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Friedrich Achleitner im Interview: „Zum Bauen war ich zu weich“

Von Peter Grubmüller, 19. Mai 2011, 00:04 Uhr
„Zum Bauen war ich zu weich“
Friedrich Achleitner zuzuhören bedeutet, Wesentliches über das Leben zu erfahren. Bild: Volker Weihbold

Kaum eine österreichische Persönlichkeit hat gleich zwei Kunstrichtungen derart geprägt wie der diesjährige Mostdipf-Preisträger Friedrich Achleitner. Mit der „Wiener Gruppe“ ging der gebürtige Schalchener in die Literatur-geschichte ein, sein Werk „Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert“ ist die maßgebliche Dokumentation heimischer Baukunst.

OÖN: Nach dem Ehrendoktorrat der Linzer Kunstuni im vergangenen Jahr reiht sich eine Ehrung an die nächste. Was bedeuten Ihnen diese Auszeichnungen?

Achleitner: Das ist eine Alterserscheinung, aber dazu kann ich Ihnen ein Zitat von Billy Wilder sagen: „Hämorrhoiden und Orden kriegen nur alte Arschlöcher.“ Bitte schreiben S’ das nicht, sonst könnt’ man glauben, ich sei ein Arschloch. Nein, passt, schreiben Sie es ruhig.

OÖN: Sie bewegen sich ständig zwischen Literatur und Architektur hin und her. Haben die beiden Bereiche etwas miteinander zu tun?

Achleitner: Nein, nichts. Architektur war immer mein Brotberuf und Literatur meine Erholung. In die Architektur-Schreiberei bin ich hineingeschlittert, weil ich wegen der Literatur die Architektur aufgegeben habe. 1958 hab’ ich alles weggeschmissen und versucht, als Literat zu leben, was mit Konkreter Poesie gar nicht möglich war. Zu dieser Zeit wurde mir von der Abendzeitung angeboten, Architektur-Kritik zu machen, damit war das Radl in Bewegung.

OÖN: Früher haben Sie auf der Bühne Klaviere zerschlagen….

Achleitner: (lächelt) … bitte, es war nur ein Klavier – und ich war es nicht alleine…

OÖN: …würden Sie sagen, dass die Konkrete Poesie insgesamt gescheitert ist?

Achleitner: Ich sag’ Ihnen, die Konkrete Poesie hat nie existiert. Der Name kommt ja ursprünglich von Max Bill, der die Konkrete Kunst quasi erfunden hat („das ziel der konkreten kunst ist es, gegenstände für den geistigen gebrauch zu entwickeln, ähnlich wie der mensch sich gegenstände schafft für den materiellen gebrauch“, Max Bill, 1947, Anm.). Wir haben gedacht, das sei in der Poesie anwendbar. Wahrscheinlich haben wir uns geirrt.

OÖN: Warum haben Sie dieses Klavier überhaupt zerschlagen?

Achleitner: Das war im Rahmen unseres „literarischen cabarets“ (1959, Anm.), und es sollte ein Gegenprogramm zur Schauspielerei sein. In Wien ein Klavier zu zerschlagen, war damals komischerweise etwas Aufregendes. Das war eine Aktion, ein Happening hat man damals gesagt, etwas nicht Geprobtes, etwas Plötzliches. Wir wussten ja nicht, ob man ein Klavier überhaupt zerschlagen kann. Wir haben einem Klavier-Fabrikanten ein Instrument um 400 Schilling abgekauft. Eines, auf dem man noch spielen konnte, das aber nichts wert war. Er warnte uns vor den gespannten Saiten und dass wir uns verletzen könnten, wenn sie beim Zerschlagen reißen. Deshalb haben wir die Aktion mit Fechtmasken gemacht.

OÖN: Sehen Sie heute neue literarische Formen, wie Sie sie damals entwickelt haben?

Achleitner: Die gibt’s – und sie haben sich weiterentwickelt. Ich verfolge zwar nicht mehr so aufmerksam, was die Jungen heute machen, aber Montagetechniken sind längst selbstverständlich geworden. Die Konkrete, oder vielmehr die Visuelle Poesie wurde von der Werbung komplett aufgesaugt. Was man heute im Fernsehen sieht, sind unsere damaligen Ideen mit der Technologie von heute.

OÖN: Täuscht der Eindruck, dass Sie im Lauf der Jahre in Ihrer Architektur-Kritik milder geworden sind?

Achleitner: Sie haben recht, aber vielleicht bin ich nicht milder geworden, sondern älter und ruhiger. Wenn man als Kritiker arbeitet, sucht man nur nach Fehlern. Und wenn man an einer Dokumentation arbeitet, wie ich 40 Jahre lang, in der man nur positive Dinge sieht, wird man milder, weil man das Thema positiv vermitteln möchte. Die Kritik ist ein Hammer, mit dem man gerne draufhaut, als junger Mensch viel härter als im fortgeschrittenen Alter.

OÖN: Ursprünglich stammen Sie aus Schalchen, haben Sie die ländliche Umgebung des Innviertels irgendwann vermisst?

Achleitner: Kaum, aber wahrscheinlich war das schon von meinem Vater vorprogrammiert. Er hatte Mühlenbau studiert, und nach dem Ersten Weltkrieg musste er daheim den Betrieb übernehmen, weil einer seiner Brüder gefallen ist und der andere zum Krüppel geschossen wurde. Mein Vater hat das widerwillig gemacht, weil er eine Karriere vor sich gehabt hätte. Er hat mir eingepflanzt, dass ich studieren und aus dieser Umgebung weg soll. Im Krieg mussten wir bei Luftangriffen die Fenster verdunkeln, und schon mit neun Jahren hab’ ich zu meinem siebenjährigen Bruder gesagt: „Du verdunkelst, dir gehört die Bude!“ Mir war es egal.

