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Unsere Klimahelden: Tun versetzt Berge

Von Klaus Buttinger   12.Oktober 2019

Noch lassen sich die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels hintanhalten, obwohl er sich beschleunigt. Die Mehrheit der Klimaforscher sieht ein Steigen der globalen Durchschnittstemperatur von zwei bis vier Grad. Entscheidend wird laut Weltklimarat IPCC sein, wie mit den Klimagasen umgegangen wird, allen voran mit Kohlendioxid (CO2) und mit Methan. Um den Temperaturanstieg zu stoppen, müssen die globalen Treibhausgasemissionen bis 2050 auf null fallen.

Mit dem ökologischen Fußabdruck (carbon footprint) lässt sich messen, wie hoch die Kohlendioxid-Emissionen sind, die jeder Einzelne von uns aufgrund seiner Lebensweise verursacht.

Die OÖN stellen jede Woche Menschen vor, die versuchen, ihren Fußabdruck so klein wie möglich zu halten: unsere Klimahelden.

Sie tun etwas, um ihren ökologischen Fußabdruck klein zu halten. Sie sind nicht perfekt und keine Klima-Heiligen. Aber sie haben so manches hinterfragt, den einen oder anderen richtigen Schluss gezogen und sich aufgerafft, etwas zu realisieren, das dem Klima gut tut. Deshalb seien sie vor den Vorhang geholt.

 

"Wir leben in einer Zuvielisation und einer Nahbereichsfalle"

Thomas Mohrs philosophiert nicht nur über Ethik und Nachhaltigkeit, er lebt danach und lehrt darüber.

Fleisch. Darauf war Thomas Mohrs seit seiner Kindheit konditioniert. Es bildete das Zentrum seiner Ernährung, wie er sagt. Heute lebt der habilitierte Philosoph, der an der Pädagogischen Hochschule OÖ in Linz lehrt, fast vegan – fast, denn auf eine Sache könne er noch nicht verzichten, gesteht er. "Der Käse schmeckt einfach zu gut." Auch die Entzugserscheinungen nach Fleisch seien noch nicht ganz verschwunden, aber sie nehmen ab. Vom Fleischesser zum Fast-Veganer – was ist passiert? Seine Töchter sind passiert. "Die Kinder waren mir immer einen Schritt voraus."

"Wir leben in einer Zuvielisation und einer Nahbereichsfalle"
Thomas Mohrs, Ethik-Professor an Pädagogischen Hochschule OÖ, hat seinen Lebensstil sukzessive und umfassend umgestellt.

Als sie begannen sich vegan zu ernähren, setzte auch bei dem Ethik-Professor mit Schwerpunkt Ernährung und Globalisierung ein Umdenkprozess ein: "Willst du nur predigen oder authentisch sein?", war irgendwann die Frage, auf die alles hinauslief. "Ich habe meinen ökologischen Fußabdruck errechnet und war entsetzt". Sukzessive krempelte er sein Leben um.

Heute verzichtet er nicht nur auf Fleisch, sondern auch auf Bananen, Ananas und Orangen, steigt in kein Flugzeug, kleidet sich Second-Hand und trägt Öko-Jeans, besitzt kein Auto, aber ein Fairphone. Er pendelt nicht mehr, sondern hat seinen Wohnort nach Linz verlegt, wo er alles zu Fuß oder mit dem Rad erledigen kann. Wo kommt etwas her, wie wird etwas hergestellt, sind die häufigsten Fragen, die sich der 58-Jährige mittlerweile stellt. "Aber ich bin kein Heiliger und will auch kein Moralprediger sein", versichert Mohrs. Als Verzicht oder Einschränkung empfinde er seinen Lebensstil nicht, vielmehr als Befreiung. "Warum soll ich mich abrackern, um mir einen SUV leisten zu können? Ich denke mittlerweile als Opa und dass ich Verantwortung trage". Dass unsere Enkel die Folgen und negativen Auswirkungen massiv zu spüren bekommen werden, davon ist er überzeugt.

Aber auch als Ethik-Professor sieht er sich in der Verantwortung. Muss es das neueste iPhone, der größte Flatscreen sein? Braucht es diese vermeintlichen Must-haves und Statussymbole wirklich? So die Fragestellungen, die Mohrs mit seinen Studenten diskutiert: "Wir leben in einer Zuvielisation, glauben immer auf dem neuesten Stand sein zu müssen. Das beginnt bereits im Kindergarten." Dabei wären es gerade die Kinder, die es braucht, wenn wir nachhaltig etwas verändern wollten, ist der gebürtige Deutsche und bekennende "Greta-Fan" überzeugt. Die Schwedin appelliere nicht nur an unser Klimagewissen, vielmehr mache die 16-Jährige uns ein schlechtes Gewissen – für Mohrs der Hauptgrund für die zunehmende Polarisierung der Person Thunberg.

