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Unterwegs auf der Wanderinsel im Indischen Ozean

Von Von Martin Duschek, 12. Jänner 2019, 15:00 Uhr
Wanderinsel im Indischen Ozean
Cirque de Salazie: der größte der drei Talkessel ist auch der grünst Bild: Durschek

Gerade so groß wie die Bezirke Vöcklabruck und Gmunden zusammen, bietet das französische Übersee-Département La Réunion eine Fülle einzigartiger Naturlandschaften. Nicht minder vielfältig sind Vegetation, Klima und Speisen des Inselchens tausend Kilometer östlich von Madagaskar.

Non – eine Straße ist das Letzte, was wir hier wollen!" Die Antwort von Gaetan Cernot in Marla fällt eindeutig aus. Gut acht Stunden sind wir gewandert, um in der Abenddämmerung sein Dorf am Osthang des Cirque de Mafate zu erreichen. So wie in die anderen sechs Ortschaften erfolgt die Anreise in diesen von extrem steilen, bis zu 1600 Meter hohen und üppig grün bewachsenen Felsen umrahmten Talkessel ausschließlich zu Fuß.

Die drei "Cirques" (Talkessel) auf der französischen Insel La Réunion entstanden – erdgeschichtlich gesehen – vor gar nicht langer Zeit. Vor 500.000 Jahren, schätzen Geologen, brach der einstige Vulkan ein und bildete drei Ringkrater, sogenannte Calderas. Während die Nachbar-Cirques Cilaos und Salazie über wunderbar asphaltierte, aber beängstigend kurvige und enge Gebirgsstraßen erreichbar sind, blieben alle Vorhaben, das extrem exponierte Mafate zu erschließen, erfolglos.

Wanderinsel im Indischen Ozean
Wanderparadies Cirque Mafate Bild: Durschek

Die 800 Einwohner auf den rund 65 Quadratki-lometern haben sich damit arrangiert. Müllabfuhr und Post erfolgen per Hubschrauber, und wer nicht gut zu Fuß ist, fliegt einmal im Monat auf Staatskosten, um in den modernen Küstenstädten Arztbesuche oder andere Wege zu erledigen. Gaetans Familie lebt seit Generationen im Cirque de Mafate. Der 21-Jährige arbeitet als Koch in den Kindergärten, über die jedes Dorf verfügt. Die älteren Kinder ziehen während des Schuljahres zu Gastfamilien an die Küste. Aber nach Abschluss kämen viele zurück, um ein Leben in der Ruhe Mafates zu führen.

Informative Hüttengespräche

Tatsächlich breitet sich mit der schlagartig um 18 Uhr einsetzenden Dunkelheit eine wunderbare Ruhe aus. Die Wanderer versammeln sich im Speisehäuschen in der Mitte der einfachen Holzhütten. Die Küche liegt außerhalb, wegen Feuergefahr. Gaetan bringt in großen Töpfen verschiedene heiße Caris, Linsenragout und Reis. Der Eintopf Cari, das Nationalgericht La Réunions, wird traditionell mit Fisch, Huhn oder Schwein serviert. Die Schärfe liefern verschiedene Rougailles aus Zwiebeln, Tomaten und Chili.

Die Stimmung unter den bunt zusammengewürfelten Bergtouristen ähnelt jener in einer Schutzhütte hoch in den Alpen. "Wart ihr schon am Piton des Neiges?", wollen neugierige Schweizer wissen. Sie planen, den "Schneeberg", mit 3070 Meter der höchste, vormals vulkanische Gipfel La Réunions, am übernächsten Tag zu bezwingen. "Ihr müsst unbedingt zur La Chapelle hinuntersteigen", mischen sich Festlandfranzosen ein und schwärmen von der rund hundert Meter hohen Felsspalte tief im Nachbar-Cirque de Cilaos, wo der Fluss Bras Rouge einen mächtigen Wasserfall hinunterstürzt und zahlreiche Gumpen für ein erfrischendes Gebirgsbachbad formt. Praktisch jeder am Tisch weiß von einmaligen Naturformationen, grotesken Lavafelsen oder einsamen Tropenwäldern zu berichten. Mit über 1000 Kilometern bestens beschilderten und beschriebenen Wanderrouten ist La Réunion die Hiking-Insel schlechthin.

