Olympischer Selbstversuch in 80 Disziplinen

Von nachrichten.at/apa   25.Mai 2016

Der in Wien lebende Autor Ilija Trojanow hat in den vergangenen vier Jahren alle 80 Einzeldisziplinen der Sommerspiele trainiert oder zumindest ausprobiert: "Meine Olympiade" ist ein abenteuerlicher Selbstversuch.

Dem Amateur ist nichts zu schwör. Also nähert sich Trojanow, Sohn eines Hürdenläufers und einer Volleyballspielerin, ganz blauäugig auch den für den Normalbürger exotisch wirkenden, aber gerade deshalb faszinierenden Sportarten an. Während des Konsums vielstündiger TV-Übertragungen der Olympischen Spiele 2012 in London entstand der Entschluss, sich selbst in allem auszuprobieren. Ein absurd wirkendes Vorhaben, das in Trainingseinheiten aus "exzentrischen Duathlons und Triathlons" mündete: "In einer typischen Woche lief ich am Montag Intervalle, lernte am Dienstag die Riposte im Degenfechten, versuchte ich mich am Mittwoch an verschiedenen Schlagkombinationen unter der Ägide einer 78-jährigen Boxlegende."

Selbstironischer Hobbysportler 

Als selbstironischer Held stellt sich der Hobbysportler Herausforderungen, die immer größer werden, je näher er sich damit befasst. Denn nicht nur Kraft, Gelenkigkeit und Fitness, sondern auch Technik sind gefragt. Sie stellt sich oft als größte Hürde zwischen plumpen und peinlichen Anfängerversuchen und jener bewundernswerten Eleganz heraus, die für den Zuseher die Leistungen der Spitzenathleten spielerisch, ja traumtänzerisch einfach wirken lassen. "Trainieren geht über Studieren, heißt es. Aber wer nicht studiert, der trainiert falsch", lautet die erste Erkenntnis.

Unter der Anleitung erfahrener Trainer bekommt der ehrgeizige 50-Jährige, dessen großer Roman "Macht und Widerstand" im Vorjahr auf viel Resonanz gestoßen war, Crash-Kurse in technisch so anspruchsvolle und so unterschiedliche Sportarten wie Wild- und Flachwasserpaddeln, Gewichtheben, Bogenschießen, Fechten, Reiten oder Segeln. In Japan lässt er sich, kritisch beäugt von tausenden Trainingsgefährten in einer riesigen Halle, in die dem Judo zugrunde liegenden Hebelgesetze einführen, in Teheran lernt er, stets in Hörweite einer neben der Matte kauernden zierlichen Dolmetscherin, dass Ringen eine äußerst schweißtreibende Angelegenheit mit einem Maximum an Körperkontakt ist.

Groteskes Scheitern

Trojanow schafft es in den Schilderungen seines ungewöhnlichen Selbsterfahrungs-Trips, Theorie und Praxis glänzend zu verbinden. Immer lässt er philosophische, historische und technische Grundlagen einer Sportart einfließen, wenn er von seinem mehr oder minder grotesken Scheitern erzählt. Stabhochspringen, Rudern oder Paddeln sind Disziplinen, an denen der Laie zunächst nur scheitern kann. Trojanow nimmt es mit Humor und erhöhtem Trainingseifer, erzählt von den Qualen der körperlichen Anstrengung, von der Überforderung durch komplexe Techniken, aber auch von den wundersamen Wandlungen des eigenen Körpers und dem grandiosen Sportsgeist, der den blutigen Laien überall rasch in eine verschworene Gemeinde integriert.

Sein Ziel, jeweils halb so gut abzuschneiden wie der Goldmedaillengewinner von London, erweist sich als nahezu undurchführbar, und seine Wettkampf-Erfahrungsberichte von Triathlon, Marathon, Mountainbiken oder Zehnkampf sind mitunter zum Schreien komisch. Doch was ist die Angst, sich lächerlich zu machen, gegen den Triumph, sich überwunden zu haben?

"Sport erzählt viel über Gesellschaft"

"Wer den Sport studiert, betreibt Anthropologie", meint Trojanow. "Sport erzählt uns viel über Mensch und Gesellschaft." Dies löst "Meine Olympiade" spielend ein. Und er schafft es, die Lust an einer Herausforderung zu wecken, die sich nicht der minimalen Verbesserung der eigenen Bestleistungen in Sekunden, Zentimetern oder Punkten widmet, sondern dem Reiz des Neuen und Unbekannten, das Geist und Körper gleichermaßen fordert: "Es ist erstaunlich, wie schnell man, als mittelmäßiges Talent in mittleren Jahren, eine völlig unbekannte Tätigkeit derart erlernen kann, dass sie einem Freude bereitet."

Die Buchpräsentation findet am 5. Juni in einer Arena statt, die mehr für Spaß und Freude und weniger für sportliche Höchstleistungen bekannt ist - in der Roten Bar im Wiener Volkstheater.