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"Größte Aufgabe ist, Österreich nach vorne zu bringen"

Von Klaus Buttinger, 07. Oktober 2017, 00:05 Uhr
Bild 1 von 13
Bildergalerie Mit Markus Hengstschläger auf der Gis
Bild: Volker Weihbold

Glück und Geborgenheit stehen nicht in den Genen und machen doch den Menschen aus. Genetiker Markus Hengstschläger über Gott, Gene und die Welt.

Die Gis ist nicht nur der Hausberg der Linzer, die hier herauf in die Sonne fliehen, wenn sich wieder einmal der Nebel im Donautal festgesetzt hat. Für den renommierten Genetiker Markus Hengstschläger bedeutet der Berg ein großes Stück Erinnerung an Kindheit und Jugend. Hier bei seinen Verwandten lernte er Skifahren, kellnerte im Gasthaus und half beim Heumachen. Heute lebt der gebürtige Leondinger in Wien und forscht an der MedUni.

Interview

OÖNachrichten: Sie und Ihr Team konnten kürzlich gute Fortschritte publizieren. Worum geht es dabei?

Hengstschläger: Es geht um pluripotente Stammzellen, die man in der Therapie einsetzen will, weil sie in vielen Zellen differenzierbar sind. Wenn man zum Beispiel Beta-Inselzellen für Diabetiker braucht, damit sie wieder Insulin produzieren, oder Herzmuskelzellen nach einem Herzinfarkt …

... doch dabei kann es Probleme mit Nebenwirkungen geben, bis hin zu Tumoren …

Ja, Stammzellen, die nicht ganz ausdifferenziert sind, können viel ausbilden, leider auch einen Tumor. Wir haben uns auf die Suche gemacht, wie und warum diese Tumore gebildet werden. Dabei haben wir die Sprache der Stammzellen entdeckt und sie ganz aktuell in der Fachzeitschrift "Nature Communications" veröffentlicht. Wir konnten zeigen, dass Stammzellen Signale an den Körper schicken, um für diese Tumorbildung Zellen zu holen, die ihnen etwa die Durchblutung steuern. Wenn man diese Signale blockt, können sie diese Zellen nicht mehr rekrutieren und keinen Tumor mehr bilden.

Wann wird diese verbesserte Stammzellentherapie den Weg zum Patienten finden?

Man wird in der Stammzellentherapie viele Wege gehen müssen, und unserer könnte einer sein. Einige Kollegen haben mir gesagt, sie würden unseren Ansatz beim Einreichen für eine klinische Studie gleich mit andenken. Eben dass man diese Blocker mitgibt in der Stammzellentherapie und so die positiven Effekte der Organregeneration fördert, ohne die Nebenwirkungen. Das muss man jetzt in klinischen Studien ordentlich überprüfen; da ist man erst ganz am Anfang.

Was sagt die Bioethikkommission dazu, deren Mitglied Sie ja sind? Werden Sie da mit Ihrer eigenen Arbeit konfrontiert?

Ja, schon. Ich bin einer der Vorsitzenden der Bioethikkommission, und wir haben ein Papier erarbeitet zur Frage der Stammzellenforschung. Wir empfahlen dabei, z.B. auch an adulten Stammzellen zu forschen, also etwa Blutstammzellen, wie man sie schon seit Jahrzehnten in der Leukämie-Behandlung verwendet. Die sind, wie auch die von uns entdeckten Fruchtwasserstammzellen, ethisch unbedenklich. Natürlich ging es auch um die Frage embryonaler Stammzellen, also jene, die bei der künstlichen Befruchtung übrigbleiben. In Österreich darf man dabei nur an importierten Zellen aus dem Ausland forschen. Woran wir aber auch hauptsächlich forschen, sind induzierte pluripotente Stammzellen. Dabei stellt man etwa aus einer Hautzelle wieder eine Stammzelle her. Für diesen Prozess ist übrigens schon der Medizin-Nobelpreis vergeben worden.

Video: Unterwegs mit Markus Hengstschläger

Bemerken Sie in Ihrem Arbeitsumfeld eine neue Wissenschaftsfeindlichkeit, wie Sie etwa Donald Trump verbreitet?