OÖN: Welche architektonisch maßgeblichen Gebäude fallen Ihnen in Linz ein?

Achleitner: Da gibt es eine ganze Menge, etwa die Theresienkirche von Rudolf Schwarz, die ehemalige Tabakfabrik oder eine besondere Villa von Lois Welzenbacher auf dem Pöstlingberg. Das sind Schlüsselbauten für ganz Österreich, bei Welzenbacher red’ ich sogar von einem internationalen Meisterwerk.

OÖN: Was soll mit der Tabakfabrik geschehen?

Achleitner: Es gibt diesen holländischen Architekten Wessel de Jonge, er hat die Van-Nelle-Fabrik in Rotterdam umgebaut. Das ist ein hervorragendes Beispiel für Linz, auf die Ratschläge dieses Holländers sollte man hören.

OÖN: Warum hat Ihnen die Architektur-Kritik mehr Spaß gemacht, als selbst zu bauen?

Achleitner: Das klingt jetzt komisch, aber zum Bauen war ich zu weich. Beim Bauen muss man unglaublich hart sein. Nicht nur einem Bauherrn gegenüber, da muss man auch flexibel bleiben, aber vor allem den Professionisten gegenüber. Mir haben die Professionisten immer leidgetan. Wenn sie einen Blödsinn gemacht haben, mussten sie alles abreißen und neu bauen. Auf diese Weise wurde einige Firmen in den Konkurs getrieben. Außerdem bin ich kein Frühaufsteher, und die Handwerker rufen schon um sechs Uhr an: „Herr Architeeeeeeeeeekt! Was mach ma denn da?“ Und um diese Zeit brauch’ ich zwei Stunden, damit ich überhaupt antworten kann.

OÖN: Hat Ihnen an der Konkreten Poesie diese Wörter-Bauweise gefallen?

Achleitner: Diese Analogie zur Architektur stimmt für mich nicht ganz. Man spricht zwar auch vom Satzbau, aber für mich hat das mit Bauen nichts zu tun. Wenn überhaupt, dann in strukturellen Belangen und bei der Genauigkeit.

OÖN: Fallen Ihnen Schlagwörter ein, die Oberösterreich beschreiben?

Achleitner: Das ist schwierig, weil wenn ich an das Salzkammergut, an den Kobernaußerwald oder an das Mühlviertel denke, dann haben wir es mit drei unterschiedlichen Regionen zu tun, die sich nicht unter einen Hut bringen, geschweige denn mit gemeinsamen Schlagwörtern beschreiben lassen. Diesen einen Oberösterreicher gibt es ja nicht. Vielleicht liegt es aber auch an unserer mangelnden Distanz. Über einen Bayern könnte ich eher reden – natürlich unter Berücksichtigung aller Verallgemeinerungen.

OÖN: Haben Sie es in den 50er Jahren in Wien gespürt, der G’scherte aus dem Innviertel zu sein?

Achleitner: Jeder von uns hatte damals seinen Migrationshintergrund, so wie die Bosniaken. Aber wir hatten andere Probleme als unsere örtliche Herkunft. Allerdings hab’ ich in Wien den Innviertler Dialekt entdeckt. Zuerst hatte ich kein Bewusstsein dafür, als wir damals Dialektgedichte gemacht haben – erst da bin ich draufgekommen, welche Unterschiede zwischen einem ländlichen und einem städtischen Dialekt bestehen. Dass etwa Wien eine barocke Tradition hat und die Sprache deshalb metaphernreich ist. Im Innviertel herrscht eine einfache Arbeitssprache, bei der es nie ins Psychologische oder ins Intime geht. Höchstens in Andeutungen. Ich hab’ immer behauptet, im Innviertlerischen gibt es keinen einzigen vernünftigen Satz. Mit dieser Sprache werden Menschen überredet, statt überzeugt. Das fällt einem aber erst auf, wenn man vom Innviertel weg ist.

OÖN: Ist nicht die Melodie ein wesentlicher Kommunikationsaspekt beim Dialekt?

Achleitner: Daran ist der Dialekt sehr reich. Mit der Melodie wird etwas ausgesagt, als würde es von einem Wort benannt werden. Man kann etwa das Wort „Naaa“ in so vielen Variationen aussprechen bis es irgendwann „Ja“ heißt.

OÖN: Was hat Sie an der Großstadt, an Wien, im Vergleich zum Leben auf dem Land begeistert?

Achleitner: Das war die Anonymität. Auf dem Land, wo sich die Familien seit sieben Generationen kennen und voneinander alles wissen, wo ewig über irgendwelche Blödigkeiten gestritten wird, geht es um Grenzsteine, weil irgendein Urgroßvater so einen falsch gesetzt haben soll. Auf dem Land herrscht die totale Kontrolle, es gibt kein Privatleben. Außer am Heiligen Abend kommt so gut wie jeden Tag jemand vorbei.

 

Friedrich Achleitner – Dichter, Architekt, Kritiker

Er wurde 1930 in Schalchen im Innviertel geboren, studierte nach der Gewerbeschule in Salzburg Architektur in Wien (Akademie der bildenden Künste, 1953 Diplom bei Clemens Holzmeister). Achleitner ist der renommierteste Architektur-Kritiker des Landes und Chronist der modernen Architektur („Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert“).
Als Dichter ist er einer der Hauptvertreter des modernen Dialektgedichts und der Konkreten Poesie. Zusammen mit H.C. Artmann oder Gerhard Rühm gehörte er der „Wiener Gruppe“ an. Friedrich Achleitner lebt in Wien.
Zuletzt erschienen: „der springende punkt“ (Zsolnay, 2009), „und oder oder und“ (Zsolnay, 2006).

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