"Sind nahbereichsfokussiert"

Aber warum fällt es uns schwer, etwas nachhaltig zu verändern? "Wir sind nahbereichsfokussiert. Ich nenne es die Nahbereichsfalle", sagt der 58-Jährige: Dass der Amazonas brennt, jedes Jahr 60.000 Arten aussterben, dass für den Anbau des Superfoods Avocado doppelt so viel Wasser benötigt wird, wie Pinien- und Tannenwälder, die dafür abgeholzt werden, brauchen würden, dass der europäische Elektromüll in Ghana auf Afrikas größter Mülldeponie landet, einem Areal, das vor 15 Jahren noch ein intaktes Sumpfgebiet war, liege jenseits unseres Wahrnehmungshorizonts.

Mein Fussabdruck

Der ökologische Fußabdruck gibt in Hektar an, wie viel Fläche unseres Planeten jemand auf Grund seines Konsumverhaltens zur Befriedigung seiner Bedürfnisse benötigt.

5,31 Globale Hektar (gha) beansprucht mittlerweile jeder Österreich durchschnittlich.

Footprint-Rechner: www.wwf.at/de/fussabdruck www.mein-fussabdruck.at

 

Pioniere des Energiesparens

 

Das Luftkollektorhaus von Petra und Ewald Reinthaler in Neulichtenberg vermeidet seit 1992 Unmengen CO2.

 

Leise surrt der Ventilator. Er schaufelt warme Luft aus den Luftkollektoren auf dem sonnenbeschienenen Dach in den Keller. Wo in anderen Häusern die Öl- oder Gasheizung steht, befindet sich ein Raum voll mit kindskopfgroßen, runden Steinen. Sie wiegen rund 30 Tonnen, füllen 24 Kubikmeter aus und speichern die warme Luft. Wird es draußen kalt, steigt die warme Luft aus dem Keller auf, strömt durch unsichtbare Hypokausten und wärmt Boden und Wände. „Angenehme Strahlungswärme“, sei die Folge, sagt Ewald Reinthaler (57), der mit seiner Frau Petra (53) das aktive Solarhaus in Neulichtenberg bewohnt. Das Luftkollektorsystem in Zusammenspiel mit guter, biologischer Dämmung und einem zweigeschoßigen Wintergarten verkürzt die Heizsaison auf zwei bis zweieinhalb Monate. Was dann noch an Wärmezufuhr für Wasser und Heizung notwendig ist, besorgt ein Pelletsofen im Wohnzimmer, der angenehme Wärme spendet und zusätzlich via Heißwasserleitungen Hitze in den Steinspeicher bringt. Mit einer Tonne Pellets für die Heizung kommen die Reinthalers durch den Winter.

Pioniere des Energiesparens
Petra und Ewald Reinthaler aus Neulichtenberg wohnen in einem Niedrigstenergiehaus.

Was nach exotischer, neuer Bauweise klingt, ist mittelalt. 1989 begann man mit dem Bau des Hauses, 50 solcher Niedrigstenergiehäuser mit Luftkollektorsystem stehen in Österreich. Die meisten entstanden mit hoher Eigenleistung aus den Händen engagierter Energiespar-Pioniere. Ewald Reinthaler, Beauftragter für Menschen mit Beeinträchtigungen und Koordinator für Stadtentwicklungsprojekte beim Magistrat Linz, treiben solche Ideen schon länger um. Er hat seine Solararchitektur-Masterarbeit an der Donau Universität Krems über solche Luftkollektorhäuser geschrieben und war Projektkoordinator für den Bau des Stadtteils Solarcity in Linz-Pichling. Für sein privates Haus wurde er 1993 mit dem Umweltschutzpreis des Landes Oberösterreich ausgezeichnet. Ein Titel mit recht wenig Mitteln. Förderungen von Stadt oder Land gab es für solche Konzepte damals noch lange nicht.

Das nahezu klimaneutrale Haus

Die Luftkollektorhäuser waren ihrer Zeit weit voraus. Während man damals im konventionellen Hausbau mit Energieverbräuchen von mehr als 100 Kilowattstunden pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr rechnete, kamen die frühen Energiesparhäuser mit einem Drittel davon aus. Das Reinthaler-Haus verbraucht 32 kWh/m2/a. Seit 28 Jahren spart also ein solches Haus zwei Drittel Energie ein. Dazu kommt der nachwachsende Brennstoff Holz, der zu 98 Prozent klimaneutral ist. Die restlichen zwei Prozent werden im Durchschnitt für Trocknung und Transport der Pellets aufgewendet.

Damit erweist sich der Fußabdruck dieses Hauses – verglichen mit einem, das nahezu ungedämmt ist und mittels fossiler Energie erwärmt wird – als verschwindend klein. Das Konzept der Passivhäuser mit ihrer Hochwärmedämmung und der kontrollierten Lüftung hat erst Jahre später die aktiven Sonnenhäuser überholt.

„Man muss schon haushalten“, sagt Petra Reinthaler, Leiterin der Sozialberatung Kompass beim Magistrat Linz. Die Heizung funktioniere zwar automatisch, den Wintergarten müsse man aber auf- und zumachen, je nach Wetter. Der gläserne Vorbau wirkt wie eine große Konvektionswalze, deren Wärme über das Stiegenhaus zirkuliert. „Den Umgang damit muss man lernen“, sagt sie. Das Wohnklima sei dafür „ein Traum“.

