Haile in Eile in Wien: Catch me if you can!
WIEN. Eine Woche nach dem Marathon in Linz folgt am Sonntag der Massenauflauf in Wien. Herausstechen wird einer: Weltrekordhalter Haile Gebrselassie. Der geht im Halbmarathon keine halbe Sache an, wird versprochen. Wie soll es auch sein, bei solch unfassbarem Lebenslauf...
Der erste Schritt: Es war einmal ein kleiner Junge mit neun Geschwistern, sie wuchsen auf einer Hochebene nahe Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba auf. Die zehn Kilometer liefen sie in die Schule und retour, auch im Finstern, sich vor Hyänen fürchtend. Ein Halbmarathon jeden Tag: Haile Gebrselassies Laufbahn begann wie im Märchen, ein Sinnbild für die „Haile Welt“, eine neue, moderne. Eine bessere? „Heute nehmen wir für drei Kilometer in die Arbeit das Auto“, merkt er kritisch an. Verschwitzt würde auch er vis à vis von Geschäftspartnern kein gutes Bild abgeben. Er trainiert um sechs Uhr früh und abends, dazwischen sitzt er im Büro.
Der Moneymaker: Laufen ist nicht sein einziger Job, auch wenn ihn sein Manager lieber beim Mittagsschlaf als im Büro sehen würde. „Haile arbeitet zu viel“, seufzt sein Manager Jos Hermens. Gebrselassie beschäftigt 600 Menschen in seiner Firma „Haile and Alem International“. Alem heißt seine Frau, sie verkaufen Immobilien, managen Hyunday in Äthiopien, betreiben ein Kino und ein Fitnesscenter, ihnen gehören ein Luxushotel und zwei Schulen, selbst haben sie vier Kinder. Gebrselassie will eines werden: der erfolgreichste Geschäftsmann Äthiopiens. Der erfolgreichste Läufer ist er längst.
Mann der Rekorde: 26 Weltrekorde hat er aufgestellt, vier stehen noch, darunter jener im Marathon (2:03:59). Man könnte meinen, in Wien holt er sich im Vorbeigehen Geld ab. Morgen kommt er in Wien an, erst besucht er Bundespräsident Heinz Fischer. „Er hat nach keinen Extrawürsten verlangt. Ausdauersportler haben keine Starallüren, die haben sie sich alle wegtrainiert“, erzählt Wien-Marathon-Veranstalter Wolfgang Konrad. Eine kolportierte Gage von 250.000 Euro könnte auch zum Easy-Going beitragen.
Fang ihn doch: Zwei Minuten vor neun Uhr fällt am Sonntag der Startschuss. Sieben Weltklasse-Marathonläufer legen los, um neun folgt Gebrselassie mit der Masse. „Catch me if you can!“, heißt das Motto: Fang sie doch, Haile! „Das wird spannend, so ein Verfolgungsrennen bin ich noch nie gelaufen.“ Der Wien-Rekord im Halbmarathon steht bei 1:03:59 Stunden, „das ist leicht für mich. Kein Problem, glauben Sie mir“, sagte er zur „Presse“. Den Weltrekord will er von Zersenay Tadese zurückerobern. Die 58:23 Stunden in Wien zu unterbieten, wird aber auch für Gebrselassie ein (zu?) hartes Stück Beinarbeit.
Ablaufdatum: Sein Rekord über die 42,195 Kilometer hält felsenfest, 20,42 km/h ist er in Berlin durchschnittlich getrabt. Geht das schneller? „Ja. Die zwei Stunden werden geknackt. Aber vielleicht erst in 40 Jahren.“ Vergangenen Dezember überschlugen sich weltweit Meldungen wie „Haile tritt zurück!“, Tränen kullerten. Acht Tage später trat Gebrselassie vom Rücktritt zurück. Seine Zeit sei noch nicht abgelaufen, sagte der ab Montag 38-Jährige, er wolle noch weitermachen und mit dem ersehnten Olympia-Gold im Marathon 2012 die Laufbahn vollenden, ein Happy End, wie im Märchen. Denn wenn er nicht gestorben ist – ja, was wohl? –, dann läuft er noch heute.