Wanderinsel im Indischen Ozean
Ein Sprung in Gumpen erfrischt. Bild: Durschek

 

Uns führt der nächste Tag durch verschiedenste Vegetationsstufen über den 1956 Meter hohen Col des Bœufs in den Cirque de Salazie. Am eindrucksvollsten erleben wir die lichten Tamarindenwälder. Lange, grau-grüne Flechten an den Ästen der niederen, verkrüppelten Bäume und hohes Steppengras erzeugen einen urzeitlichen Eindruck. "Fehlt noch, dass ein Dino um die Ecke biegt", scherzt Wanderguide Nico Cyprien. Aber auf La Réunion gibt es keine gefährlichen Raubtiere, auch keine Giftschlangen oder Skorpione. Einzig die völlig harmlosen, aber gerne handtellergroßen Seidenspinnen können Menschen erschrecken, aber auch nicht mehr. Ihre dicken, eigenartig gelben Netze erstrecken sich oft über viele Meter lange Distanzen und können auch einer Fledermaus oder einem kleinen Vogel zur Gefahr werden.

Auf der Passhöhe weht ein kühler Wind, kühler, als für eine tropische Insel nahe am Äquator erwartet. "La Réunion verfügt über mehr als 200 Mikroklimata", erklärt Nico, "ihr erlebt alle 20 Minuten eine neue Welt." Tatsächlich präsentiert sich der Talkessel Salazie ganz anders. In weiten Plantagen gedeiht Chou-Chou, eine tropische Kürbisart, mit dem Image eines Arme-Leute-Essens. "Völlig zu Unrecht", schimpft unsere Gastgeberin im gemütlichen Hotel Jardin d’Héva in Hell-Bourg. In ihrer strikt biologischen Küche zaubert sie aus dem grünen, birnenförmigen Gewächs ein veganes Cari, einen gratinierten Auflauf und eine süße Nachspeise. Nicht minder köstlich schmeckt ihr Entenragout in Vanillesauce – die traditionelle kreolische Festtagsspeise.

Die Stadt des Regens

Das Städtchen Hell-Bourg zählt dank seiner historischen Gebäude zu den Schatzkästchen im Cirque. Viele der erst in den letzten Jahren renovierten kreolischen Häuser verfügen über die typischen Lambrequins, kunstvoll geschnitzte Holzzierleisten an den Dachkanten, die als Traufe die Regenrinnen ersetzen. Nico erklärt: "La Réunion hält die Weltrekorde im Stark- wie auch im Dauerregen, obwohl wir durchschnittlich mehr als 2000 Sonnenstunden im Jahr haben." Der trockene tropische Winter, der auf der Südhalbkugel im Juli beginnt, ist ideal für Wanderer.

Hell-Bourg hält aber noch eine Überraschung bereit: Das kleine, aber überaus feine "Maison Morange" oder "Musée des instruments et musiques de l’Océan Indien". In jahrzehntelanger Arbeit trug der frühere Arzt der Ortschaft 1500 historische Musikinstrumente der Länder rund um den Indischen Ozean zusammen. Mit Audioguides erwachen diese zum Leben, entführen in Krals und Pagoden, in Tempel und chinesische Paläste. Das Maison Morange, für Ethnologen ebenso eine Fundgrube wie für Musikwissenschafter, wurde aufgrund der pädagogisch wertvollen Präsentation in die Reihe der fünf besten Museen Frankreichs gewählt.