 

  • 55 Prozent weniger Heizkosten schlagen zu Buche, wenn ein Gebäude thermisch saniert wird, errechnete die Österreichische Energieagentur in ihrem aktuellen Heizkostenvergleich.
  • 6 Euro Heizkosten pro Quadratmeter laufen für eine Pelletsheizung in einem 140-m2-Haus aus den 90er-Jahren durchschnittlich auf.
    Moderne Passivhäuser schaffen 0 Euro; über Photovoltaik-Anlagen sogar Pluswerte.

 

„Nachhaltiges Reisen hört nicht mit der An- und Abreise auf“

 

Wenn sich Christoph Mülleder die Welt anschaut, würdigt er die Menschen im jeweiligen Land eines besonderen Blickes.

 

Seine jüngste Reise führte Christoph Mülleder in den Süden Italiens. Gereist ist er „natürlich mit dem Zug“. Eine Selbstverständlichkeit für den 53-Jährigen aus Gallneukirchen, auch wenn die Anreise 18 Stunden dauerte. Alles für das Klima? „Nicht nur. Zugfahren ist einfach entspannter. Man muss keine Kontrollen durchlaufen, keine zwei Stunden vor Abflug am Flughafen sein, lernt Mitreisende kennen.“ Es gebe viele Gründe, die dafür sprechen, versichert der Gallneukirchner, der 14 Jahre lang bei der Caritas als Referent für Auslandsprojekte zahlreiche Auslandsreisen zu Projektpartnern organisierte. Eine Arbeit, die die Einsicht nährte: „Die Art, wie wir leben und reisen, hat enorme Auswirkungen, häufig irgendwo anders auf der Welt. Meist sind es die Ärmsten in den ärmsten Ländern, die den Preis dafür bezahlen.“ Mülleder begann nach und nach einiges zu verändern.

"Nachhaltiges Reisen hört nicht mit der An- und Abreise auf"
Christoph Mülleder aus Gallneukirchen bietet öko-soziale Reisen an.

Fliegen als Ausnahme

„Ich bin jetzt nicht ganz radikal und fliege gar nicht mehr“, bekennt der Gallneukirchner, „aber ich versuche, möglichst darauf zu verzichten.“ Auch die eine oder andere Fernreise ist noch immer dabei. Wird ein Flugzeug bestiegen, wird kompensiert, sprich gezahlt. Er unterstütze ein Wiederaufforstungsprojekt in Nepal, wissend, dass auch diese, häufig als moderner Ablasshandel kritisierte Zahlungen, keine optimale Lösung seien. Aber die Wahl des Verkehrsmittels ist für Mülleder nur ein Aspekt klimafreundlichen Reisens, ein weiterer ist die Organisation am Urlaubsort. „Nachhaltiges Reisen hört für mich nicht bei der Anreise auf.“ Vielmehr schließe es etwa auch Unterkunft und Verpflegung mit ein. Und so wird in Privatquartieren genächtigt, sich im Urlaubsland vorwiegend öffentlich, mit dem Rad oder zu Fuß fortbewegt.

„Es geht dabei nicht nur um Nachhaltigkeit, sondern ich möchte eintauchen in ein Land, möglichst nah bei den Menschen sein.“ Dass dabei nicht immer alles glatt geht, gehöre dazu. „Sicher, manchmal fährt man auch ein, aber diese Hoppalas sind es, über die man später lacht.“

Diese Art des Reisens ist für den promovierten Wirtschaftswissenschaftler inzwischen zu einem weiteren beruflichen Standbein geworden. Seit mittlerweile sieben Jahren bietet er sozial-ökologische Reisen an (www.weltanschauen.at). Ziel ist es, den ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich zu halten. Angereist wird deshalb möglichst klimaschonend. Grundsätzlich gilt: Bahn vor Bus vor Flugzeug. Geschlafen und gegessen wird in lokalen Unterkünften und Restaurants, die nachhaltig wirtschaften. Die Wertschöpfung soll in der Region bleiben, das ist Mülleder ebenso wichtig wie die Begegnung mit Einheimischen, die an sozialen Brennpunkten arbeiten.

„Neben den kulturellen und touristischen Höhepunkten sollen die Reisenden auch einen Blick auf das soziale und ökologische Gefüge eines Landes werfen können“ und dann mit der Erkenntnis die Heimreise antreten, dass „eine ökologisch wertvolle Reise auch Spaß machen kann“, sagt Mülleder.

 

  • 5 % des von Menschen gemachten Klimawandels entfallen derzeit auf den Flugverkehr. Es wird geschätzt, dass die Emissionen der Luftfahrt in den kommenden 40 Jahren um das Vier- bis Sechsfache steigen werden.
  • Ein Flugzeug verursacht im Schnitt 350 Gramm CO2-Äquivalente pro Personenkilometer, Bahn und Bus 20-30 Gramm.
  • 3195 Liter Wasser benötigt ein Luxushotel auf Sansibar pro Tag und Zimmer für Swimmingpool, Bewässerung und Versorgung der Gäste. Lokalen Durchschnittshaushalten auf der Insel stehen täglich 93 Liter zur Verfügung.
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28. März 2024