Die Wissenschaft muss sich darauf zurückziehen zu sagen: Das, was wir medial vermitteln, sollte gut überprüft, recherchiert und fachpubliziert sein. Dem gegenüber stehen allerdings leider Entwicklungen, die das Internet mit Wunschdenken befüllen, das nicht auf wissenschaftlichen Kriterien beruht. Die Menschen tun sich zunehmend schwer zu unterscheiden, ob etwas stimmt oder nicht.

Ist deshalb die Wissenschaft am Zug, ihre Ergebnisse nachvollziehbarer darzustellen?

Wir müssen den Menschen ein Handwerkszeug geben, das sie verwenden können, um nachzusehen, ob etwas überprüft wurde oder nicht. Wenn wir uns die Entwicklung um den US-amerikanischen Präsidenten ansehen, muss man schon deutlich sagen: Es ist nicht alles wahr, was auf Twitter steht, selbst oder gerade wenn es von Trump kommt. Es gibt Strömungen in den USA, die die Evolutionstheorie aus den Schulbüchern streichen wollen, und es gibt Leute, die die globale Erwärmung leugnen, obwohl diese Dinge sehr klar belegt und wissenschaftlich fundiert sind. Da muss man schon aufpassen.

Zu einem anderen globalen Problem, der Migration: Sie sind im Migrationsrat des Innenministeriums und beraten den Finanzminister. Bei so viel Einblick, die zentrale Frage: Schaffen wir das?

Wir hätten es locker geschafft, hätten wir den europäischen Gedanken von Anfang an verwirklicht. Die Flüchtlingsproblematik wäre nicht derart aufgeschlagen, hätten wir sie auf ganz Europa mit fairen Schlüsseln verteilt. In Wirklichkeit ist diese ganze Diskussion auf wenige Länder in Europa, darunter Österreich, fokussiert, die dann leicht überfordert waren. Die anderen Länder haben zugesehen, was wir jetzt machen. Im Migrationsrat war klar, dass ein wichtiger Weg, diese Themen zu lösen, ist, die Menschen – sofern sie die Voraussetzungen dafür haben – so schnell wie möglich zu integrieren. Und Integration hat immer etwas zu tun mit Beruf, Bildung, mit der Frage des raschen Spracherwerbs und der Anerkennung von Ausbildungen.

Sind Sie positiv gestimmt hinsichtlich der Bewältigung dieser Aufgaben?

Ich glaube ja. Andererseits ist es falsch, Menschen, die die berechtigte Sorge hegen, dass es auch ein Zuviel an Migration geben kann, zu sagen, sie würden dadurch ethische Normen nicht einhalten. Es ist nämlich ethisch ebenso wenig vertretbar, jemandem etwas anzubieten, was man nicht halten kann. Wenn ein Land Hoffnung auslöst und die nicht einlösen kann, dann ist das sehr unfair Menschen gegenüber, die erwarten, dass das Problem im Land gelöst wird.

Mit Markus Hengstschläger auf der Gis
Bild: Volker Weihbold

 

Das Fortgehen und Ankommen hat auch immer mit Glück zu tun. War Glück auch ein Thema im Werden Ihres Erfolgs?

Ja, aber ich glaube, ein kleiner Teil. Den größten Teil schreibe ich der Umwelt zu, die ich hatte. Ich bin der Sohn eines Universitätsprofessors und der Direktorin einer Schule. Für den Weg, den ich eingeschlagen habe, gibt es keine besseren familiären Voraussetzungen, weil alles, was mit Denken, Schreiben, Reden, Konstruieren von innovativen Gedanken zusammenhing, wurde bei uns unterstützt und gefördert. Natürlich gehört auch Glück dazu, aber an was ich wirklich glaube, ist: Fleiß, Konstanz und Konsequenz. Ich arbeite wirklich gerne und viel.

In Ihrer Schulzeit kokettierten Sie mit dem Image eines Punks aus der No-Future-Generation. Wie kam es dann zum Umschwung in die Leistungsgesellschaft?

