Krank vor Liebesleid

Von Barbara Rohrhofer   23.April 2014

Liebeskummer ist ein Ganzkörperproblem. Das menschliche Herz leidet und kann verrückt spielen. Man spricht dann vom ,Broken-Heart-Symptom’, bei dem man alle Anzeichen eines Herzinfarkts hat. Manche Betroffene fühlen sich, als hätten sie schwere Steine im Magen, andere wiederum erzählen von zugeschnürten Kehlen. Bei wieder anderen ist das Immunsystem geschwächt“, sagt Psychologin und Psychotherapeutin Birgit Maurer, die in Wien und Graz eine „Liebeskummer-Praxis“ betreibt.

Auf diese Idee ist sie gekommen, „weil sich bei den menschlichen Problemen fast immer alles um die Liebe dreht“. Der Kummer mit der Liebe sei jedenfalls alles andere als ein Teenagerproblem und könne jeden treffen, der sich verliebt. Sobald man sein Herz für jemanden öffnet, ist man verletzbar. Und: „Man kann sich in jedem Alter verlieben und in jedem Alter unter Trennungsschmerz leiden. Ich hatte auch schon 75-Jährige bei mir sitzen, die schwersten Liebeskummer hatten“, erzählt die Expertin. Das Liebesleid gehe immer mit Kränkungen, Verletzungen, Erschöpfung und zerstörten Hoffnungen einher.

Das Hirn spielt verrückt

„Liebeskummer ist die andere Seite der Verliebtheit. Wenn wir uns verlieben, wachsen wir über uns hinaus; wenn wir uns entlieben, fallen wir in uns zusammen.“ Doch nicht nur das Herz leidet beim Verlassenwerden, auch das Hirn spielt verrückt.
Forscher der Universität Tübingen haben herausgefunden, dass bestimmte Hirnareale bei Frauen nach einer Trennung kurzfristig brachliegen: Funkstille herrscht in den Regionen, die für Emotionen, Antrieb und Motivation zuständig sind, und in jenen, die das Schlaf- und Essverhalten steuern. Kein Wunder also, wenn Liebeskranke zu nichts mehr in der Lage sind und keinen Bissen mehr essen können. Wie Liebeskummer bewältigt wird, sei individuell verschieden.

„Es gibt Menschen, die stürzen sich in sportliche Aktivitäten oder in die Arbeit, andere isolieren sich und ziehen sich völlig zurück. Dann gibt es jene, die auf Pilgerreise gehen oder sich jeden Tag massieren lassen. Jeder hat seine eigenen Strategien, um Probleme im Leben zu meistern“, sagt Birgit Maurer. Am besten sei es aber, sich dem Kummer zu stellen, ihn nicht zu verdrängen oder gar unter den Teppich zu kehren.

„Die meisten Betroffenen brauchen keinen Therapeuten, weil auch die eigene Familie oder enge Freunde sehr gut helfen können. Dauert der Zustand des Leidens aber zu lange, sollte man sich professionell unterstützen lassen. Zu mir sind schon Menschen gekommen, die zwei Jahre nach einer Trennung noch immer heftig an Liebeskummer gelitten haben.“

Es gebe eben keinen festen Zeitpunkt, wann Trennungsschmerz überstanden sein muss. Der Kummer könne viele Monate dauern und sehr schmerzen und trotzdem normal sein. Betroffene würden viel Trost und Zuwendung brauchen. „Es ist ja so, dass es lange dauert, um eine Liebesbeziehung aufzubauen. Man verliebt sich, zieht zusammen, bekommt Kinder. Scheitert eine Liebesbeziehung, braucht es natürlich auch viel Zeit, diese Verflechtungen aufzulösen und sich von jenem Menschen zu verabschieden, mit dem man jahrelang gelebt hat. Dass das nicht von heute auf morgen geht, ist normal“, sagt Maurer.

Liebeskummer lohnt sich

Einen Unterschied beim Liebesleid gebe es zwischen den Geschlechtern. Frauen würden sich schnell öffnen, mit Freundinnen über den Schmerz reden und die Schuld eher bei sich selbst suchen, während Männer eher schweigen und sich in Aktivitäten stürzen würden.

Werde Liebeskummer richtig und professionell aufgearbeitet, könne es auch sein, dass man gewisse Muster erkennt, die einen vielleicht immer wieder in die Arme von Partnern treiben, die einem auf Dauer nicht gut tun. In diesen Fällen könne sich Liebeskummer sogar lohnen...