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1936 schlug Schmelings große Stunde

Von Lutz Maurer, 11. Juni 2011, 00:04 Uhr
1936 schlug Schmelings große Stunde
Bild: EPA

Vor 75 Jahren, Juni 1936. Gespannt erwartete die Sportwelt den Beginn der Olympischen Spiele in Berlin. Das Dritte Reich war für das prestigeträchtige Ereignis bereit. Eineinhalb Monate zuvor lag Deutschland zudem im Boxfieber. Eines seiner großen Idole, der erste Schwergewichts-Boxweltmeister aus Europa, wollte zum zweiten Mal Weltmeister werden: Max Schmeling.

Der 1905 geborene Sohn eines Seemannes war in seiner Jugend ein ausgezeichneter Leichtathlet, Ringer und Fußballtormann. 1921 sah er dann einen Film über einen Box- WM-Kampf. Wenige Tage später kaufte sich Schmeling bei einem Trödler seine ersten, mehrfach geflickten Boxhandschuhe. Schon nach wenigen Kämpfen in der Provinz landete der junge Mann in Berlin, lernte dort außerhalb des Ringes eine verwirrende, berauschende Welt kennen, die „Goldenen Zwanzigerjahre“. Jahre des Tanzes auf einem Vulkan. Denn hinter der Fassade aus Talmigold lauerten Hunger, Arbeitslosigkeit und Inflation, der Nährboden für die kommenden politischen Katastrophen.

Erstmals waren auch Sportler in der gehobenen Gesellschaft, besonders in Künstlerkreisen, gern gesehene Gäste. So auch Schmeling. Er stand Bildhauern Modell, wurde von George Grosz porträtiert, von Schauspielern wie Emil Jannings oder Fritz Kortner bewundert. Als der schmächtige Kortner auf der Bühne eine Prügelei mit Hans Albers bestehen sollte, nahm er vorher bei Schmeling Boxunterricht und reiste ihm fortan zu den wichtigsten Kämpfen nach.

Weltberühmte Sänger zählten zu Schmelings Freunden, wie Michael Bohnen, Heinrich Schlusnus und ein besonderer Liebling der Berliner, ein Linzer: Richard Tauber.

Boxer als Sänger im Film

Auch der junge Tonfilm partizipierte von der Popularität des Boxens. „Liebe im Ring“ wurde gedreht, Schmeling ein Lied auf den Leib geschrieben: „Das Herz eines Boxers kennt nur eine Liebe: den Kampf um den Sieg nur allein ... .“ Schmeling in seinen Erinnerungen: „Die Rührpoesie dieser Verse war schauderhaft und noch heute fahre ich zusammen, wenn ich im Rundfunk mit meiner jämmerlichen Gastrolle als Bariton konfrontiert werde.“

Bereits 1928 verpflichtete Joe Jacobs, ein jüdischer Boxmanager, Schmeling in die USA. „Um mich populär zu machen, gab er mir den Namen ‚Der schwarze Ulan vom Rhein‘. Er hetzte mir Reporter auf die Fersen, arrangierte Empfänge und Einladungen, schleppte mich durch Schulen, Kirchen und Klöster, ließ mich auf der obersten Plattform eines Wolkenkratzers posieren und brachte mich mit Politikern zusammen“, sagte Schmeling über Jacobs, dem er zum Missfallen des Dritten Reiches bis zum Ende seiner Karriere treu blieb.

In den USA, in denen ein Schwergewichtsweltmeister „der große Zeh Gottes“ ist – ein Zitat des boxbesessenen Schriftstellers Norman Mailer – wurde Schmeling auch 1931 im Kampf gegen Titelverteidiger Jack Sharkey Weltmeister. Den Retourkampf gewann Sharkey allerdings durch eine skandalöse Fehlentscheidung.

Aber Schmeling, inzwischen mit der tschechischen Schauspielerin Anny Ondra verheiratet, wollte zurück auf den Thron. Wollte als erster das eherne Gesetz „they never come back“ brechen. Die Aussichten aber waren schlecht. 1933 ein Tiefschlag: Im Kampf gegen den Kalifornier Max Baer ging Schmeling schwer k.o.! Dass Baer noch dazu Jude war, dämpfte die anfängliche Begeisterung der neuen, braunen Machthaber merklich. Allerdings verlor der leichtlebige Frauenheld seinen Titel nur ein Jahr später an seinen Landsmann James Braddock.

Newcomer mit Können

1936 bot sich dann endlich wieder eine Chance für den „schwarzen Ulan vom Rhein“: ein Ausscheidungskampf gegen einen Newcomer. Der Sieger sollte dann Braddock herausfordern. Der neue Mann war ein Farbiger, erst 21 Jahre alt, Sohn eines armen Baumwollpflückers aus Alabama: Joe Louis! Ein Boxwunder, so die Fachwelt, das phlegmatisch, kalt und mit unbewegter Miene alle bisherigen Gegner vernichtet hatte. 1935 sah ihn auch Schmeling boxen, war vom Können des jungen Mannes zutiefst beeindruckt, entdeckte aber doch einen Schwachpunkt. Monatelang analysierten Schmeling und Trainer Max Machon den Kampffilm. „Dabei entdeckten wir, dass der Ausgangspunkt eines Schlages oft präziser und minutiöser festzustellen ist, wenn man den Film in Zeitlupe rückwärts laufen lässt und einen Schlag von der Wirkung her in seinen Ansatz zurückverfolgt.“

Mai 1936, Reise in die USA. Aber das Umfeld für den einst bejubelten Schmeling hatte sich entscheidend geändert. Plötzlich war er zum Feindbild geworden, Vertreter eines Landes, das Ausschreitungen und Boykottaktionen gegen jüdische Mitbürger organisierte, erste Konzentrationslager einrichtete. Die mächtige jüdische Lobby in den USA drängte auch auf einen Olympiaboykott Berlins.

