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Urs Meier: „Sie müssen pfeifen, bevor es das Publikum tut“

LINZ. Ex-Schiedrichter Urs Meier hat in fast 900 Profi-Fußballspielen gezeigt, wie er in Bruchteilen einer Sekunde eine Entscheidungen fällt – heute legt er sein Wissen auf das moderne Management um.

Urs Meier referierte für die OÖN-Wirtschaftsakademie am Dienstagabend im Linzer Lentos. Bild: OÖN/Prinz

Es ist die Fußball-Europameisterschaft 2004. England gegen Portugal. Es steht 1:1 in der 90. Minute. Die Stimmung ist geladen, es geht um den Einzug ins Halbfinale. Die Situation wird noch einmal gefährlich. David Beckham schießt einen Freistoß. Gerangel vor dem Tor, Ball an die Latte, dann plötzlich Ball im Tor. Stellen Sie sich vor: Sie sind der Schiedrichter, haben bereits zwölf Kilometer in den Beinen und einen Puls von 160. War es ein Tor?

„Bei so einer Entscheidung darf man keine Sekunde zögern. Sonst wirkt man unsicher“, sagte Urs Meier diesen Dienstag bei der OÖN-Wirtschaftsakademie im Linzer Lentos. Er hat damals das Spiel als Unparteiischer gepfiffen. „Sie müssen zuerst pfeifen, sonst pfeift das Publikum“, sagte er. Auch als Führungskraft müsse man Entscheidungen schnell treffen, sonst riskiert man, Mitarbeiter oder Kunden gegen sich zu haben.

Keine „70-Prozent-Elfmeter“

Bei solchen Entscheidungen gebe es nur null oder 100 Prozent. „Es gibt keine 50-Prozent-Tore oder 70-Prozent-Elfmeter“, erklärte er. Er hat damals das Tor nicht anerkannt und sofort weiterspielen lassen. „Bei Entscheidungen muss man manchmal Risiken eingehen. Es gibt kein Fangnetz. Und man muss damit leben können“, sagte er. Was er heute zugibt: „Ich habe damals gar nicht sehen können, ob es ein Foul war oder nicht. Das hat man erst in der Videoanalyse danach gesehen.“ Geholfen haben ihm seine jahrelange Erfahrung und sein Bauchgefühl.

Im Management sei Intuition ebenso wichtig. „Wir versuchen meist, mit unserem Verstand alles zu durchleuchten. Mein Verstand hätte damals erstens nicht so schnell reagiert, und zweitens hätte er mir gesagt: Du hast das nicht sehen können, das war ein reguläres Tor“, erzählte Meier, der selbst eine Firma führt. Er haben hingegen seinem Bauchgefühl vertraut.

Wesentlich sei für ihn auf dem Spielfeld immer gewesen, ein gutes Team zu haben. „Wenn ich und meine Assistenten nicht die gleichen Entscheidungen fällen, haben wir ein Problem mit den Spielern. In einer Firma hätte man ein Problem mit dem Kunden“, sagte Meier. Ein Chef müsse in seinen Entscheidungen berechenbar sein. „Die Mitarbeiter müssen wissen, woran sie sind.“ Zudem müssen Entscheidungen durchgesetzt werden, „sonst sind sie nichts wert“.

Ein guter Schiedsrichter sei eher ein Spielleiter. „Er pfeift nicht nur – das kann jeder. Er leitet das Spiel, schaut auf die Spieler. Dasselbe gilt für Manager. Die müssen auch auf ihre Mitarbeiter schauen“, sagte er.

Beim Fußball seien aber nicht nur die Schiedsrichter-Entscheidungen wichtig. „Es ist auch wesentlich, welcher Schiedsrichter welches Spiel pfeift. Genauso, wie es zum Beispiel wichtig ist, welcher Vertriebsmitarbeiter zu welchem Kunden geschickt wird“, nimmt Meier auch das Top-Management in die Pflicht.

Führungskräfte können sich für ihre Entscheidungen oft Zeit nehmen und in Ruhe darüber nachdenken. „Ein Schiedsrichter hat keine Ruhe, der rennt“, sagte Meier. Während eines Spiels trifft er zwischen 120 und 150 sichtbare Entscheidungen – mit dem Pfiff als Zeichen. Dazu kommen die unsichtbaren, jene Situationen, in denen er beschließt, eben nicht zu pfeifen. „In Summe kommt man in 94 Minuten Spielzeit auf 52,4 Minuten Nettospielzeit und 250 bis 300 Entscheidungen. Das sind fünf bis sechs Entscheidungen pro Minute“, sagte Meier.

Nach einem Entscheid ist dann aber nicht Feierabend. Es folgen sofort kleine Entscheidungen danach. Und man müsse mit den Entscheidungen leben. „Natürlich machen wir Fehler. Aber wenn ich die eine Fehlentscheidungen später mit einem Kompensationsentscheid entschuldigen möchte, habe ich einen zweiten Fehler gemacht.“

Wirtschaftsakademie

Die „OÖN-Wirtschaftsakademie und Führungsimpulse 2012“ ist eine Vortragsreihe der OÖN und Speakers Excellence mit dem Ziel, Unternehmern, Führungskräften und Top-Mitarbeitern neue Impulse und Ideen für ihre Arbeit zu geben. Der nächste Termin ist am 16. Oktober mit der deutschen Star-Referentin Sabine Hübner zum Thema „Servicekultur schafft Wert“.

Infos: www.nachrichten.at/wirtschaftsakademie
 

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Artikel Elisabeth Eidenberger 22. September 2012 - 00:04 Uhr
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