In den nächsten Tagen lernen wir weitere Facetten von Salazie kennen: Durch den Foreˆt de Bélouve, einen der markantesten Urwälder auf La Réunion, führt ein rund fünf Kilometer langer Rundweg auf gesicherten Holzstegen. Vorbei an bis zu 20 Meter hohen Farn- und Tamarindenbäumen, an weißen Aronkelchen, japanischen Sicheltannen und Goyavierbäumen erreichen wir einen spektakulären Aussichtspunkt und sehen – nichts, außer undurchdringlichen Nebel. Nico beschwört die Geduld: "Warten wir. Es ist sehr windig, da kann es schnell aufreißen."

Tatsächlich, nach gut 15 Minuten lichten sich die Schleier. Wir stehen auf einer exponierten Plattform, vor uns die spektakuläre Kulisse des Trou de Fer, La Réunions höchster Wasserfall. In mehreren Kaskaden stürzt ein kleiner Fluss 750 Meter durch grün bewachsene Felsen in die Tiefe. Zwei, drei Minuten gönnt das launenhafte Wetter uns und den Kameralinsen diese Aussicht, bevor neue Schwaden alles in Grau-Weiß versenken.

Die drei Cirques um den erloschenen oder vielleicht nur ruhenden Piton des Neiges herum bestimmen den Norden der Insel. Im Süden hingegen herrscht der Piton de la Fournaise. Mit gerade 380.000 Jahren auf dem Buckel darf man den Schildvulkan getrost als Baby bezeichnen. Als hyperaktives – zählt er doch zu den tätigsten Vulkanen der Erde. Durchschnittlich drei- bis fünfmal im Jahr erfolgen kleinere Eruptionen. Dann ergießt sich die dünnflüssige Lava mit bis zu 80 km/h stets Richtung Südosten und zerstört dabei regelmäßig einen Abschnitt der Inselrundstraße. Doch die Ausbrüche und ihre Wirkung sind vorhersehbar, der Piton de la Fournaise gilt als einer der sichersten und besterforschten Vulkane der Erde. "Le volcan pète" – "der Vulkan furzt", kommentieren die Bewohner jeden Ausbruch und feiern ein Volksfest. Die kurvige Bergstraße hinauf zur mächtigen Caldera wird dann zu einer kilometerlangen Autokolonne der Schaulustigen.

Wanderinsel im Indischen Ozean
Piton de la Fournaise ist der letzte aktive Vulkan auf La Réunion. Bild: Durschek

Auch ohne Ausbruch ist der Besuch des 2630 Meter hohen Vulkans unvergesslich. Zunächst fahren wir die Plaine de Cavres hinauf, durchqueren saftige Almflächen, die – von glücklichen Kühen und Schafen bewohnt – frappant an die Voralpenwelt erinnern. Grotesk wirken nur die Farnbäume: Gewächse wie europäische Farne, nur mit meterlangen Blättern aus baumdicken Holzstämmen. Hinter einer Kurve verwandelt sich die grüne Weide schlagartig in eine mystische Mondlandschaft, die "La Plaine des Sables", eine tote Wüste aus Sand, Fels und Trostlosigkeit – die Vorbotin des Vulkans. An ihrem Ende steht das kleine Besucherzentrum. Hier erfahren wir, ob die Durchquerung der Caldera und der Aufstieg zum Hauptkrater des Piton de la Fournaise gefahrlos möglich sind.

Haupt- und Touristenstadt

Das wirtschaftliche und kulturelle Leben La Réunions findet vor allem entlang der wetterbegünstigten Westküste statt. Hier liegt Saint Gilles, der touristische Hotspot. Dank eines vorgelagerten Riffs laden weiße, tropische Strände zum gefahrlosen Baden im Meer ein. Gefahrlos bezieht sich auf meterhohe Wellen, mit denen der Indische Ozean sonst rundherum an die Insel donnert, auf starke Meeresströmungen und Haie. Von St. Gilles in Richtung des südlich gelegenen Eremitage-Les-Bains ist davon nichts zu merken. Als Flaggschiff der Strandhotelszene gilt das Lux Saint Gilles, das einzige Fünf-Sterne-Badehotel La Réunions. Seine Gäste betreten durch das in typischem Kolonialstil gehaltene Haupthaus einen Garten Eden mit jedem Komfort und dem größten Süßwasserpool der Insel.

