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Zu Besuch bei der tierischen Verwandtschaft

Von Sigrid Brandstätter, 13. August 2017, 14:00 Uhr
Zu Besuch bei der tierischen Verwandtschaft
Berggorillas lassen sich in ihrem Tagesablauf von Touristen nicht stören. Sie zu besuchen, kann mehrstündige Bergwanderungen bedeuten. Bild: Brandstätter

Mehrere hundert Berggorillas leben noch in Uganda, Ruanda und im Kongo. Einige Familien können unter strengen Auflagen besucht werden, Sigrid Brandstätter hat sich diesen Wunsch erfüllt.

Um 9.37 Uhr war es so weit. Nach nur rund einer Stunde Marsch durch teils steiles Gelände sehen wir im Gestrüpp den ersten Silberrücken. Zuvor waren wir darauf vorbereitet worden, dass die Wanderung zu den Berggorillas bis zu fünf Stunden im steilen Regenwald dauern könnte – je nachdem, wohin sich die Tiere auf ihrer Nahrungssuche begeben.

Wie wir später erfahren, ist der erste Gorilla das älteste Mitglied der aus zehn Tieren bestehenden Gruppe Nyakagesi. Am Ende unserer Stunde werden wir acht habituierte Gorillas gesehen haben. Habituiert bedeutet, dass die Tiere an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt sind und sich in ihrem Tagesablauf nicht stören lassen, wenn bis zu acht vorwiegend weiße Zweifüßler auf einen Verwandtschaftsbesuch vorbeikommen.

Wenige Schritte weiter im dichten Gebüsch ist plötzlich eine Mutter mit ihrem kaum drei Monate alten Baby zu sehen. Das Jungtier kann noch nicht selbstständig auf den Rücken seiner Mutter klettern, was die Altersbestimmung für den Laien erleichtert.

Die Ranger, die die Gruppen den ganzen Tag begleiten, um sie zu schützen und zu studieren, wissen natürlich den genauen Geburtstag des kleinen schwarzen Wollbündels. Es hängt an der linken Schulter seiner Mutter und hält sich mit seinen kleinen Fingern verkrampft an deren dichten Rückenhaaren fest.

Neun Familien gewähren Audienz

Wir befinden uns im Nationalpark Mgahinga im Süden Ugandas, der auf 2200 bis 4500 Meter Meereshöhe liegt. In dieser Gegend ist das Fell der Tiere dichter und länger als bei den Gorilla-Familien im nahen Bwindi-Nationalpark, die ebenfalls an Menschen gewöhnt sind. Dort leben die Tiere auf einer Meereshöhe von gut 800 Metern. In dem Gebiet ist es permanent heißer und feuchter, die Tiere sind weniger behaart.

Wir hören, dass in Mgahinga das Unterholz weniger dicht, die Baumkronen weniger geschlossen sind als hier und die Tiere nicht so gut zu sehen sind. Uns machen einige Gorillas die Freude, sich in eine Lichtung zum Sonnenbad zu setzen. Die Ähnlichkeit zu uns Menschen ist in solchen Momenten frappierend.

Insgesamt leben in zwei Nationalparks in Uganda an die 400 Berggorillas. Trophäenjagd und Wilderei haben die Tiere bedrohlich dezimiert. Jede der neun habituierten Gruppen, die aus zehn bis 25 Tieren bestehen, kann unter strengen Auflagen für jeweils eine Stunde pro Tag besucht werden.

Wir verhalten uns ruhig, bewegen uns nur langsam und gehen tendenziell in die Knie, wenn wir aus einer Entfernung von kaum sieben Metern beobachten, wie sich ein Silberrücken von der Morgensonne wärmen lässt. Nach einigen Minuten dreht er seinen massigen Körper mit gut 200 Kilogramm rasch um und geht vierfüßig davon. Nach zwei Sekunden ist er im hohen Gestrüpp nicht mehr auszumachen.

