstoßes gegen den Amateurparagraphen nach Hause schickte, ist im Vergleich dazu lächerlich.

Natürlich war die politische Bedeutung der gigantischen Sommerspiele stets größer – so etwa beim Boykott und Gegenboykott in Moskau und Los Angeles –, doch befand sich der kleine Bruder Winterspiele genauso im Kalten Krieg. Seit 1956 in Cortina d’Ampezzo nahm die UdSSR teil, und der offiziell verbotene Medaillenspiegel wurde als Länderkampf mit den USA zum medialen Höhepunkt. 1980 machten die USA in Lake Placid einen Eishockeysieg zur Legende, die Sowjets konterten 1981 nach dem Canada-Cup-Triumph.

Als 1972 in Sapporo die ARD zwei Eiskunstlauf-Olympiasieger interviewte, mussten alle Fragen von der Sowjet-Mannschaftsführung bewilligt werden. Bedingung: Das Gespräch war trotz guter Fremdsprachenkenntnisse von Irina Rodnina und Alexander Ulanow mit Dolmetsch zu führen.

Zweitfassung gesendet

Als Rodnina zum Abschluss auf Deutsch sagte, seit ihrem dort gewonnenen EM-Titel viele Freunde in Bayern zu haben, war die Aufregung groß. Die Sequenz musste wiederholt werden. In der gesendeten Zweitfassung sprach sie von "Freunden in der DDR und BRD".

Erst mit dem Zerfall des Ostblocks traten Wirtschafts- und Umweltpolitik mehr in den Mittelpunkt. In Albertville 1992 lautete eine Schlagzeile, dass für die Abfahrtsstrecke der halbe Berg gesprengt wurde. Die Zeitenwende bedeutete zugleich, dass Olympia ein Geschäft sein durfte, und das IOC sah sich in den 1990ern mit einer Korruptionsdebatte konfrontiert. Die Spiele 2010 in Vancouver kosteten 1,4 Milliarden Euro, doch allein für die TV-Rechte zahlte NBC 800 Millionen. Hinzu kommt ein ähnlich hoher Betrag der Top- 10-Sponsoren.

Wenn also Wladimir Putin die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 politisch instrumentalisiert, so setzt er eine unselige Tradition fort. Alles ist längst da gewesen. Die Diskriminierung von Homosexuellen hatte ihre schrecklichen Vorläufer im Ausschluss der Juden, die Umweltzerstörung wird seit Jahrzehnten in Kauf genommen, und der Faktor Geld bis hin zu Bestechung & Co ist ein ständiger Begleiter. Vor allem jedoch helfen große Sportveranstaltungen fast immer politischen Machthabern. Sie bekommen eine Bühne, die Opposition hat Pause.

Peter Filzmaier (46), Politikwissenschaftler, schrieb 1993 seine Dissertation über "Politische Aspekte der Olympischen Spiele".

Olympische Winterspiele in Sotschi

Am 7. Februar 2014 findet die Eröffnung der die XXII. Olympischen Winterspiele in Sotschi statt. Die ersten Medaillen werden am 8. Februar vergeben, die letzten Medaillen am 23. Februar. Es gibt 98 Entscheidungen.

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3  Kommentare
3  Kommentare
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mitreden (28.669 Kommentare)
am 31.01.2014 10:42

politiker - egal wo - machten die olympiaden zu "ihrer" bühne.
also was soll die hinhackerei auf putin.........

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( Kommentare)
am 31.01.2014 07:52

Ist der Weltcup nicht gut genug, dass man dann noch extra eine pompöse Gladiatorenshow abziehen muss?
Es läge am Sportler selbst, zwischen notwendig u. Show einen Trennstrich zu ziehen.
Das Mediengeschreie wegen runder Metallteile --> Medaillen, hält doch kein halbwegs vernünftiger Mensch kaum aus.

--> Boykott

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jago (57.723 Kommentare)
am 31.01.2014 00:49

aber die Katastrophe 1972 in München/FFB hat mir gefehlt, zumindest als Randbemerkung.

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