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Lieber neuer Papst, nimm Dir ein Beispiel ...

Von Bert Brandstetter, 22. Februar 2013, 00:04 Uhr

Wie spricht man jemanden korrekt an, den die Welt als Eure Heiligkeit, Heiliger Vater oder gar als Stellvertreter Christi auf Erden bezeichnet:

Darf man zu einem Vater, auch wenn er heilig ist, „Du“ sagen, bietet sich das früher gebräuchliche „Ihr“ an oder einfach „Sie“? Weil der Adressat im Moment ja noch anonym ist, er aber demnächst auch mein Heiliger Vater sein wird, nehme ich mir die Freiheit, ihn respektvoll mit „Du“ anzusprechen.

Also: Lieber neuer Papst, nimm Dir ein Beispiel an dem, den Du auf Erden vertreten sollst. Vor ihm sind alle Menschen gleich an Würde und Rechten, Männer UND Frauen. Lass die Hälfte Deiner Katholiken nicht links liegen, sondern spann sie ein in Deinen Dienst genauso wie das bei den Männern üblich ist, solange sie noch wollen.

Lieber Heiliger Vater, nimm Dir ein Beispiel daran, was Jesus in Sachen Barmherzigkeit getan hat. Ich glaube nicht, dass er mit Leuten, deren Ehen gescheitert sind, so hartherzig umgegangen wäre, wie es Deine Vorgänger praktiziert haben. Apropos: Wenn es stimmt, dass sein größtes Gebot das der Liebe ist, dann würde sich auch ein Blick auf die geltende Sexualmoral unserer Kirche anbieten.

Lieber künftiger Papst, glaube nur nicht, Du könntest eine Milliarde Menschen alleine regieren. Nimm Dir ein Beispiel an Papst Johannes XXIII., der gesagt hat: „Johannes, nimm dich nicht so wichtig.“ Am Gescheitesten ist es, Du hilfst Deiner Kirche, sich selbst zu regieren. Nimm Dir ein Beispiel an gesunden Wiesen, wo Blumen friedlich nebeneinander blühen.

Lieber Herr Papst, nimm Dir auch ein Beispiel an Führern anderer Religionen: Predige weniger Dogmen, Zucht und Ordnung, sondern Freude, Hoffnung und Zuversicht. Einem vatikanischen Zuchtmeister laufen die Leute davon.

Lieber Heiliger Vater, der Religionen gibt es viele auf der Welt und wer weiß schon, welche die richtige ist. Keine besitzt die ganze Wahrheit. Aber miteinander sind wir auf dem Weg dorthin. Nimm Dir ein Beispiel an Eltern. Sie fahren immer gut damit, das Gemeinsame ihres Nachwuchses zu betonen, als sich auf die Verschiedenheiten zu konzentrieren. Vergleiche sind oft ungerecht. Wenn es aber stimmt, dass Gott alle Menschen liebt, wird er das wohl nicht nur auf Katholiken beziehen.

Lieber künftiger Papst, ich wünsche mir, Dich als einen Mann zum Angreifen. Einen, der weder konservativ noch progressiv ist, sondern als einen, der in der Mitte steht und den alle akzeptieren können. Und wenn Du auch die päpstliche Kleiderkammer durchforstest und alles ausmustert, was wirklich nicht mehr in unsere Zeit passt (von komischen Mützen angefangen bis zu lächerlichen roten Schuhen), dann kann schon nicht mehr so viel passieren.

Bert Brandstetter ist Präsident der Katholischen Aktion Oberösterreich.

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