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Gugl-Games-Chef Robert Wagner: „Wir haben einen historischen Tiefpunkt erreicht“

Von Christoph Zöpfl   22.August 2013

Wenn du* auf deinen Werdegang schaust, wann war der Moment, wo das Leben des Eisenbahners Robert Wagner die vorgelegten Schienen verlassen hat?

Robert Wagner: Das war 1987, als mich der damalige OÖN-Sportchef zum Länderspiel Schweiz – Österreich nach St. Gallen geschickt hat. Ich hatte den Vorteil, dass ich als Eisenbahner keine Reisespesen verrechnete – ich durfte ja gratis mit dem Zug fahren. Und nach dem Länderspiel bin ich weiter zum Letzigrund-Meeting nach Zürich, das zwei Tage später stattfand. Und da war für mich klar, das ist meine Welt, hier möchte ich bleiben.

Hast du es schon einmal bereut, damals deine beruflichen Weichen neu gestellt zu haben?

Sehr oft. Als Eisenbahner wäre ich am 1. Februar 2013 in Pension gegangen. Da würde ich wahrscheinlich jetzt auch hier auf diesem Bankerl sitzen. Ich treffe mich einmal im Monat mit meinen ehemaligen Kollegen. Die sind alle in Pension und haben ein wunderschönes Leben.

Aber alle werden dich beneiden. Du hast einen Wohnsitz in Monaco und in San Francisco und bist in ihren Augen stinkreich ...

Wenn wir beieinander sitzen und in zwei Stunden bei mir x-mal das Telefon läutet, dann wird ihnen klar, dass sie wahrscheinlich schon auf der richtigen Seite sind. Während ich da zehn Mal aufstehe und rausgehe, machen sie sich die nächste Radlpartie aus. Und schlecht geht‘s ihnen ja auch nicht. In Österreich fehlt einem ja nichts.

Und was fehlt dir?

Naja, ich würde gerne einmal Urlaub machen, ein, zwei Wochen. Das habe ich jahrelang nicht gemacht.

Hast du eine Deadline, wo du sagst, jetzt ziehe ich den Stecker raus, schalte das Handy ab und lehne mich zurück?

Den Plan hat es gegeben. Aber jetzt habe ich mein zweites Leben angefangen, geheiratet, mein Bua ist acht Monate alt. Jetzt geht alles wieder von vorne los. Das ist ein richtiges Déjà-vu. Vom Aufhören bin ich weit weg.

Der österreichische 100-Meter-Rekord von Andreas Berger (10,15 Sekunden) wurde gerade 25 Jahre alt. Nicht unbedingt ein Grund zum Feiern, oder?

Das ist ein Grund, bestürzt zu sein, eindeutig. Wir haben im Moment einen historischen Tiefpunkt in der österreichischen Leichtathletik erreicht. Es gibt nur ganz wenige, die nachkommen. Österreich ist auf der Leichtathletik-Weltkarte nicht mehr vorhanden.

Warum sind wir jetzt weg vom Fenster?

Es gibt eine neue Generation, die daheim auf der Play-Station sportelt. Da gibt es auch Sieger und Verlierer. Wenn jemand dieses Gefühl haben will, braucht er nicht mehr raus auf die Laufbahn zu gehen. Außerdem fehlt im österreichischen Sommersport der strukturierte Aufbau. Da ist kein System dahinter. Das ist alles eine Zufallsgeschichte.

Wäre es für dich interessant, dein Know-how bei einer Strukturreform einzubringen?

Jedes Jahr gibt es Initiativen, und jetzt gibt es eh den Herrn Schröcksnadel als Mastermind des Projekts Rio. Nur ist der gerade Fliegenfischen in Kanada und zwei Wochen lang nicht erreichbar. Ich kenne keinen Menschen auf der Welt auf diesem Level, der fünf Wochen im Sommer auf Urlaub ist. Der Mensch ist ein Genie.