Ich habe 1986 maturiert, meine Pubertät war eine Zeit, in der ganz Linz irgendwie jugendbewegt war. Da gab es Mods, Popper, Punks, alles Mögliche. Mit dem ursprünglichen Punk, wie er in England entwickelt worden ist, hatte das gar nichts zu tun. Dort standen den Punks die Haare zu Berge, weil sie sie nicht gewaschen haben, uns, weil wir uns extra Bier über den Kopf geleert haben, damit sie stehen. Also, ich war eigentlich nie wirklich ein echter Punk. Und es war auch kein innerliches Kokettieren mit dem Gedanken des Punks bei mir, sondern mehr eine modische Identifikation. Ich bin froh, dass meine Eltern erlaubten, ein bisserl was auszuprobieren. Ein bisserl Rebellion schadet nicht.

Mit Markus Hengstschläger auf der Gis
Oben wurden sie von Wirtin Martina Hengstschläger herzlich begrüßt, der Cousine des Forschers. Bild: Volker Weihbold

 

Gibt es ein übergeordnetes Ziel, das Sie noch erreichen wollen?

Wenn man bereits viele Publikationen in internationalen Top-Journalen veröffentlicht hat und wenn man in der Uni-Karriere so weit gekommen ist, gibt es zwei Dinge, die einen weitertreiben. Das eine sind ganz konkrete biologische Fragestellungen, wo die Lösungen noch fehlen. Da geht es bei mir immer noch um die Translationen, das heißt die Grundlagenforschung für den Patienten nutzbar zu machen. Mein zweites Anliegen ist: Die Bevölkerung soll den Wert der Forschung erkennen, die Jugend, um guten Nachwuchs zu bekommen, und auch die Politik, um sie zu fördern. In einem Land, das kaum Rohstoffe hat und kein Billiglohnland ist, sind Innovationen, Forschungsideen und die Verwirklichung von neuen Konzepten unsere einzigen Ressourcen.

Sind Sie religiös?

Bin ich. Ich glaube grundsätzlich an Gott. Es ist nicht nachvollziehbar, zu argumentieren, dass ein Naturwissenschafter nicht an etwas glauben kann, das sich nicht beweisen lässt. Wenn meine Frau, die auch Biologin ist, sagt, sie liebt mich, kann ich auch nicht nach Beweisen fragen. Wir sind seit 25 Jahren zusammen, und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir uns das nicht mehr beweisen müssen.

Quasi der Hengstschlägerische Gottesbeweis?

Wir lassen den ganzen Tag Dinge Teil unseres Lebens werden, wichtige Dinge, die wir nicht beweisen können. So gehe ich auch mit dieser Frage um.

Sie haben Kinder?

Eine Tochter mit 21 Jahren und einen Sohn mit 18.

Und einen Hund, keinen kleinen, wie man hört …

Einen richtig großen Hund, einen Broholmer (dänische Rasse, bis zu 70 kg, Anm.).

Wenn die Familie Hengstschläger in Oberösterreich ist, findet man sie auf der Gis?

Im Sommer zieht es uns eher an den Attersee. Segeln, Schwammerl – also eher essen als suchen – und Freunde besuchen. Es zieht uns aber nach wie vor öfter ins Mühlviertel, spazieren gehen, Verwandte treffen.

Sie sind wissenschaftlicher Leiter des VP-Thinktanks Academia superior. Wenn man so ins Land hineinschaut, auf die Donau, auf Linz und die Vöest, wo sehen Sie unser Land in der Zukunft?

Oberösterreich steht bei vielen Parametern gut da, bei einigen gibt es Bedarf, nachzujustieren. Aus Sicht der Academia superior, wo wir übrigens einen Beirat mit Nobelpreisträgern und vielen verschiedenen Gesinnungen haben, und aus meiner Funktion als einer der Vorsitzenden des Rats für Forschung und Technologieentwicklung, muss ich sagen: Österreich ist ein Innovation-Follower-Land und kein Innovation-Leader-Land. Die größte Aufgabe, die wir zu lösen haben, ist, Österreich in Sachen Innovationen noch ein ordentliches Stück nach vorne zu bringen, weil es das Einzige ist, was uns für die Zukunft rüsten kann.