Weitab von New York bereiteten sich Schmeling und Machon auf den Kampf vor. In der Metropole stellte man sich nur zwei Fragen. Würde der Naziboxer überhaupt den Mut haben, gegen Louis, den sie inzwischen bereits den „braunen Bomber“ nannten, anzutreten? Wenn ja, in welcher Runde würde er dann k.o. gehen? Allgemeine Heiterkeit löste die Aussage einer Frau aus, Schmeling würde durch k.o. siegen! Gut, die Dame war ein berühmter Filmstar, aber was konnte sie schon vom Boxen verstehen? Der Star war Marlene Dietrich, Freundin aus alten Berliner Tagen.

19. Juni 1936. Der Hexenkessel des Yankee-Stadions. 42.000 Menschen, die meisten alles andere als „nigger friends“ bejubeln Louis – er ist auch 18 : 1 Favorit – buhen Schmeling aus. Ganz gegen seine Gewohnheit begann Joe überaus vorsichtig. Er arbeitete wunderbar. Seine Aktionen waren schnell, kühl und harmonisch.

Die ersten drei Runden gingen klar an Louis, Schmelings linkes Auge hatte sich bereits geschlossen. Trotzdem hatte er etwas gesehen. „Joe schlug immer zwei kurze Linke, zog dann die Faust zurück, um erneut auszuholen. Das war jener Bruchteil einer Sekunde, den ich wochenlang studiert und mir in Zeitlupe immer wieder vorgeführt hatte. Einen Augenblick lang nahm er die Faust herunter. Im selben Moment schlug ich ihm eine schwere Rechte ans Kinn. Jetzt wusste ich: er gehört mir!“

In der vierten Runde wieder eine schwere Rechte Schmelings. „Von der Gewalt des Treffers wurde sein Kopf schlagartig nach hinten gerissen, einen Augenblick schien Joe zu torkeln, dann brach er seitlich zu Boden. Das Yankee-Stadion explodierte. Louis war bei vier bereits wieder auf den Beinen. Jetzt wusste ich, dass er nicht das unbesiegbare Boxwunder war. Jeder erfahrene Boxer wäre bis ‚acht‘ am Boden geblieben. Er war nur noch ein schwer getroffener, verwirrter Junge, der sich nicht mehr zurechtfand.“

Ein echter Kämpfer

Aber Louis gab nicht auf, hielt Runde um Runde durch. Das Ende kam dann in der zwölften Runde. In den Seilen hängend trifft ihn wieder eine Rechte Schmelings.

„Wie erstaunt blickte er mich aus Augen an, die nichts mehr sahen. Dann drehte er sich um seine Achse, stürzte an den Seilen in die Knie, versuchte noch, sich an ihnen emporzuziehen … dann brach der Körper in sich zusammen.“

Für die schwarze Bevölkerung New Yorks ging in diesem Moment eine Welt unter. Sie stürmte die Straßen, hielt die Autos an, bespuckte die Insassen. Eine Kapelle zertrümmerte ihre Instrumente, mit denen sie den Sieg von Louis hätte feiern wollen.

Für die Führung des Dritten Reiches wiederum, die den Kampf über Radio mitverfolgt hatte, war der Sieg „der Beweis der Überlegenheit der arischen Rasse“.

Zum Titelkampf von Schmeling gegen Braddock kam es trotzdem nicht. Der hatte schon vor dem 19. Juni den Vertrag für einen Kampf gegen Louis unterschrieben. Eine Geheimklausel versprach ihm darin für das nächste Jahrzehnt zehn Prozent aller Einnahmen des „braunen Bombers“.

1937 schlug Louis Braddock auch k.o. und verteidigte seinen Titel in den folgenden zehn Jahren 25-mal erfolgreich. Ebenso oft kassierte Braddock seinen Schandlohn. „Braddock ist reich geworden, indem er nicht gegen mich antrat“, resignierte Schmeling.

Boxen in den USA – ein Kampf um schmutzigen Lorbeer.

K.o. in der ersten Runde

1938 bekam Schmeling doch noch die Chance eines Kampfes gegen Louis, ging aber – inzwischen schon 33 Jahre alt – bereits in der ersten Runde schwer k.o.

Die vielen Dollars , die Louis in seiner langen Karriere – sie endete erst 1951– kassierte, zerrannen ihm unter den Fingern, flossen in die Taschen von Managern und falschen Freunden. Schließlich landete das einstige Boxidol in Las Vegas. Dort empfing er in bombastischer Uniform die Gäste eines Casinos.

Auch Schmeling, im Zweiten Weltkrieg als Fallschirmjäger eingesetzt, stand zu Kriegsende 1945 vor dem Nichts. Mit 40 Jahren fing er noch einmal von vorne an – als Landwirt und Nerzzüchter.

Aber noch einmal half ihm der Ruhm früher Jahre. Ein Mitglied der New Yorker Boxkommission wurde Coca-Cola-Chef und bot Schmeling die deutsche Generalvertretung an. Die nahm Schmeling an.

Trotz eines Fritz Walter, Franz Beckenbauer, Boris Becker oder Michael Schumacher blieb Max Schmeling d a s Sportidol Deutschlands. Bis ins hohe Alter. Erst im Februar 2005, wenige Monate vor seinem 100. Geburtstag, hörte das Herz des Boxers zu schlagen auf …

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