Und bald pfeift der Wasserdampf

Von Carsten Hebestreit   18.November 2017

Den Startknopf drücken und die Lichtspiele am Cockpitdisplay beginnen. Und dann herrscht erst einmal Stille. Wie bei einem Elektro-Auto, nur dass ich in einem Brennstoffzellen-Fahrzeug Platz genommen habe – im Honda Clarity Fuel Cell.

"Den Wagen gibt’s nur in den USA und Japan", erzählt Honda Österreich-Chef Roland Berger in Sooß, südlich von Wien. "Und dort auch nur als Leasing-Fahrzeug." Wohlfeile 58.000 Dollar müssen US-Amerikaner einmalig hinblättern. Und 369 Dollar monatlich. Nach drei Jahren kassiert Honda den Clarity wieder ein. "Wir schauen dann nach, was sich in der Brennstoffzelle, was sich mit dem Auto getan hat." 500 Stück düsen durch die Staaten, 200 durch Japan. Und zehn Exemplare durch Dänemark, dem EU-Testmarkt. Sofern nicht ein Teil der Flotte durch die EU tingelt – wie diese Woche in Sooß.

Und bald pfeift der Wasserdampf
80 Prozent der verbauten Stoffe sind recycelt.

cw-Wert über alles

Irgendwie erlitt der Clarity das Toyota-Prius-Schicksal: Die Aerodynamik bestimmt die Form, ein niedriger cw-Wert ist das Maß aller Dinge. Und trotzdem: Draußen lässt sich getrost über das Design diskutieren, drinnen kreierten die Japaner einen feinen, edlen Innenraum mit qualitativen Leder- und Holzimitaten. Zum Zungeschnalzen! Wobei 80 Prozent recyceltes Material verbaut wurde.

Der Clarity fährt lautlos weg – wie ein E-Auto. Nur das Abrollgeräusch der Reifen ist hörbar, sonst nichts.

Kein Laut

Der Wind pfeift lautlos vorbei – und der Wasserdampf akustisch deutlich wahrnehmbar durch den Auspuff. Letzteres bei einem Kick-down oder höherem Tempo. "Wir mussten den Clarity extrem dämmen", sagt Roland Berger. Die Frontscheibe ist aus diesem Grund fast so dick wie Panzerglas. "So etwas haben wir noch nie verbaut."

Das Brennstoffzellen-Auto zieht im Sport-Modus kräftig an, aber nicht so extrem wie die Kollegen von der Elektro-Fraktion. Ansonsten fährt sich der Clarity Fuel Cell "wie ein normales Auto".

Und bald pfeift der Wasserdampf
Fünf Kilogramm Wasserstoff passen in die 141-Liter-Tanks. Die Befüllung dauert nur ein paar Minuten, die offizielle Reichweite liegt bei 650 Kilometern.

Zapfhahn verriegeln – fertig

Tanken ist einfach: Schutzkappe abziehen, Zapfhahn draufstecken und verriegeln. Den Rest (Datenaustausch) checkt die Säule mit dem Auto ab. Für knapp mehr als 100 Kilometer Landstraße habe ich knapp mehr als ein Kilogramm Wasserstoff verbraucht. Preis: 9 Euro.

"Die Fabrik südlich von Chicago wird Mitte 2020 fertig, dann werden die Claritys in Serie gebaut", sagt Roland Berger über die Kooperation mit GM. Derzeit verlassen 20 Exemplare pro Monat die Fertigung – alles per Hand zusammengesetzt.

Und wann ist Österreich-Start? "Frühestens 2021."

Video: Mehr über den Honda Clarity

Honda Clarity Fuel Cell

Der Honda Clarity Fuel Cell ist 4,91 Meter lang und etwa 1900 Kilogramm schwer – um 275 Kilogramm mehr als der Vorgänger. 220 Kilogramm wiegt die Antriebseinheit – so viel, wie ein vergleichbarer Verbrenner.
Im Dauerbetrieb leistet der Antrieb 136 PS, im Sport-Modus 176 PS. Dann beschleunigt der Clarity in 9,0 Sekunden von 0 auf Tempo 100.

Die beiden Gastanks (24 und 117 Liter) nehmen fünf Kilogramm Wasserstoff auf. Und dies bei 700 Bar.
Damit die Temperatur in den Tanks nicht über 85 Grad steigt, wird der Wasserstoff beim Tanken auf minus 40 Grad abgekühlt. Die Tankwände bestehen aus zwölf Millimeter dickem Alublech plus einige Schichten Kohlefaser und sind auf 11.000 Tankzyklen ausgelegt.

Der Betankungsprozess ist rasch abgeschlossen. Ein Kilogramm Wasserstoff war nach 30 Sekunden im Tank, der Vorgang selbst dauerte keine zwei Minuten.

Fünf Kilogramm reichen laut Werk für 650 Kilometer. Realistisch seien 500 Kilometer, sagt ein Honda-Sprecher. „Natürlich je nach Fahrweise.“ Die Reichweitenschwankungen durch unterschiedliche Fahrweisen seien aber nicht so groß wie bei Verbrennern.