Der Genetiker: Markus Hengstschläger ist in Leonding aufgewachsen. Wochenenden und Ferien verbrachte er oft auf der Gis bei seinen Verwandten. Er studierte in Rekordzeit Genetik. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Yale University (USA) wurde er bereits mit 29 Jahren Universitätsprofessor an der Medizinischen Universität Wien. Heute ist er dort Vorstand des Instituts für Medizinische Genetik und Organisationseinheitsleiter des Zentrums für Pathobiochemie und Genetik.

Zur Person

Markus Hengstschläger

Der Genetiker: Markus Hengstschläger ist in Leonding aufgewachsen. Wochenenden und Ferien verbrachte er oft auf der Gis bei seinen Verwandten. Er studierte in Rekordzeit Genetik. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Yale University (USA) wurde er bereits mit 29 Jahren Universitätsprofessor an der Medizinischen Universität Wien. Heute ist er dort Vorstand des Instituts für Medizinische Genetik und Organisationseinheitsleiter des Zentrums für Pathobiochemie und Genetik.

Die Route

Die Route

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Kurzbeschreibung: Es ist eine sehr leichte Wanderung auf die Gis, fast schon ein Spaziergang. Wenn man so viel tratscht wie die beiden Schlenderer in dieser Geschichte, dauert es so gut eineinhalb Stunden, bis der Gipfel erreicht ist. Zum Vergleich: Top-Läufer oder Mountainbiker packen die Gis in einer halben Stunde. Ist man beim Gasthaus, geht es noch einmal (gemütliche) zehn Minuten zur Giselawarte.

Einkehren: Nicht wenige unter den Top-Auskennern in der Kulinarik bescheinigen dem Gasthaus zur Gis die Herstellung des besten Schweinsbratens des Universums. Wirtin Martina Hengstschläger bereitet ihn in einem traditionellen Holzofen zu. Außerdem kann mit Fug und Recht behauptet werden: Der Topfenstrudel ist eine Sensation. Leider ist Mittwoch und Donnerstag Ruhetag. Nähere Infos: www.gisaustria.com

Anschauen: 1856 wurde mit dem Bau der Giselawarte begonnen. Schon ein Jahr später lud man zur feierlichen Eröffnung. Die Fertigstellung soll am Tag der Geburt der Prinzessin Gisela, einer Tochter Kaiser Franz Josephs, erfolgt sein, und zu Ehren dieses „Kaisersprösslings“ hat die Warte ihren Namen. Sie wurde mehrmals aufgestockt, um die Sicht über die Bäume zu ermöglichen. 18 Meter hoch ist sie derzeit.

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4  Kommentare
4  Kommentare
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decordoba (3.803 Kommentare)
am 07.10.2017 11:30

Österreich nach vorne zu bringen:

Das machen nicht die Professoren und die Beamten. Das machen die Unternehmer mit guten Geschäftsideen, die dort tätigen Kaufleute, die Techniker und das Produktionspersonal. Wenn diese Leute gut zusammenarbeiten, werden sie was weiter_bringen und erfolgreich sein.

Der Einfluss der Lehrer ist auch gegeben, aber das erfolgt mit Verzögerung, wenn die Schüler und Studenten in den Beruf eintreten, aber auch nicht als Anfänger.

Der Einfluss der Politiker wird überbewertet. Sie stellen die Rahmenbedingungen her, dass die oben erwähnten Berufsgruppen gut arbeiten können.

Wenn jetzt ein hoher Politiker sagt, er hätte das gemacht, dann überschätzt er sich. Die Rahmenbedingungen wurden bis zu 5 Jahren vorher festgelegt.

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Gugelbua (31.811 Kommentare)
am 07.10.2017 11:12

dies läßt sich doch immer angehen zwinkern
doch warum erst heute? dazu hat hatte man ja immer Gelegenheit ! grinsen

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( Kommentare)
am 07.10.2017 07:58

Es gibt 3 schöne ÖAV - Wanderwege von der Stadt Linz auf die GIS.
Weg 140 von der Strassenbahn Grünbergschleife.
Weg 109 von Gasthaus Lehner im Bachl.
Der Weg 144 führt von der Weggabelung am Bachlberg über Dießenleiten und den Schmidgraben auf die GIS.

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il-capone (10.341 Kommentare)
am 07.10.2017 07:56

Immerhin, die Zukunft wählt nicht FP ...

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