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Frauen über Politik, Gesundheit, Liebe und die Generation Corona

08.März 2021

Ex-Politikerinnen im Gespräch anlässlich des Frauentags: „Frauen von heute sind weniger kämpferisch“

Frauen werden heute nicht mehr so offen wie noch vor einigen Jahren schlechter gestellt als Männer. Die Diskriminierung erfolgt subtiler und stark über die finanzielle Situation, war sich die Polit-Runde beim OÖN-Frauentag einig. Frauen von heute seien deshalb angepasster "und weniger kämpferisch als wir früher", sagte Ursula Haubner, die für das BZÖ Sozialministerin in der zweiten Schüssel-Regierung war. "Das ist gefährlich, weil das ausgenützt wird", teilte die ehemalige ÖVP-Gesundheits- und Familienministerin Andrea Kdolsky diese Sicht.Die ehemalige EU-Generalsekretärin und Vorstandsmitglied im Münchner Siemenskonzern, Brigitte Ederer, die sich selbst nie als Frauenpolitikerin verstand und immer von Männern (wie Franz Vranitzky oder Ferdinand Lacina) gefördert wurde, plädiert mehr als früher dafür, die Benachteiligung von Frauen zu thematisieren.

Ex-Politikerinnen im Gespräch anlässlich des Frauentags: "Frauen von heute sind weniger kämpferisch"
Brigitte Ederer, SPÖ

"Je älter ich werde, desto mehr regt mich das auf. Es gibt die "gläserne Decke" und Corona zeigt uns, dass die Hauptlast in der Gesellschaft bei den Frauen liegt. Eine Gleichberechtigung werde ich nicht mehr erleben."Umso wichtiger sei eine Frauenquote für Führungsgremien, in der Politik wie in der Wirtschaft – das zeige auch die verpflichtende Quote in deutschen börsenotierten Unternehmen. "Bis vor fünf Jahren dachte ich, Frauenquoten braucht es nicht", so Ederer. Aber "es geht offenbar nur mit solchen Maßnahmen etwas weiter." Gemischte Teams funktionieren am besten, "weibliche Führungskräfte zeichnet vor allem ihr soziales Gespür aus und ein positives Machtbewusstsein", sagte Haubner.

  • Video: Das Gespräch mit den Politikerinnen zum Nachhören

Frauen brauche dickes Fell

Alle drei Frauen blickten mit kritischem Blick, aber auch mit viel Humor auf ihre aktive Zeit in der Politik zurück. Persönliche und bösartige Beleidigungen würden Frauen viel häufiger und härter treffen als Männer, weil Frauen in erster Linie nach ihrem Äußeren, ihrer Stimme, ihrem Auftritt und nicht nach ihrer Kompetenz beurteilt würden. "Das war früher so und ist heute so", weiß Haubner.

Ex-Politikerinnen im Gespräch anlässlich des Frauentags: "Frauen von heute sind weniger kämpferisch"
Ursula Haubner, FPÖ bzw. BZÖ

Andrea Kdolsky kann ein Lied davon singen. Ihr berühmt gewordener Auftritt bei einer Benefizveranstaltung als Csardasfürstin "war für die Medien witziger als die Rezeptgebührendeckelung." Das habe bei allen dreien Narben hinterlassen. Diese Beurteilung nach dem Äußeren schrecke junge Frauen ab, in die Politik zu gehen oder sich allgemein in Führungspositionen zu begeben. "Dennoch habe ich keinen Tag in der Politik bereut", resümierte Haubner, die sich wie die beiden anderen zur "Politiksucht" bekannte. Dabei wäre es so wichtig, den Jungen klarzumachen, so Kdolsky, "wie sexy Politik ist".Am Samstag, 13. März, erscheint eine Frauenzeit-Beilage, in der Sie die Diskussionen nachlesen können.

Ex-Politikerinnen im Gespräch anlässlich des Frauentags: "Frauen von heute sind weniger kämpferisch"
Andrea Kdolsky, ÖVP

 

„Ich verwehre mich, von einer verlorenen Generation zu sprechen"

Die Generation der 16- bis 24-Jährigen ist von Corona besonders betroffen. Davon ist Jugendpsychologin Marina Gottwald vom Kepler Uniklinikum Linz überzeugt: „Jugendliche dieses Alters haben einen Entwicklungsauftrag. Doch anstatt des Selbstständigwerdens müssten sie nun wieder einen Schritt zurück, wieder heim zu den Eltern und in die Isolation gehen.“

"Ich verwehre mich, von einer verlorenen Generation zu sprechen"
v.l. Studentin Theresa Öllinger, Iris Schmidt, stv. Geschäftsführerin AMS OÖ, Jugendpsychologin Marina Gottwald, Tina Mutschler, Leiterin des Lehrlingsausbildungszentrums bei Greiner, Schülerin Mira Mittermair

