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"Je verschiedener wir sind, desto besser ist es"

LINZ. Genetiker Markus Hengstschläger über den Mut, Talente zu erkennen und Kinder an sich arbeiten zu lassen.

Bild: cityfoto.at/Kunasz

Alle 24 Stunden verdoppelt sich das Wissen auf der Erde – das allein macht deutlich, dass man die Zukunft einfach nicht vorhersagen kann. Sich auf die Zukunft vorzubereiten, ist daher eine durchaus schwierige Aufgabe, für jeden Einzelnen ebenso wie für ein ganzes Land. "Österreich ist weder ein Billiglohnland, noch haben wir Öl. Aber: Wir haben uns", sagt Markus Hengstschläger. "Wir sind im Vergleich zu Nationen wie China nicht viele, daher müssen wir qualitativ gut sein." Überraschte Gesichter, zustimmendes Nicken und Beifall – das erntete der Genetiker bei seinem Vortrag über "Gene, Talente, Chancen" am Dienstagabend bei der OÖN-Wirtschaftsakademie im Brucknerhaus.

Zwei Dinge würden uns daher auf dem Weg in die Zukunft am besten helfen: Individualität und Flexibilität der Menschen. "Das sind die höchsten Güter als Antwort auf jene Fragen, die wir uns erst in der Zukunft stellen werden", sagt der Genetiker. Schon in der Biologie und in der Evolution würde man sehen: Diejenigen, die sich am besten anpassen können, denen die Veränderung vielleicht gar nichts ausmacht oder die sogar von dem neuen Umstand profitieren, sind genau die, die Erfolg haben werden. "Je verschiedener wir sind, desto eher ist einer dabei, der die Antwort auf eine Frage hat, die wir noch gar nicht kennen", machte er deutlich. Schließlich würden sich die Rahmenbedingungen ständig ändern.

Individualität geht verloren

Im Moment seien unsere Gesellschaft und unser Bildungssystem aber nicht auf die Förderung der Individualität ausgelegt. "Wenn Ihr Kind im Zeugnis ein Sehr gut hat und fünf Nicht genügend, ist die Botschaft meist: Tu nichts mehr in dem einen Fach, da bist du eh schon durch, sondern konzentrier dich auf die fünf Fächer, in denen du schlecht bist", zeigte Hengstschläger auf. Mit der Folge, dass es gerade jenes Fach, in dem sich das Kind offenbar leicht tut, vielleicht ein Talent hat, schleifen lässt. In den anderen holt es auf. Was herauskommt, ist in allen Fächern Durchschnitt.

Mit diesem Zugang mache man alle Kinder möglichst gleich. Individualität rückt in den Hintergrund. Schließlich sei das ein übliches Szenario: Wenn ein Kind einen Vierer von der Schularbeit nach Hause bringt, laute die erste Frage der Eltern meist so: "Und was haben die anderen?" Die eigene Leistung zählt also nur im Vergleich zum Rest der Schüler. "In Österreich ist es derzeit leichter, mit allen gemeinsam falsch zu liegen, als alleine richtig", sagte Hengstschläger provokant.

Er plädiert daher für den Mut, Kinder ihre Talente entdecken und daran arbeiten zu lassen. Welche Leistungsvoraussetzungen ein Mensch habe, sei in seiner Genetik festgeschrieben. Ein Fußballspieler wie Lionel Messi hat Talent fürs Fußballspielen, er hat Ballgefühl. Warum das so ist? "Entweder man hat’s, oder man hat’s nicht", sagte der gebürtige Linzer. Aber: "Die Gene schreiben uns nichts vor. Unsere Gene sind Bleistift und Papier. Die Geschichte müssen wir selbst schreiben", sagte er. Das bedeute: Etwas zu üben führe nicht bei jedem zum gleichen Ergebnis. Aber: Ohne Üben wird auch aus dem größten Talent nichts.

Ohne Üben geht es nicht

Hengstschlägers Rezept, wie Österreich sich für die Zukunft bestmöglich rüsten kann, besteht daher aus drei Komponenten: Erstens brauche es eine gute Durchmischung verschiedener Personen mit unterschiedlichen Talenten und Fähigkeiten (Migration sei übrigens ein Teil dieser Durchmischung, auf die wir nicht verzichten sollten). Zweitens müsse man hart arbeiten, um aus den Talenten auch etwas zu machen. Und drittens soll man vor allem dort üben, wo man auch wirklich Talent hat.

Nicht aus allen Talenten wird etwas Großes. Jede Investition in diese Unbekannte ist ein Risiko. Dafür braucht es Mut. Und diesen Mut wünscht Hengstschläger Österreich für die Zukunft.


Wirtschaftsakademie

Die weiteren Termine der Vortragsreihe im Linzer Brucknerhaus im Herbst:

  • 15. September: Georg Fraberger „Motivation – was bewegt den Mensch?“
  • 13. Oktober: Ingeborg Rauchberger „Schlagfertig war gestern! Verhandlungen effizient führen“
  • 17. November: Harald Gutschi „Wie E-Commerce den Handel verändert“
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Artikel Elisabeth Eidenberger 16. Mai 2015 - 00:04 Uhr
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