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Ein Jäger über den Wolken

Von Von Alfons Krieglsteiner, 29. August 2009, 00:04 Uhr
Ein Jäger über den Wolken
Hans Schrangl als Jagdflieger der Wehrmacht. Ein „Haushund“ als Maskottchen war Tradition. Bild: Wakolbinger

Manchmal sind die Bilder wieder da, und die Geräusche: Das Belauern des Gegners, das Umkreisen, der Versuch, in den Rücken der feindlichen Phalanx zu kommen. Dann das furchtbare Knattern des MGs und das „Horrido!“, der Ausruf des Jagdfliegers, wenn er einen Treffer landete.

Hans Schrangl ist 90 Jahre alt. „Nie unterbrechen!“ lautet sein Lebensmotto, das heißt: Nicht immer wieder bei null anfangen, sondern sich treu bleiben, auch wenn’s schwerfällt. Seit seiner Jugend hat der gebürtige Linzer vor allem eines nie unterbrochen: sein Fitnessprogramm. Täglich schwingt sich der Herr Obermedizinalrat aufs Standfahrrad, streift die Boxhandschuhe über und traktiert den Punching Ball. Und hundert Liegestütze muss ihm auch ein Junger erst einmal nachmachen. Nur das Laufband hat er nach einem Oberschenkelhalsbruch vor Kurzem stillgelegt.

Eine gewisse Kaltblütigkeit hat den Spross einer alten Offiziersfamilie von jeher ausgezeichnet. Ein Vorfahre war Kaiserjäger-General, ein anderer begleitete als Marschall Kaiser Maximilian nach Mexiko. Geboren wurde Hans Schrangl am 9. April 1919, sein Vater befehligte in Linz ein Artilleriekorps. Auch der Sohn entschied sich nach der Matura für die Militärlaufbahn, schloss in Klagenfurt als Jahrgangsbester die Fliegerausbildung ab.

Nach dem Anschluss Österreichs wurde Schrangl an die Luftkriegsschule in Werder (Mecklenburg) einberufen und meldete sich nach dem Offizierslehrgang in Berlin-Gatow, zum Oberleutnant avanciert, an die Front. Als Nachtjäger war es seine Aufgabe, in der Deutschen Bucht mit seinem einmotorigen Jagdflugzeug die US-Bomberstaffeln zu attackieren. „Sie kamen anfangs noch ohne Begleitschutz durch Jäger“, berichtet Schrangl. Die deutschen Nachtjäger fielen ihnen in riskanten Manövern in den Rücken, brachten viele zum Absturz. Doch die Alliierten reagierten rasch, schickten nun mit ihren Bombern auch eigene Jagdgeschwader los.

Ein Ehrenkodex galt in diesen Duellen in 3000 Metern Höhe über dem Wattenmeer vor Husum: Nur auf die Maschine zielen, nie auf den Mann! „So hatten beide Seiten die Chance, sich mit dem Fallschirm zu retten oder notzulanden“, sagt Schrangl. „Wir waren keine Killer, wir haben nur gemäß unseren Befehlen versucht, die feindlichen Flugzeuge vom Eindringen in unseren Luftraum abzuhalten.“

Meldete die Radaraufklärung den Start feindlicher Geschwader, wurde Alarm gegeben: „Wir sind vom Frühstück aufgesprungen, haben uns in die Maschinen gesetzt und auf den Startbefehl gewartet“, erzählt Schrangl. In geschlossener Formation stellte sich die Staffel dem Gegner. Eine Zehntelsekunde entschied: Mehr Zeit zum Zielen stand nicht zur Verfügung, wenn die Jäger mit 300 km/h aufeinander zuflogen, durch Ausweichmanöver versuchten, in den Rücken des Gegners zu kommen und sich dabei in einem makabren Schwänzeltanz wie stählerne Bienen umkreisten. Eine Zehntelsekunde, dann der Druck auf den Steuerknüppel und das MG gab Feuer.

Landung im Birnbaum

Angst kannte Hans Schrangl nicht: „Man musste sich darauf konzentrieren, dass die Maschine funktioniert.“ Zwei Mal rettete er sich mit dem Fallschirm, musste zwölf Mal notlanden. Seine Jagdstaffel wurde als Vorkommando in die Normandie abkommandiert und zum Angriff auf die Invasionstruppen losgeschickt.

„Das war schon ein überwältigender Anblick“, erinnert er sich an das Bild, das die riesige Armada im Ärmelkanal aus der Luft bot. „Was konnten unsere paar Flugzeuge dagegen ausrichten? Wir hatten jeweils nur eine einzige Bombe an Bord, die haben wir abgeworfen und versucht, uns zurück ans Festland zu retten.“

Das gelang Schrangl einmal nur mit knapper Not: Nach einem Volltreffer segelte er mit dem Fallschirm direkt auf eine Kirchturmspitze zu. „Ich kam drüber, blieb dann im Wipfel eines Birnbaums hängen, der Ast brach und ich bin abgestürzt.“ Die Folge war ein längerer Aufenthalt im Lazarett von Bad Aussee.

Anfang 1945 führte er eine Staffel der neuartigen, mit Strahltriebwerken ausgestatteten „Messerschmitt 262“ (ME 262) an der Westgrenze des Reiches. „Eigentlich sollte so eine Staffel aus 20 Fliegern bestehen, aber zuletzt war ich froh, wenn wir zu fünft waren“, sagt er. Als Einziger hat er den Krieg überlebt: „Mein Vorteil war meine langjährige Routine, ich konnte meine Maschine auch auf schwierigem Gelände heil zu Boden bringen.“ Dekoriert mit dem „Deutschen Kreuz in Gold“, erlebte er das Kriegsende in Innsbruck. Zur NSDAP blieb er stets auf Distanz.

Wie denkt er heute über die NS-Zeit? „Wir haben uns alle viel zu lang von Hitler blenden lassen, nicht zuletzt durch seine anfänglichen militärischen Erfolge. Das Schlagwort vom ‚Lebensraum im Osten‘ war damals für viele plausibel. Als Hitler den Krieg mit Russland begann, hätten wir aber merken müssen, dass er verrückt geworden war.“

Nach dem Krieg absolvierte Hans Schrangl ein Medizinstudium, wirkte 36 Jahre als Zahnarzt in Linz, war als Sportschütze und Marathonläufer aktiv. Die Zahnarztpraxis führt heute sein Sohn, Vizepräsident der Landeszahnärztekammer Oberösterreich. Seit zwei Jahren ist Schrangl verwitwet, nimmt eine Halbtagsbetreuung in Anspruch. Viel Sport und gemüsereiche Kost halten ihn fit: „Ich habe bei einer Körpergröße von 1,80 Metern siebzig Kilo, und die halte ich eisern!“

Ein Krimi von Agatha Christie liegt auf dem Tisch. „Früher habe ich nach 20 Seiten gewusst, wer der Mörder ist. Heute durchschaue ich das nicht mehr so schnell.“ Ob er Angst hat vor dem Tod? „Es ist eher Neugier! Vielleicht lebt die Seele in einem anderen Körper weiter. Aber als Dackel zum Beispiel möchte ich nicht wiedergeboren werden.“

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