Wanderinsel im Indischen Ozean
Meterhohe Wellen donnern an die Küste. Im Westen ist durch ein vorgelagertes Riff das Meer ruhiger und zum Baden geeignet. Bild: Durschek

Aber La Réunion ist keine 08/15-Badedestination. Als tropische Vulkaninsel bietet sie unvergleichliche Natur- und Wandererlebnisse. Die Zugehörigkeit zur "Grande Nation" macht La Réunion zu einem sicheren, unkomplizierten Reiseziel auf der Südhalbkugel.

 

Die Insel der Zusammenkunft

Über die Insel: La Réunion ist eine Vulkaninsel von 70 Kilometern Durchmesser und 850.000 Einwohnern. Als französisches Übersee-Département gehört sie zur EU, die Landessprache ist Französisch, die Landeswährung der Euro. 40 Prozent der Fläche La Réunions bilden Frankreichs neunten Nationalpark und wurden 2010 zum UNESCO-Welterbe erklärt.

Infos unter: https://at.france.fr/de/insel-la-reunion und www.insel-la-reunion.com.

Klima: Auf Réunion herrscht ein tropisch-feuchtes Klima, mit einer Regenzeit von Dezember bis März. Während die Ostküste sehr regenreich ist, herrscht an der Westküste teilweise Steppenklima. Die Durchschnittstemperatur an der Küste beträgt im Sommer (Dezember bis März) 30 Grad.

Bourbonvanille: Die auf La Réunion angebaute Vanille wurde schnell als Bourbonvanille auf der ganzen Welt bekannt und steht auch heute noch für höchste Qualität. Bis 1794 hieß die Insel Iˆle Bourbon, danach im Zuge der Französischen Revolution und zum Gedenken der Vereinigung der Republikaner Île de la Réunion, bevor sie 1806 in Île Bonaparte umbenannt wurde.

Nationalgericht: Ein klassisches Gericht ist das „Cari“. Es besteht aus angebratenen, kleinen Fleischstücken von Huhn, Schwein oder auch Fisch und Krustentieren. Die Bezeichnung rührt vom franz. carré (dt. geschnitten) her. Es finden sich auch kleine Tomaten- und Zwiebelbrocken sowie Knoblauch in dem traditionellen Eintopf. Hinzu kommt eine spezielle Soße aus Ingwer und Kurkuma. Dazu gibt es neben Reis auch „Grains“ (Hülsenfrüchte wie Linsen oder Bohnen).

Anreise: Tägliche Flüge ab Österreich über Paris nach Saint-Denis mit Air France oder Corsair (Achtung, nervenaufreibender Flughafenwechsel von Charles de Gaulle nach Orly – www.airfrance.at, www.corsair.fr/en) oder ohne Flughafenwechsel mit Air Austral (www.air-austral.com).

Hotel in St. Gilles: www.luxresorts.com/de/hotel-reunion/luxsaintgilles (DZ derzeit 260 Euro)

Wanderinsel im Indischen Ozean
Wandern im Urwald Foret de Bélouve Bild: Durschek
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2  Kommentare
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AlfDalli (3.986 Kommentare)
am 15.01.2019 09:38

Reunion ist kein "Inselchen", wie auch Tenerife keines ist.

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Gugelbua (31.900 Kommentare)
am 12.01.2019 15:24

na ja, wer vom Schnee genug hat und das nötige Taschengeld, die Welt hat so viel Schönes zu bieten zum Glück durfte ich so einiges sehen

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