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Heutige Götter heißen bloß anders

Von Von Peter Grubmüller, 18. September 2010, 00:04 Uhr
Heutige Götter heißen bloß anders
Klytaimnestra (Höller) tötet Agamemnon (Ludwig). Bild: herzenberger

Näher als mit „Orestie“ von Aischylos, der um 500 v. Chr. in Athen lebte, kommt man an die Geburtsstunde des Theaters nicht heran. Das Linzer Theater Phönix eröffnete am Donnerstag seine Spielzeit mit der Mutter aller Tragödien und bewies ihre immerwährende Bedeutung.

Es geht um nichts Geringeres als um die Entwicklungsgeschichte der modernen Gesellschaft, um den Wandel von der Blutrache zur Gerichtsbarkeit und zur Verantwortung für das eigene Tun. Aber hat der Mensch tatsächlich gelernt, selbst verursachte Gemetzel nicht mehr mit dem Willen der Götter zu argumentieren, oder tragen die fragwürdigen Impulsgeber heute bloß andere Namen?

Bis Regisseur Johannes Maile im Linzer Theater Phönix eine Antwort auf diese Frage anbietet, wird – wie es sich für „Orestie“ gehört – geblutet und gemordet: Seit Jahrzehnten rackert sich das Atriden-Geschlecht mit einem Fluch ab. Als der mykenische Feldherr Agamemnon aus dem Trojanischen Krieg heimkehrt, wird ihm klar, dass der Krieg nicht nur in der Gesellschaft eine Fortsetzung findet, sondern auch innerhalb der eigenen Familie. Seine Tochter Iphigenie hatte er einst für günstigen Fahrtwind den Göttern geopfert, seine Frau Klytaimnestra rächt sich dafür. Agamemnons Sohn Orest sühnt wiederum dessen Tod und bringt Klytaimnestra samt deren Geliebten Aigisth um.

Aischylos’ dritten Teil, der den Übergang zur demokratischen Rechtsprechung verhandelt, hat Maile gestrichen und nach Armin Lehners glänzend vertonter Sollbruchstelle der Dramatik durch ein beklemmendes Ende ersetzt, das die gegenwärtige Gesellschaft als von Geld und Einfluss verführte Zombies abbildet.

Die Bühne ist karg, aber genial. Raffiniert gestellte und beleuchtete Spind-Schränke vermitteln eine Fluchtpunkt-Perspektive, die Koje einer Bushaltestellen ermöglicht den Raum im Raum. Maile verknappte die versfreie Übersetzung von Peter Stein auf zweieinviertel Stunden. Er gestaltete die Vorlage zu einer Art Drehbuch und Sprungbrett in die Gegenwart um, in dem Ähnlichkeiten zu Figuren aus Hollywood-Serien beabsichtigt sind.

Ingrid Höller ist in ihrem beherzten Intrigeneifer der Klytaimnestra eine Doppelgängerin von „Denver Clan“-Hexe Alexis Carrington (Kostüme: Ilona Glöckel).

Der Chor im Publikum

Der Chor spricht mit nur einer Stimme, mit jener von Matthias Hack. Er sitzt und bewegt sich im Publikum. Eine gute Technik, die Figuren mit den Zuschauern kommunizieren zu lassen.

Ferdinand Kopeinig plagt sich als Herold, der mit dem Tode ringt, glänzt aber in seiner Orest-Zerrissenheit, bis er sich von der blendenden Verführungskunst der Lisa Fuchs und ihrer Elektra für Mord begeistern lässt. Judith Richter lebt Kassandras Wahn beachtlich, Walter Ludwig ist ein solider Agamemnon und eine kuriose Amme. Der einzige Kritikpunkt am körperlich sehr präsenten Aigisth ist Theo Helms Aussprache.

Johannes Maile hat Mut bewiesen. Der Lohn dafür ist ihm gewiss.

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