Während zwei Drittel der Betroffenen unbeschadet bzw. gestärkt durch einen „Turboreifeprozess“ aus der Krise gehen würden, sei das letzte Drittel „überfordert“. Diese Jugendlichen seien in ihrem Reifeprozess noch nicht so weit. Die Folgen sind Druck und mögliche Veränderungen wie depressive Verstimmungen, verstärktes Rückzugsverhalten oder auch Essprobleme. „Ob daraus Krankheiten entstehen, ist offen. Wenn es kritisch wird, müssen wir diese Jugendlichen auffangen.“

Zwiespältig sind Erfahrungen von zwei Betroffenen. Die Krise samt Homeschooling habe den Vorteil der Selbstständigkeit gebracht, sagt Mira Mittermair, Schülerin der NMS Hartkirchen. Antworten selbst zu organisieren und alleine zu lernen, die Zeit selber einzuteilen. „Mir ist es dabei sehr gut ergangen“, sagt die 14-Jährige. Studentin Theresa Öllinger hat hingegen die Umstellung auf digitales Lernen als schwierig erlebt. „Es fühlt sich am Abend nicht an, dass man produktiv gewesen ist, auch wenn man es war“, sagt die Ennserin. Obwohl sie mittlerweile das große Angebot an digitalem Lernstoff schätze, fehle etwas: „Der Teil des Studentenlebens ist nicht zu ersetzen.“

  • Video: Das Gespräch zum Thema "Generation Corona"

Von einer relativ raschen Umstellung auf einen dem Lockdown angepassten Stundenplan profitierten die Lehrlinge der Greiner AG – dank der vorhandenen Technologie im eigenen Ausbildungszentrum. Dennoch sei irgendwann eine gewisse Lustlosigkeit spürbar gewesen, so die Lehrlingsbeauftrage Tina Mutschler: „Was verständlich ist. Im Pausenraum bei zwei Meter Abstand zu sitzen, ist halt auch nicht lustig.“

Wer noch auf Lehrstellensuche ist, sollte nun aktiv werden, rät Iris Schmidt. „Die Stellen und Chancen sind da“, sagt die stv. Geschäftsführerin des AMS in OÖ. Auf einen Lehrlingssuchenden kämen derzeit 2,4 offene Stellen. Von der Generation Corona als einer verlorenen Generation zu sprechen, dagegen verwehrt sie sich vehement. „Verlorene Generation, das ist ein Unwort.“

 

„Weniger Stress, mehr Spaß – und schauen Sie auch gut auf sich selbst“

Frauen sind häufig sehr perfektionistisch, kümmern sich um die ganze Familie – und vergessen dabei auf sich selbst. Genau das sollten sie jedoch ändern und anfangen, besser auf sich zu schauen. Darin waren sich die vier Expertinnen beim OÖN-Talk zum Thema Frauengesundheit einig.

"Weniger Stress, mehr Spaß – und schauen Sie auch gut auf sich selbst"
Katharina Glück, Marija Geroldinger-Simic, Christine Schatz und Monika Aichberger sprachen beim OÖN-Talk über Frauengesundheit.

„Zum Beispiel beim Wechsel, der bei den meisten Frauen so ab 47 langsam anklopft“, sagte Christine Schatz, Gynäkologin am Pyhrn-Eisenwurzen Klinikum Steyr. Hilflos ausgeliefert sei man den Beschwerden aber keinesfalls, denn man könne sehr wohl etwas dagegen tun. „Die Maßnahmen reichen von Medikamenten bis zu einer gesünderen Lebensführung. Also regelmäßige Bewegung, besseres Essen, weniger Stress – und mehr Spaß“, rät Schatz: Es helfe außerdem, auch die Vorteile zu sehen, „etwa, dass man mit den Jahren gelassener wird. Das ist doch auch nicht schlecht, oder?“

Funktionieren um jeden Preis – das ist für Katharina Glück, Psychiatrie-Primaria am Klinikum Wels-Grieskirchen einer der Gründe, warum Frauen doppelt so häufig in eine Abhängigkeit von Beruhigungsmitteln (Benzodiazepine) geraten als Männer. Diese „Happy Pills“, wie sie auch genannt werden, wirken entspannend, schlaffördernd und angstlösend. „Sie sollten nur maximal vier Wochen eingenommen werden.“ Wenn das Absetzen nicht gelinge, unbedingt psychologische Hilfe holen und nachschauen, wo das Problem dahinter liegt, rät Glück.

