Ried kann kämpfen – aber nicht kicken
RIED. Beim 2:2-Remis gegen den SV Grödig stimmte bei den Innviertlern nur die Moral.
"Boah, das war ein Wahnsinn." Die offiziellen Interview-Termine waren vorbei, als SV-Ried-Trainer Oliver Glasner das 2:2 gegen Grödig am späten Samstagabend mit diesem Satz zusammenfasste. Bei der privaten Match-Analyse im Stiegenhaus des VIP-Raums mit seinem Freund und Vorgänger als Ried-Trainer, Michael Angerschmid, musste der 39-Jährige nicht wie zuvor bei der Pressekonferenz mit rhetorisch geschliffenen Floskeln handeln, da konnte er ungeschminkt und ehrlich sein.
Glasner war nach dem fünften Spiel in Folge ohne Sieg nicht nur sehr erleichtert, dass seine Mannschaft gegen Grödig einen 0:2-Rückstand noch in ein 2:2-Remis umwandeln konnte, er war auch geschockt. Seine SV Ried kann zwar noch kämpfen, aber sie hat das Kicken verlernt. Und das macht (nicht nur) dem Trainer Sorgen. Glasner: "Über das Fußballerische brauchen wir nicht zu reden, das einzig Positive war die Moral." Der neue Trainer war im Sommer angetreten, den Innviertler Bundesligisten taktisch umzuprogrammieren. Schnelle Balleroberung, vertikaler Angriffsfußball, aggressives Pressing – mit diesen Werkzeugen hat Glasners Ex-Chef Roger Schmidt aus Red Bull Salzburg einen Liga-Dominator gebastelt. Die Rieder Fußballer können damit noch herzlich wenig anfangen. Fehlt es an der Qualität oder braucht so eine Umstellung eben seine Zeit, bis sie in den Köpfen der Spieler angekommen ist?
Diese Frage stand am Samstag gleich nach den Anpfiff im Raum. Gegen Grödig gab es beim Rieder Spielaufbau ängstlichen Querverkehr statt mutige Vertikal-Stöße. Die Balleroberung war gut aber völlig wirkungslos, weil es bei der Ballbeherrschung haperte. Mit Fehlpässen und schlampigen Ballverlusten – besonders peinlich Gehbauers Hoppala beim ersten Gegentor (26.) – schenkten die Rieder den Gästen aus Grödig eine 2:0-Halbzeitführung.
"Wir haben eine Stunde lang alles falsch gemacht, was man falsch machen kann", sagte Glasner nachher. Seine Spieler wären in alte Verhaltensmuster zurück gefallen. Grödig vergab einige "Sitzer" auf eine höhere Führung, ehe Thomas Fröschl (74.) und dem Ex-Grödiger Dieter Elsneg (89.) noch der verdiente (aber auch glückliche) Ausgleich gelang.
Zu welcher Schlussfolgerung Glasner und Angerschmid in ihrer privaten Spielanalyse gekommen sind? Der Ried-Trainer will jedenfalls versuchen, im Training den Reset-Knopf zu drücken und sein taktisches ABC noch einmal präzise von vorne zu buchstabieren. Möglich, dass Ried-Manager Stefan Reiter noch einmal auf dem Transfermarkt aktiv wird. Gesucht wird eine Verstärkung im offensiven Bereich. Da der finanzielle Spielraum enge Grenzen hat, braucht man einen Glücksgriff im Wühltisch der Sonderangebote.