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Das olympische Feuer

Von Franzobel, 10. Februar 2018, 00:04 Uhr
Das olympische Feuer
Entfachen der olympischen Flamme für Pyeongchang im griechischen Olympia im Oktober 2017. Bild: Reuters

"Dabei sein ist alles" war einmal. Heute werden die Olympischen Spiele gnadenlos vermarktet. Und trotzdem: Sie können immer noch bewegen. Ein Gastkommentar von Franzobel.

Olympiasieger? Das war früher etwas für die Ewigkeit. Ein Olympiasieger, hieß es, steht für immer unauslöschlich in den Geschichtsbüchern. Wirklich?

Wer kennt heute noch Karl Schnabl, Mario Reiter, Sigrid Wolf, Christian Hoffmann oder Thomas Stangassinger? Allesamt österreichische Olympiasieger der letzten Jahrzehnte. Die medialen Mühlen drehen sich immer schneller, zermahlen ständig Neues, das dann schnell zerbröselt. Kaum sind Darts-WM und Australian-Open vorüber, kommt die Super-Bowl, beginnen Formel 1, Bundesliga und schon gibt es "Jahrhundertspiele" in der Champions League, startet die Fußball-WM. Da ist selbst ein Olympiasieg nur eine rasch verblühende Frucht im tagesaktuellen Gewächshaus, die allenfalls durch Lokalpresse und Werbewirtschaft etwas länger bestaunt wird.

Olympisches Dichten?

Aber es geht ja gar nicht ums Gewinnen, sondern um den olympischen Gedanken. Dabei sein, heißt es, sei alles. Und wirklich, wer hätte nicht gerne einmal an olympischen Spielen teilgenommen? Ich schon, aber da die Dichtkunst nicht mehr olympisch ist, wird sich das kaum ausgehen – es sei denn, ich werde Wischer in einem Curlingteam, Fender auf einem Segelboot, Funktionär oder Staatsbürger eines afrikanischen Zwergstaates – und selbst dann wird es schwer mit der Qualifikation.

Was wohl Außerirdische dächten, wenn sie sähen, wie die Menschheit welchen zujubelt, die auf karbonbeschichteten Latten einen mit Milliarden kleiner Eiskristalle bedeckten, extra dafür gerodeten Berghang hinunterwedeln? Welchen, die mit bekuften Schuhen über Gefrorenes rennen? In knäckebrothohen Schlitten durch Eisdärme brettern? Die Extraterrestrischen würden dieses Treiben entweder für eine kultische Handlung oder die Erdenbürger für komplett verrückt halten.

Spiele gehen spurlos vorüber

An großen Teilen der Menschheit geht diese olympische Veranstaltung allerdings spurlos vorüber. Die Spiele vor 16 Jahren, Salt Lake City, erlebte ich in Argentinien, wo es unmöglich war, irgendwelche Ergebnisse, so nicht zufällig ein Argentinier beteiligt gewesen war, zu erfahren. Damals habe ich begriffen: Jedes Land bejubelt nur sich selbst. Bereits die Ungarn, Spanier oder Türken kennen keinen Abfahrtsolympiasieger – geschweige denn die Inder oder Chinesen. Aber kennen Sie einen Shorttrack-Star oder Halfpipe-Crack? Oder den aktuellen Kricket-Weltmeister?

Ein Olympiasieg ist etwas für die Ewigkeit? Von wegen! Manche Disziplinen fallen irgendwann aus dem olympischen Programm (Dreibeinlauf, Bildhauerei, Sackhüpfen, Tauziehen), andere werden aufgenommen (Skeleton, Snowboard, Curling). Warum nicht Grammelknödelwettessen, Schneebrunzen oder Skisteckenweitwurf?

