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Im kapitalistischen Fleischwolf

Von Von Silvia Nagl   07.Dezember 2009

Unglaublich, was der erst 23-jährige Brecht 1921 zu Papier gebracht hat: in einer analytisch klugen, wundersam poetischen und grausam klaren Sprache. Ein gedanklich schwer nachzuvollziehendes, sperriges und selten gespieltes Stück, ein Requiem des Überlebenskampfes im Großstadt-dschungel. Erzählt am Beispiel eines rätselhaften Kampfes zweier ungleicher Männer in einem fiktiven Chicago der 1920er Jahre.

Langhoff nimmt das wortreiche Stück so wie es ist, ohne Textstriche und krampfhafte aktuelle Anspielungen. In Zuneigung für den Autor, der manchen verehrter Säulenheiliger des Klassenkampfes, anderen mühsamer Zeigefinger-Sozialist ist. Seine Themen aber sind immer aktuell: Armut, Rassenhass, Unterdrückung, Kapitalismus...

Auf dünnen Gazevorhängen vor dem mit Stacheldraht eingezäunten Bühnenraum zeigen Filme aus den 20er Jahre Schlangen von Arbeitslosen, hektisches Großstadttreiben, ständiges Verkehrsrauschen ist zu hören. George Garga, armer und armseliger Bibliothekar, legt sich – unfreiwillig – mit dem reichen malaysischen Holzhändler Shlink an, der ihn und seine Familie hörig machen will, schließlich den Jüngeren aber siegen lässt. Mit John wird die ganze Familie Garga durch den kapitalistischen Fleischwolf gedreht.

Ein sensationelles Bühnenbild (Catherine Rankl) im Stile früherer Theaterjahre, als Sparzwänge (oder Moden?) Bühnenbildner noch nicht zu Dekorateuren leerer Räume machten. Ein Waggon auf der in Bewegung gehaltenen Drehbühne: trickreich entworfen, detailreich gebaut, üppig bemalt und rundherum mit vielen Utensilien der jeweiligen Spielsituation bestückt – alles da zur Animation von Aug’ und Hirn.

Die beiden Hauptdarsteller müssen nicht nur gegeneinander, sondern auch mit viel Textmenge kämpfen. Stefan Matousch großartig als Shlink: ein undurchschaubar Geheimnisvoller, ein Gesicht wie aus Wachs, die Bewegung schleichend bis bedrohlich. Überzeugend Konstantin Bühler als George Garga, ein Erniedrigter und Beleidigter, impulsiv bis aggressiv. Gleichberechtigte Mitspielerinnen: Wanda Worch als ihrer Naivität und Unschuld beraubte Schwester von George. Julia Ribbeck als Georges Freundin, die der Weg aus der Armut direkt in die Gosse führt, beeindruckt auch mit einem Lied in Nina-Hagen- Kieksmanier.

Prediger der Düsternis

Überhaupt: die Musik! Die Linzer Band „Fuckhead“ nimmt regen und eindringlichen Anteil am Geschehen. Frontman Didi Bruckmayr ist ständig präsenter, hervorragend schauspielender und singender Prediger der Düsternis. Mit dabei eine Menge an vom Regisseur gut geführten Schauspielern und Schauspielerinnen aus dem Landestheater-Ensemble, einige Gäste und „echte“ Boxer.

Zwei Stunden spannendes, intensives Spiel. Nach der Pause aber lässt das zu erwartende K.o. zu lange auf sich warten. Trotzdem: großteils beeindruckendes, dreieinhalb Stunden dauerndes Theatererlebnis in präziser Umsetzung.

Und am Ende doch noch eine Anspielung: Bilder aus der Linzer Fußgängerzone samt Weihnachtsschmuck – hinaus in den Kapitalismusirrsinn!

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20. April 2024