"Die Balance ist verloren gegangen – zu Lasten der Mieter"
LINZ. Mietervereinigungs-Chefin Sonja Toifl-Campregher im Abschiedsinterview.
35 Jahre stand Sonja Toifl-Campregher als Geschäftsführerin an der Spitze der Mietervereinigung Oberösterreich. Nun geht die Juristin in Pension, im OÖNachrichten-Interview spricht sie über Mieterschutz per Post, die Wohnungspolitik und darüber, was sich für die Mieter in Österreich änderte.
OÖN: Sie wurden im Oktober 1983 im Alter von 24 Jahren Geschäftsführerin der Mietervereinigung – "Landessekretärin", wie das einst genannt wurde. Wie lief die Arbeit damals ab?
Sonja Toifl-Campregher: Ich habe ohne Einschulungsphase von meinem Vorgänger übernommen. Wir waren ein sehr kleines Team, das rund 2000 Mitglieder betreut hat. Manchmal kam es vor, dass ratsuchende Mieter ins Büro kamen und nicht glaubten, dass ich die Mietervereinigung nun leite. Sie fragten: "Fräulein, wo ist der Herr Doktor?" Es gab kein Fax, keine E-Mails, kein Mobiltelefon. Die Korrespondenz per Post ging langsam hin und her. Lange Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu Verhandlungen und Terminen nach Bad Ischl oder Aigen-Schlägl sind mir gut in Erinnerung. Diese Zeit war weniger hektisch als heute.
Welcher Fall war der Höhepunkt Ihrer Karriere?
Es war unser Aufruf über die Medien an alle Mieter gemeinnütziger Bauvereinigungen im Jänner 1991. Wir forderten sie auf, bis spätestens 1. März 1991 einen Antrag auf Rückzahlung zu viel verrechneter Mieten zu stellen, weil es im konkreten Fall diese Möglichkeit aufgrund einer Gesetzesänderung ab 1. März nicht mehr gab. Dem Aufruf sind damals allein in Linz rund 5000 Mieter gefolgt. Ein Muster-Antrag wurde in allen Büchereien der Stadt aufgelegt. Letztlich gab es umgerechnet Rückzahlungen an die Mieter im zweistelligen Millionenbereich – pro Mieter 1500 bis 2000 Euro.
Haben sich die Probleme und Anliegen der Mieter verändert?
Meines Erachtens sind sie immer sehr ähnlich gewesen: beispielsweise zu hohe Mieten, unkorrekte Betriebskostenabrechnungen, nicht behobene Mängel. Natürlich erreichen uns nur die Probleme, die nicht einvernehmlich gelöst werden können. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es sehr viele gut funktionierende Mietverhältnisse gibt.
Welche gesetzlichen Verschlechterungen und Verbesserungen gab es für Mieter aus Ihrer Sicht?
Die Balance ist verloren gegangen – zu Lasten der Mieter. Beispiele sind die Ausweitung der Befristungsmöglichkeit von Mietverträgen, die Abschaffung des Kündigungsschutzes in Häusern mit ein bis zwei Wohnungen, der Wegfall des Hausbesorgers, die Abschaffung des Preisschutzes für Wohnungen in Dachbodenausbauten und Zubauten sowie der Wegfall der Zweckwidmung bei der Wohnbauforderung. Positiv waren etwa die Regelung der Erhaltungspflicht für Warmwasserboiler und Gasthermen und die Reduktion der Maklergebühren auf maximal zwei Monatsmieten. Vor allem in der Zeit der ersten schwarz-blauen Regierung gab es viele Verschlechterungen.
Manche Vermieter kritisieren, dass auch schwarze Schafe unter den Mietern wie etwa "Mietnomaden" geschützt werden und man als Eigentümer oft große Probleme dadurch hat.
In meiner 35-jährigen Tätigkeit hatte ich es nie mit Mietnomaden zu tun. Natürlich kommt es vor, dass sich Mieter eine Wohnung plötzlich nicht mehr leisten können. In diesen Fällen versuchen wir, einen Wohnungsverlust zu verhindern und durch Ratenzahlungsvereinbarungen oder Stundungen zu vermitteln. Dass in einigen Fällen auf Vermieterseite ein Mietausfall zu verzeichnen ist, möchte ich nicht bestreiten. Ich sehe es jedoch als sozialen Auftrag an unsere Gesellschaft, Wohnungslosigkeit unter allen Umständen zu verhindern, daher finde ich diese Kritik nicht berechtigt.
Was werden Sie nun in der Pension machen?
Ich werde meine Zeit selbstbestimmt für Reisen, Lesen, sportliche Betätigungen und meine Familie nützen können.
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