Türkei trauert um Naim Süleymanoglu: "Westentaschen-Herkules" ist nicht mehr
ISTANBUL. Der Linzer Manfred Modrey hält den Gürtel der Stemmer-Legende noch immer in Ehren.
"Der Kampf, den Naim jetzt führt, ist schwerer als jeder Kampf auf der Gewichtheberbühne. Ich bete täglich, dass er ihn gewinnt", sagte Halil Mutlu vor wenigen Tagen, nachdem er seinen Gewichtheber-Kollegen Naim Süleymanoglu in einem Istanbuler Krankenhaus besucht hatte. Am Freitag hörte das Herz des herausragenden Stemmers der 80er und 90er Jahre zu schlagen auf.
Der wegen seiner 1,47 Meter Körpergröße als "Westentaschen-Herkules" bekannte Süleymanoglu schockte die Welt einst mit unglaublichen Kraftakten. Seit Wochen rang der 50-jährige, dreifache Olympiasieger um sein Leben, nachdem er wegen einer chronischen Leberzirrhose notaufgenommen werden musste. Anfang Oktober wurde ihm ein neues Organ transplantiert. Noch während der Intensivbehandlung erlitt er eine Gehirnblutung, eine Not-OP brachte keinen Erfolg mehr.
Süleymanoglu, der die letzten Jahre dem Alkohol verfallen war, wurde in der Türkei als Volksheld und "Jahrhundert-Sportler" verehrt, die Trauerzeremonie am Wochenende in der Fatih-Moschee erinnerte an ein Staatsbegräbnis. Auch Präsident Recep Erdogan huldigte Süleymanoglu.
Flucht nach der WM 1986
Der 1967 im bulgarischen Kyrdschall geborene Athlet war bereits Weltmeister und hatte 1982 seinen ersten Weltrekord aufgestellt, als auch er sich der damaligen Bulgarisierungs-Kampagne beugen musste. Plötzlich hieß er Naum Schalamanow. Als türkischstämmiger Bulgare fühlte er sich in seinem Geburtsland diskriminiert. 1986 kehrte der Sportler seiner Nation deshalb den Rücken und setzte sich nach der WM über Australien in die Türkei ab.
Süleymanoglu gewann danach unter der Halbmond-Fahne drei Olympia-Goldene und wurde dafür vom türkischen Staat mit Millionen belohnt. Dazu brach er insgesamt 46 Weltrekorde. Bei der EM 2000 in Sofia kehrte Süleymanoglu in seine frühere Heimat zurück und wurde gnadenlos ausgebuht. Um sich vor Übergriffen zu schützen, war er sogar mit zwei Bodyguards und eigenem Chauffeur angereist.
Aufritt am Langbathsee
1983 war der damals noch für Bulgarien startende Süleymanoglu als 15-Jähriger am Langbathsee bei Ebensee beim "Rekord-Meeting" Gaststarter und pulverisierte dort drei Weltbestmarken. "Schon damals war zu sehen, was in ihm steckt. Er gilt für viele als der Größte", erinnert sich der Linzer Manfred Modrey.
Der damals vom kleinen Energiebündel den Hebergürtel als Geschenk erhielt. Und den heute sein zwölfjähriger Neffe Luca Modrey, bereits österreichischer Meister, in Ehren hält, nachdem ihn zuvor schon sein Vater Manuel mit Stolz getragen hatte. Womit die Legende Süleymanoglu weiterlebt.
Der Lebensweg des „Taschen-Herkules
- Geboren: 23. Januar 1967 in Ptitschar (Bulgarien) als Naum Sulejmanow, seit 1986 türkischer Staatsbürger
- Gestorben: 17. November 2017 in Istanbul
- Sportliche Erfolge: Naim Süleymanoglu schaffte es als einer der ersten Gewichtheber, das Dreifache seines Körpergewichts zu stoßen. Für die Türkei gewann der mehrfache Weltmeister und Weltrekordler jeweils im Federgewicht dreimal olympisches Gold: 1988 in Seoul, 1992 in Barcelona und 1996 in Atlanta. Nach dem erfolglosen Versuch, 2000 in Sydney als erster Gewichtheber das vierte Gold in Folge zu gewinnen, beendete er Karriere.
- Sonstiges: Er kandidierte 2004 für Milliyetçi Hareket Partisi für ein Bürgermeisteramt in Büyükçekmece und 2007 für ein Abgeordnetenmandat. Beide Male blieb er erfolglos. Er wurde mit dem Olympischen Orden ausgezeichnet.