  • Video: Das Gespräch zur Frauengesundheit zum Nachhören

Auch Autoimmunerkrankungen treffen vorwiegend Frauen, sagt Marija Geroldinger-Simic, Leiterin des Autoimmunzentrums im Linzer Ordensklinikum Elisabethinen. Die gute Nachricht: „Es gibt neue Medikamenten, die sehr gut wirken.“

Monika Aichberger, Vizepräsidentin der Apothekerkammer OÖ, ist die Herzgesundheit der Frauen ein großes Anliegen. „Wir wissen, dass Frauen genauso oft einen Herzinfarkt bekommen wie Männer – und dass es statistisch eine Stunde länger dauert, bis sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Provokant ausgedrückt: Frauen räumen erst noch die Wohnung auf, bevor sie die Rettung rufen.“

Wichtig sei in jedem Fall, sich helfen zu lassen, „es gibt immer Möglichkeiten“, sagt Christine Schatz. Und der Rat von Marija Geroldinger-Simic: „Mit so viel Liebe, Freude und Lachen durchs Leben zu gehen wie möglich.“

 

„Beziehung ist ein Experiment – und nicht jedes Experiment gelingt“

„Wir glauben, die Liebe muss romantisch sein. Aber die romantische Liebe ist nicht mehr als eine Fiktion, der wir nachlaufen.“ Familiensoziologin Martina Beham-Rabanser weiß, wovon sie spricht. Immerhin beschäftigt sie sich seit Jahren wissenschaftlich mit dem Thema. Ein weiteres Problem mit der Liebe sei, dass Frauen und Männer nach wie vor dem Klischee aufsitzen, „dass es so etwas wie den idealen Partner gibt“. Einen, der einen immer versteht, alle Bedürfnisse und Ansprüche erfüllen kann.

"Beziehung ist ein Experiment – und nicht jedes Experiment gelingt"
(v.l.) Scheidungsanwältin Helene Klaar, Familiensoziologin Martina Beham- Rabanser, Single Beatrice Keplinger und Paartherapeutin Sabine Bösel

Dass derartige Vorstellungen der Realität niemals Stand halten können, war der Succus der spannenden Diskussion zum Thema, um das sich die Welt ewig drehen wird: Die Liebe.

„Ewig mein – ewig dein?“ Damit hat die vierfache Mutter Beatrice Keplinger abgeschlossen. Zweimal war sie verheiratet, zweimal ist sie geschieden. „Ich hatte sicherlich überzogene Erwartungen. Romantische Komödien sind ein Verbrechen. Man erwartet die totale Liebe und dann kommt sie nicht“, sagt Keplinger. Heute sei sie ein sehr glücklicher Single. „Und ich bin froh, dass ich keine Kompromisse mehr eingehen muss.“ Eine fixe Partnerschaft komme für sie nicht mehr in Frage, sagt die Schwertbergerin.

Paar- und Psychotherapeutin Sabine Bösel aus Wien ist sehr wohl davon überzeugt, dass es sich lohnt, an der Beziehung zu arbeiten. „Eine Partnerschaft ist wie ein Labor. Dort entwickelt sich ständig etwas weiter.“ Dies könne durchaus auch unbequem sein, sagt Bösel. Trotzdem: Partner sollten sich auch zu Hause nicht gehen lassen und „nur mit Schlapfen und Jogginghose herumlaufen“. Das sei ein bisschen zu viel, gemäß dem Motto: „Du musst mich so lieben, wie ich bin.“

Video: Das Gespräch zum Thema Beziehungen

Nicht romantisch, sondern pragmatisch geht Österreichs wohl bekannteste Scheidungsanwältin Helene Klaar an die Sache heran. In einer Zeit, in der beide Partner in der Arbeit extrem eingespannt seien, sei es schlicht zu viel verlangt, sich am Abend auch noch aufzumascherln. Da dürfe man schon ins Sofa fallen. Kommt es zwischen den Partnern irgendwann wirklich zum totalen Bruch – einer Scheidung – sei das durchaus mit einem Krieg zu vergleichen. Trotzdem rät sie dazu, Ehen einzugehen. Damit seien häufig Frauen am besten abgesichert. „Denn die Ehe ist eine äußerst ökonomische Angelegenheit.“

OÖN-Frauenzeit für Frauen – von Frauen

Seit drei Jahren haben die Frauen in Oberösterreich ihren eigenen Frauentag, gestaltet von zehn Redakteurinnen der OÖNachrichten. Unser Anliegen ist es nicht nur, den Inhalt der OÖN weiblicher zu machen, sondern die Frauen zu stärken, auch die Solidarität für- und untereinander. Etwa mit Podiumsdiskussion und Vorträgen während des Jahres und eben auch mit dem Frauentag.

OÖN-Frauenzeit für Frauen – von Frauen
Roswitha Fitzinger, Gerhild Niedoba, Sigrid Brandstätter, Barbara Rohrhofer, Chefredakteur Gerald Mandlbauer, Valerie Hader, Barbara Eidenberger, Anneliese Edlinger, Ulrike Rubasch und Susanne Dickstein

Insgesamt an die 3000 Besucherinnen durften wir 2019 und 2020 in den Promenaden Galerien beim OÖN-Frauentag willkommen heißen. Es wurde diskutiert, den Vorträgen interessanter Rednerinnen gelauscht, und auch die Unterhaltung kam nicht zu kurz. Heuer ist vieles davon leider nicht möglich. Was möglich ist, haben wir möglich gemacht und einen Online-Frauentag organisiert, in der Hoffnung, nächstes Jahr wieder möglichst viele Gäste persönlich begrüßen zu dürfen.

 

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25. April 2024