Erst wenn wenige Meter weiter vorn wieder knackendes Holz zu hören ist, weil er entweder Bambus bricht oder über Äste steigt, ist zu erahnen, wo er sich befindet. Drei Silberrücken umfasst unsere Gruppe. Das sind Männchen, die mindestens 14 Jahre alt sind, denn dann beginnt sich ihr Rückenhaar grau zu verfärben. Das Sonnenlicht lässt die Haare silbern glänzen. Unser ältester Silberrücken, Bigingo, ist inzwischen fast 50 Jahre alt und damit fast am Ende seiner Lebenszeit.

Die Führung der Gruppe hat er an den jüngeren Mark abgegeben. Aber auch der 40-Jährige muss in beginnenden Dominanzkämpfen seine Einser-Position bereits verteidigen. James, unser Ranger, erklärt später, dass dieses Ringen um die Vorherrschaft zwischen zwei ausgewachsenen Männchen dazu führen könnte, dass sich die Gruppe spaltet. Der Unterlegene könnte ein Weibchen aus dieser Familie und womöglich eines oder zwei aus einer wilden Gruppe gewinnen, ihm zu folgen.

Wissenswertes
Bild: Brandstätter

Die Ranger sitzen und tun nichts

Dann wäre ein Rehabituierungsprozess möglich, was in etwa so vor sich geht: Bis zu fünf Ranger – anfangs weniger – nähern sich den Tieren in Sichtweite, bleiben auf dem Boden sitzen und tun nichts. Das habituierte Männchen ist an die Anwesenheit der Menschen gewohnt und wird sich nicht vom Fressen oder Schlafen abhalten lassen. Seine Weibchen, die nicht an die Menschen gewöhnt wind, werden anfangs flüchten. Später werden sie aus dem Unterholz heraus die sitzenden Fremdlinge beobachten. Dann werden sie neben den Rangern Nahrung suchen und fressen und sehen, dass diese immer noch nur da sitzen.

Nach etwa zwei Jahren wird sich die neue Gruppe so weit an das leise Murmeln und die langsamen Bewegungen gewohnt haben, dass Touristen zu ihnen vorgelassen werden. Bis zu acht Personen dürfen eine habituierte Gruppe eine Stunde lang begleiten. Dabei ist ein Mindestabstand von sieben Metern einzuhalten. Das gelingt nicht immer, weil die Tiere sich auf einen zubewegen. So huscht der kleine Mutagamba auf der Suche nach frischen Wurzeln an mir vorbei und streift dabei mein Hosenbein. Zurückweichen kann ich nicht. Der Ranger flüstert noch rasch: "Ruhig verhalten, nicht bewegen."

Berggorillas sind nicht aggressiv

Gefährlich werden diese Situationen in den wenigsten Fällen. Gorillas sind nicht aggressiv, weder gegeneinander noch gegenüber den Menschen.

Der von der staatlichen Naturschutzbehörde reglementierte Besuch der Berggorillas unterstützt auch den Schutz der bedrohten Tiere. In der dicht bevölkerten Region schaffen die Touristen Einkunftschancen, die es ohne die Menschenaffen nicht geben würde.

Die Perle ist frisch poliert
Steile, sorgfältig bepflanzte Bergrücken prägen das Landschaftsbild im Südwesten Ugandas.

Dennoch ist der Kampf um den Lebensraum spürbar. Gorillas fressen nur Pflanzen und Wurzeln – am allerliebsten frische Bambustriebe – und brauchen viel Nahrung und daher große Flächen und Wälder, die sich von ihrer Anwesenheit wieder erholen können – auch die stark wachsende Bevölkerung braucht die fruchtbaren Berghänge der Virunga-Vulkane.

Wir ziehen uns aus dem Lebensraum der Tiere nach exakt 60 Minuten wieder zurück.

 

