"Die Jungen legen mehr Wert auf die Nutzung als auf den Besitz eines Autos"

Von Carsten Hebestreit   05.Jänner 2019

Zum Jahreswechsel übernahm Harald Großauer das Zepter des OÖAMTC. Welche Schwerpunkte der 45-Jährige setzen wird, darüber sprach der gelernte Elektrotechniker mit der OÖN-Motorredaktion.

 

OÖN: Waren Sie schon einmal auf die Hilfe eines Gelben Engels angewiesen?

Großauer: Ja (lacht)! Meine Frau hat kürzlich zu Mittag unsere Zwillinge vom Kindergarten abgeholt. Sie schnappte die Kinder, schnallte sie an, und prompt sprang das Auto nicht mehr an. Weil ich nicht erreichbar war, hat meine Frau richtigerweise den ÖAMTC-Notruf 120 gewählt. Der Techniker hat festgestellt, dass der Starter defekt ist. Also blieb nur Abschleppen. Und das zur Mittagszeit, als der Kindergarten schloss. Die Buben und Mädchen sind auf dem Zaun gehängt und haben das Spektakel höchst interessiert mitverfolgt. Danach haben einige Kinder entschieden, auch ÖAMTC-Techniker zu werden. Ein aufregender Tag!

Apropos Panneneinsatz: Die Hauptaufgabe des ÖAMTC ist, die Mobilität seiner Mitglieder aufrechtzuerhalten. Wird sich daran etwas ändern?

Grundsätzlich nicht! Die Mobilität befindet sich in einem starken Wandel. Wo wir früher nur Benziner und Diesel hatten, haben wir jetzt schon Mild Hybrid, Hybrid, Plug-in-Hybrid, E-Autos, Wasserstoff-Fahrzeuge und Erdgas-Autos. Neben dem Antrieb ändert sich auch das Nutzungsverhalten der Menschen. Die Jungen legen mehr Wert auf die Nutzung als auf den Besitz. Das heißt, künftig werden weniger Leute ein Auto kaufen, sondern eher leihen. Außerdem ändert sich mit dem autonomen Fahren ebenfalls das Nutzungsverhalten. Der Wagen bringt einen Passagier von A nach B, dort muss kein Parkplatz mehr gesucht werden, weil das Auto selbstständig zu einem anderen Einsatzort fährt.

Habe ich heute eine Autopanne, rufe ich automatisch den ÖAMTC. E-Autos sind aber weniger anfällig als Verbrenner-Modelle. Die Konsequenzen für den ÖAMTC?

Auch bei einem E-Fahrzeug gibt’s ein Fahrgestell und reichlich Technik. Wir glauben nicht, dass künftige Autos pannenfrei fahren. Interessant wird freilich die Prognostizierbarkeit der Pannen sein – Stichwort: "Connected Car". Die Fahrzeugdaten werden ja jetzt schon gesammelt, künftig kommen die Daten aus den Vernetzungen zwischen den Fahrzeugen hinzu. Daraus lässt sich einiges ablesen und analysieren, lassen sich Ferndiagnosen stellen. Wir werden dann anhand dieser Prognosen warnen, bevor etwas passiert. Und auch die Panne rascher abwickeln können, wenn man schon in der Zentrale sagen kann, was beim Auto defekt ist. Jetzt muss ein Techniker hinfahren und vor Ort nachschauen.

Die Fahrzeugdaten lassen sich ja jetzt schon via OBD-Schnittstelle auslesen. Künftig wird dies via SIM-Karte über den Äther funktionieren. Wird der ÖAMTC da auch Zugänge zu den Fahrzeugdaten haben?

Derzeit muss jeder Autokäufer unterschreiben, dass die gesammelten Fahrzeug- und Fahrdaten an den Hersteller übermittelt werden. Wir sind aber der Auffassung, dass diese Daten dem Autokäufer gehören und er bestimmen kann, was er damit macht. Ob ein Nutzer uns, dem ÖAMTC, einen Zugang gibt, soll er aus freien Stücken entscheiden können.

Der ÖAMTC hat ja reichlich Rückmeldungen seiner Mitglieder und weiß daher um die Nöte der Autofahrer. Wie zum Beispiel den Stau in Linz. Bisher ist der Club aber immer vergleichsweise defensiv mit diesem Wissen umgegangen. Müsste der ÖAMTC als Interessenvertretung nicht öfters lauter werden?

Der ÖAMTC ist im Vorjahr schon lauter geworden. Wir haben zwei Mal ein "auto touring"-Extra in Oberösterreich zum Thema "Verkehr in und um Linz" herausgebracht. Wir arbeiten auch aktiv an Lösungsfindungsprozessen mit, weil wir sagen, dass ausschließliches Kritisieren zu wenig ist. Uns geht’s um eine Entschärfung der Problematik.

Welche Lösungsvorschläge hätten Sie denn für das staugeplagte Linz?

Alle baulichen Lösungen dauern noch sehr lange bis zur Fertigstellung. In Linz geht’s um kurzfristigere Maßnahmen – wie zum Beispiel den Besetzungsgrad in Autos zu erhöhen. Dieser liegt aktuell bei 1,15 pro Auto. Würde dieser beispielsweise auf 1,5 erhöht, wäre ein Teil des Stauproblems gelöst.

In der Ära Ihres Vorgängers hat sich die Mitgliederzahl des ÖAMTC von 100.000 auf 350.000 erhöht. Lässt sich diese Quote noch weiter steigern?

Wir möchten weiter wachsen – auf dem Niveau der Vorjahre. Wie? Das ist Knochenarbeit. Das passiert nicht von selbst, da müssen wir viel Arbeit investieren. Wir haben das Glück, dass fast allen, die eine Panne hatten oder die den Schutzbrief in Anspruch nehmen mussten, geholfen werden konnte. Das ergibt gute Rückmeldungen. Motto: Beim ÖAMTC kann man sich darauf verlassen, dass einem geholfen wird.

Wo werden Sie Ihre Schwerpunkte beim ÖAMTC setzen?

Wir werden uns im ÖAMTC im nächsten halben Jahr bundesweit einem Strategieprozess stellen. Die zentrale Frage ist: Wie wird sich der ÖAMTC im Hinblick auf das Jahr 2030 ausrichten? Da wird alles angesprochen: E-Mobilität, autonomes Fahren, Vernetzung etc. Der ÖAMTC hat sich schon in der Vergangenheit immer gewandelt, nur so können wir unseren Mitgliedern volle Unterstützung garantieren.

 

Lebenslauf

In Gmunden besuchte Harald Großauer die Berufsschule für Elektrotechnik (1988– 1992), um ab 1998 Wirtschaftswissen an der Uni Linz zu studieren. Hauptberuflich war der heute 45-Jährige als Elektrotechniker in der Energie AG engagiert, ehe der Familienvater Geschäftsführer der AVE zuerst in Rotthalmünster (ab 2007) und dann in Prag (ab 2012) wurde. 2013 kehrte der Dietacher nach Oberösterreich zurück und wurde Abteilungsleiter in der Energie AG (Customer Service GmbH). Seit 1. 1. 2019 ist er ÖAMTC-Landesdirektor.