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"Kepler"-Oper: Sternstunde am Landestheater

Von Von Michael Wruss   22.September 2009

Vorneweg: Dieser Abend ist wohl zu den absoluten Sternstunden des Linzer Landestheaters zu zählen. Natürlich kann und darf man Einschränkungen machen, darf die Musik als gute Filmmusik abqualifizieren.

Unwidersprochen aber bleibt, dass Philip Glass ein Theaterkomponist ist und dass seine Musik einen in einen Sog berauschender Klänge zu ziehen vermag und fast meditativ schweben lässt, ohne an Spannung zu verlieren. Gerade dieses – zu Minimal Music degradierte – Wiederholen kleinster Elemente, das Pendeln zwischen zwei Tönen löst diesen Bann des Selbst-in-der-Materie-Aufgehens aus. Dazu kommt, dass Philip Glass das visionäre, oratorienhafte, scheinbar gänzlich undramatische und gerade deshalb höchst wirkungsvolle Libretto von Martina Winkel akribisch durchleuchtet hat und mit seiner Musik eine zusätzliche Metaebene philosophischen Verstehens hinzufügte.

Allein bei der Stelle, als Kepler erkennt, dass die Planetenbahnen Ellipsen sind, eine Erkenntnis, die mehr als nur Auflehnung gegen die kirchliche und weltliche Gewalt bedeutete, bekommt die Musik etwas Introvertiertes. Nur ein inneres Feuer siegreicher Genugtuung lässt sich aus dem Duktus der Klänge herauslesen. Genial!

Regie trug zum Erfolg bei

Aber nicht nur die Oper selbst – falls der Begriff für diese Art des Musiktheaters überhaupt zutreffend ist – ist ein genialer, dramaturgisch ganz eigenwilliger Wurf, auch die Regie trug maßgeblich zum Erfolg bei. Peter Missotten, belgischer Video- und Theaterkünstler, öffnete die Bühne bis zum letzten Winkel und ließ das Spiel mit nur wenigen Versatzstücken ablaufen.

Sechs riesige verkupferte geometrische Figuren symbolisieren die damals bekannten Planeten und machen durch ihr allmähliches Herabschweben zur Bühne das Finden der Gesetze begreifbar, und Kepler erkennt den Bauplan der Welt.

Dennis Russell Davies, Freund von Philip Glass und wohl einer, der seine Musik am besten zu interpretieren weiß, leistete ganze Arbeit und studierte die Partitur haargenau ein. Das Bruckner Orchester hat in den letzten Jahren diese Musik zu spielen gelernt und darf sich – nicht nur vom Komponisten selbst so bezeichnet – als jenes Orchester titulieren, das Glass am authentischsten, lebendigsten, exaktesten und emotionalsten spielt. Die Leistung war schlichtweg überragend.

Die Oper kommt nur mit einer Hauptrolle – eben Kepler – aus, aber in der Interpretation durch Martin Achrainer hätte auch keine zweite gewichtige Rolle Platz. Er hat einen idealen Zugang zur introvertiert distanzierten Persönlichkeit Keplers gefunden, der an dem Unverständnis der Zeitgenossen und an seiner Genialität zerbrach. Die Partie ist ihm auf den Leib geschneidert, und er weiß dieses Geschenk zu nutzen.

Ihm zur Seite ein Solistensextett allererster Qualität (Cassandra McConnell, Karen Robertson, Katerina Hebelkova, Pedro Velázquez-Díaz, Seho Chang und Florian Spiess), das in unterschiedliche Rollen schlüpfte, die Gedanken Keplers reflektierte und mit Texten von Gryphius erweiterte. In diese kommentierende Rolle schlüpfte auch der Chor unter der Leitung von Georg Leopold.

Nach „The Voyage“ und „Or-phée“ nun die dritte Glass-Oper am Haus. An diesem Abend wurde wahrscheinlich Theatergeschichte geschrieben.

Info: 0800 218 000

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25. April 2024