Deine Position in der Doping-Frage war immer umstritten. Wenn man Robert Wagner und Doping googelt, bist du eher ein Böser ...

Ein Anruf beim Weltverband IAAF würde da hilfreich sein. Das hat leider nie jemand gemacht.

Aber wie hast du dir deinen schlechten Ruf erarbeitet?

Vielleich war ich zu nahe bei Personen, die dann einen positiven Test abgeliefert haben. Ich habe in den vergangenen 25 Jahren 800 Athleten gehabt, und es waren elf positive Tests dabei.

Du warst vor unserem Gipfelgespräch in der Kirche. Bist du ein gläubiger Mensch?

Man soll damit nicht prahlen, dass man regelmäßig in die Kirche geht, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich am Mittwoch daheim in Scharnstein bin und nicht in die Kirche gehe.

Ist das ein Ritual oder hat das eine tiefere Bedeutung?

Hast du einmal Zeiten gehabt, wo du komplett am Boden warst? Ich war schwerst depressiv vor fünf, sechs Jahren, und irgendwann habe ich da angefangen, wieder in die Kirche zu gehen. Mit der damaligen Überlegung „Hilft‘s net, so schad‘s net“.

War das eine Art Burnout?

Wahrscheinlich, ich war einfach fertig. Und wollte mich da selbst aus dem Sumpf ziehen. Mein Vater ist 2006 gestorben, auf den habe ich immer hinaufgeschaut. Er war Hofrat bei der Eisenbahn und ich wollte ihm beweisen, dass ich es auch ohne Studium schaffe. Und dann war er weg – und ich bin in ein Loch gefallen.

Aber der Beweis, dass du es geschafft hast, ist zu seinen Lebzeiten gelungen.

Ja, bei einem Gugl-Meeting hat ihn einmal der Landeshauptmann jemand anderem vorgestellt und gesagt: „Das ist der Vater von Robert Wagner.“ Ich glaube, da war er stolz auf mich. Daheim war ich nämlich immer nur der Sohn vom Herrn Doktor Wagner.

*Wie in den Bergen üblich, erlauben wir im Gipfelgespräch die Du-Form.

 

Die Ruine als Spielplatz

Beim Gipfelgespräch hat Robert Wagner Heimvorteil. Wir wandern durch das Tießenbachtal über unzählige Stufen zur Burgruine Scharnstein hinauf. Die Gegend kennt der Scharnsteiner wie seine Westentasche. „Hier habe ich meine Kindheit verbracht, die Ruine war praktisch unser Spielplatz“, sagt er. Die lohnenden Gipfel in der Gegend (Hochsalm, Windhagkogel) lassen wir aus Zeitgründen links liegen, der Blick von der Ruine hinunter nach Scharnstein und ins Alpenvorland ist ja auch nicht übel. Wagner hat unten, gleich in der Nähe des Tießenbachs, gerade ein (Fertigteil-) Haus gebaut. Es soll, wenn es einmal beruflich ruhiger wird, sein privates Basislager werden. Für ihn war es immer klar, dass er irgendwann wieder zu seinen Wurzeln zurückkehren wird. „Es gibt Momente, da stehe ich in Monte Carlo, schau vom Balkon auf das Meer hinaus und denk mir: Wie gerne wär‘ ich jetzt daheim in Scharnstein ...“

 

Zur Person

Robert Wagner (geb. 1960) ist Meeting-Direktor in Linz und Daegu (Südkorea). Außerdem ist er Location-Manager der UEFA und betreut einige Leichtathleten. Wagner ist in zweiter Ehe mit der ehemaligen US-Athletin Kelli White verheiratet. Sohn Thomas ist acht Monte, seine Töchter Sabine und Cornelia sind 23 bzw. 24 Jahre alt. Er wohnt in Monte Carlo, Scharnstein und San Francisco. Im Vorjahr verbrachte er 208 Nächte im Hotel, 13 im Flugzeug.

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25. April 2024