Ganz egal, wie viele Medaillen diese Spiele für Österreich bringen – manche Medien träumen unbescheiden von Rekorden –, beneide ich jetzt bereits die Eisschnellläuferin Vanessa Herzog, die als erste Österreicherin in das olympische Dorf eingezogen ist. Was für ein Erlebnis muss das sein, einen unbelebten Ort einzuwohnen, der wenige Tage später von Menschen aus der ganzen Welt geflutet wird. Welch Poesie muss in so einem verschlafenen Olympiadorf stecken, bevor der große Ansturm kommt? Und das oft zitierte, als Hort der Gemütlichkeit apostrophierte Österreicherhaus? Wie sieht das aus? Und wann halten die Weinflaschen, Bierkisten, Faschingskrapfen, das Geselchte und die Ziehharmonikaspieler Einzug? Oder sitzt bereits der Sportminister drinnen und ficht eine Mensur mit einem Schneemann?

Eddie the Eagle und Jamaika

Das Salz der olympischen Suppe sind aber die Exoten mit ihren oft verrückten Einlagen. Manche werden berühmter als die Sieger. Michael Edwards etwa, einst als Eddie the Eagel regelmäßig Letzter, oder der jamaikanische Bob, dessen Olympiateilnahme von Disney verfilmt wurde. In Südkorea startet neben dem jamaikanischen auch ein nigerianischer Damenbob. Der Salzburger Christopher Hörl fährt für Moldawien und der Tiroler Simon Breitfuss Kammerlander für Bolivien.

Außerdem ist da der mexikanische Prinz Hubertus von Hohenlohe, der kaum je unter zehn Sekunden Rückstand auf die Weltspitze geblieben ist, aber bald der Olympiateilnehmer mit den häufigsten Antritten sein dürfte. Oder der Skileopard aus Ghana: Kwame Nkrumah-Acheampong – bis dieser Name ausgesprochen ist, sind andere oft schon im Ziel.

Es sind diese im positiven Sinn Verrückten, die die olympischen Spiele zu einem Fest des Sports, einem Fest der Begegnung machen. Ob aber auch in Pyeongchang wie bei den Sommerspielen Hunderttausende Kondome verteilt werden? Bleibt zu hoffen, dass die dann nicht von einigen Exoten für Rennanzüge genommen werden.

Die besten Skifahrer der Gegenwart (Hirscher und Vonn) brauchen keine olympische Bestätigung, obwohl gerade ihr Nichtgewinnen dramatisch wäre. Und Simon Ammann, der nur alle vier, acht Jahre in Form ist?

Olympia – ursprünglich die Bezeichnung für den Zeitraum zwischen den Spielen, aber da hat ein Bedeutungswandel stattgefunden – lebt von solchen Geschichten, von Tragödien und Überraschungserfolgen, von großen Enttäuschungen und unerwarteten Triumphen.

Bei den alten Griechen waren die Spiele ein religiöses Fest. Das sind sie noch immer, nur werden heute die Götter Merkantilismus und Marketing gehuldigt. Ob das auch so gut funktionieren würde, wenn die antiken Götter nicht auf dem Olymp, sondern in Limoges oder Rhodos gewohnt hätten, die Veranstaltung heute Limonade oder Rhododendron hieß? Die Spiele werden gnadenlos vermarktet, ihr Geist ist korrumpiert, und doch gibt es noch einen Rest des olympischen Gedankens, der mehr als bei irgendeiner anderen Sportveranstaltung beseelt.

Der Star heißt "Björn Young"

Für diejenigen, die Sport nur mäßig interessiert, steht der Star dieser Spiele ohnehin schon fest: Björn Young – so wie früher Van Couver, Albert Ville, Gary Cal oder in grauen Urzeiten Squaw Valley. Björn Young tritt in allen Bewerben an und wird am häufigsten genannt. Bleibt zu hoffen, dass nicht all zu viele Delegationen die Hauptstadt Nordkoreas Pjöngjang mit Pyeongchang, dem südkoreanischen Austragungsort dieser Spiele, verwechseln und statt im olympischen Dorf ganz woanders landen. Sollte es aber tatsächlich zu einer Annäherung zwischen den beiden Koreas kommen, die über ein gemeinsames Damen-Eishockeyteam hinausgeht, wäre das politisch ein riesiger Erfolg.

Olympia kann immer noch bewegen, auf allen Ebenen.

 

Franzobel (Franz Stefan Griebl), ist ein oberösterreichischer Schriftsteller – er stammt aus Vöcklabruck.

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