Regulieren ist besser als Blockieren: Das ABS im Automobil wird 40

Von Clemens Schuhmann   01.September 2018

Mit dem Prinzip der "Stotterbremse" für das Automobil haben sich Ingenieure im 20. Jahrhundert lange und intensiv beschäftigt. Der deutsche Zulieferer Bosch hatte bereits 1936 ein Patent für eine "Vorrichtung zum Verhüten des Festbremsens der Räder" angemeldet.

Das Ziel dabei war, dass der Fahrer selbst bei einer Vollbremsung die totale Lenkkontrolle über das Auto behält, indem die Räder nicht blockieren.

Genau das ermöglicht das Anti-Blockier-System (ABS), das der Premium-Autohersteller Mercedes-Benz sowie der Entwicklungspartner Bosch vor 40 Jahren gemeinsam im Daimler-Benz-Werk in Stuttgart-Untertürkheim als Weltneuheit präsentierten.

Anfangs ein teures Extra

Bereits Ende des Jahres 1978 feierte das Bremssystem in der Mercedes-Benz-S-Klasse (Baureihe 116) als Sonderausstattung Premiere – zum Aufpreis von 2217,60 D-Mark. Das war damals richtig viel Geld.

Der Siegeszug dieses innovativen Systems ließ sich dadurch aber nicht aufhalten. Im Gegenteil: Bereits zwei Jahre später war das Anti-Blockier-System in sämtlichen Pkw von Mercedes-Benz gegen Aufpreis verfügbar.

Im Ford Scorpio erstmals Serie

Und der Ford Scorpio, der im Jahr 1985 den Ford Granada ablöste, war das erste Großserienauto, in dem das ABS serienmäßig an Bord war. Andere Hersteller zogen sukzessive nach – und seit 2004 ist ABS in allen Neuwagen in der EU Standard.

Die technische Entwicklung seit der Weltpremiere 1978 war enorm: Vor 40 Jahren bestand das ABS aus etwa 140 Teilen und wog 6,9 Kilogramm. Heute ist das System klein wie eine Bierkapsel.

Das ABS hat allerdings nicht nur dazu beigetragen, das Autofahren sicherer zu machen und die Unfall- und Opferzahlen zu verringern.

Keimzelle der Auto-Sicherheit

Es ist auch eines der frühesten Fahrer-Assistenzsysteme – und ist somit die Keimzelle der heutigen Sicherheitssysteme. Das "Elektronische Stabilitätsprogramm" (ESP) wäre ohne das ABS ebenso wenig denkbar wie der Abstandsregel-Tempomat, die Antriebs-Schlupf-Regelung (ASR), die aktive Spurhaltung, der aktive Notbremsassistent oder die Berganfahrhilfe.

"Das Anti-Blockier-System ist ein Meilenstein in der Automobiltechnik", sagt daher auch Max Lang, der Cheftechniker des Autofahrerklubs ÖAMTC, im OÖN-Gespräch. "Denn es hat bei der aktiven Sicherheit einiges initiiert." Es habe die Stabilität des Fahrzeuges erhöht – "und es war hilfreich, um kritische Situationen zu vermeiden", betont Lang.

Eine Sensation war das Anti-Blockier-System auch deshalb, weil mit ihm die Digitaltechnik Einzug in das Automobil hielt. Dadurch wurde die Rolle des Fahrzeuges neu definiert.

 

Wie funktioniert das Anti-Blockier-System (ABS)?

Das Anti-Blockier-System (ABS) überwacht die Drehzahländerung des einzelnen Rades beim Bremsvorgang. Fällt die Drehzahl zu schnell ab (etwa beim Bremsen auf glattem Untergrund) und das Rad droht zu blockieren, dann löst eine elektronische Steuereinheit in Sekundenbruchteilen und hoher Frequenz die Bremse und zieht sie wieder an.

Wie funktioniert das Anti-Blockier-System (ABS)?
Das Fahrzeug mit ABS (oben) bleibt beim Bremsen beherrschbar.

Das Fahrzeug mit ABS (oben) bleibt beim Bremsen beherrschbar.

 

Hindernissen ausweichen: Dadurch wird die Phase des Rutschens auf der Fahrbahn verkürzt. Und das Fahrzeug bleibt trotz (Voll-)Bremsung lenkbar – und somit kann der Fahrer auch einem Hindernis ausweichen. Das Fahrzeug bringt dank ABS selbst bei Nässe, Eisglätte oder Schnee die größte physikalisch mögliche Bremskraft auf den Untergrund, bleibt steuerbar – und die Räder blockieren nicht.

Ein rutschendes Fahrzeug ist nicht mehr beherrschbar, der Bremsweg wächst – und es lässt sich nicht sagen, wohin der Bremsweg überhaupt führt. In so einer Situation wird der Fahrer zum Passagier.