Wissenswertes

  1. Sicheres Reiseland: Wer Uganda bereist, sollte sich im Klaren sein, in einem der ärmsten Länder der Welt unterwegs zu sein. Allerdings ist das Land überwiegend sehr fruchtbar. Der Großteil des Landes gilt als sicher zu bereisen.
  2. Straßen: Abseits der wenigen asphaltierten Hauptstraßen sternenförmig um die Hauptstadt Kampala, sind die Pisten in erbärmlichem Zustand. Je nach Untergrund und Witterung sind die Pisten dann steinig, lehmig, rutschig und vor allem staubig.
  3. Wasser und Strom: Überall im Land sind den ganzen Tag über Menschen an den Straßen unterwegs, um mit gelben 20-Liter-Kanistern Wasser zu holen. Oft sind dabei mehrere Kilometer zurückzulegen. Fließendes Wasser gibt es für den Großteil der Bevölkerung selbst in der Hauptstadt kaum. In den Touristen-Lodges gibt es Fließwasser und meist Solarstrom, der über Autobatterien für die Zimmerbeleuchtung in der Nacht gespeichert wird. Batterien und Smartphones werden an Gemeinschaftsverteilern aufgeladen. (Langsames) Internet gibt in einigen Lodges.
  4. Gorillatrecking: Das Hauptmotiv für internationale Touristen, Uganda zu besuchen, sind die Berggorillas. Das Trekking ist kein billiges Vergnügen: 600 US-Dollar pro Person und Stunde. Im südlich angrenzenden Ruanda wurden die Preise im Mai von 750 auf 1500 US-Dollar verdoppelt. Das führt dazu, dass viele lokale Veranstalter mit ihren Gästen ins nahe Uganda ausweichen und die Nachfrage nach den Permits ( Besuchergenehmigungen) dort künftig steigen wird. Vor allem in den Hochsaison-Monaten 2018 im Juli und August rechnen die lokalen Anbieter damit, dass es rasch heißen wird: „ausgebucht“. In Uganda habe die Naturschutz- und Wildtierbehörde eine Preisgarantie für 2018 und 2019 gegeben, sagen Veranstalter. Dann dürfte es teurer werden.

 

Die Perle ist frisch poliert

Der britische Premierminister der 1950er-Jahre, Winston Churchill, hatte recht: „Uganda ist die Perle Afrikas, ein Garten von Anfang bis zum Ende.“ Bis in die 1960er-Jahre war Uganda auch eines der beliebtesten Reiseländer in Afrika, der Tourismus wichtige Einnahmequelle.

Die Machtübernahme Idi Amins brachte diesen Wirtschaftszweig komplett zum Erliegen – und die Erholung dauerte Jahrzehnte. Der Wildtierbestand in den Nationalparks wurde in den Jahren der bürgerkriegsähnlichen Zustände innerhalb des Landes stark dezimiert. So auch im Murchison Falls Nationalpark.

Dieser Nationalpark verdankt sein Entstehen einer Invasion von Tse-Tse-Fliegen vor fast hundert Jahren, die einen riesigen Landstrich am Victoria Nil entvölkerte. Heute kann man sich gegen das Insekt gut schützen, und dieser wunderschöne Flecken Erde ist wieder gut zu bereisen. In weichen Wellen reicht die grüne Savanne bis zum Horizont, eine ziegelrote Piste führt schnurgerade durch die Landschaft.

Tierbeobachtungen sind dort nicht nur zu Lande, sondern auch zu Wasser möglich. Giraffen, Wasserbüffel, Warzenschweine, verschiedenste Antilopenarten, Meerkatzen, Paviane, aber auch Löwen und natürlich Flusspferde und viele Vogelarten.

Zu Besuch bei der tierischen Verwandtschaft
Murchison Falls Park: Eine sattgrüne Savannenlandschaft mit Akazienbäumen Bild: Brandstätter
Zu Besuch bei der tierischen Verwandtschaft
Löwen klettern hier zum Rasten in den Schatten der Bäume. Bild: Brandstätter

In den Lodges am Flussufer des Victoria Nils und auch weiter südlich im Queen Elisabeth Nationalpark im Kasinga-Kanal sind die Flusspferde die ganze Nacht über zu hören. Die Pflanzenfresser schützen ihren Körper tagsüber vor der Hitze und gehen nach der Dämmerung auf Futtersuche an Land.

Weiter im Süden wird die Landschaft bergiger – und erinnert an die südsteirische Weinstraße – mit dem Unterschied, dass nicht Weinreben, sondern Teepflanzen und Gemüse kultiviert werden. Satt sehen kann man sich weder dort noch da.

Zu Besuch bei der tierischen Verwandtschaft
Flusspferde sind laut und aggressiv. Bild: Brandstätter
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Zusammenleben in der Wildnis Bild: Brandstätter
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