Jetzt geht‘s los: Spielt auch der Ramadan eine Rolle?
MOSKAU. Fasten von Sonnenauf- bis -untergang: Ein Kraftakt für muslimische Spieler Heute (17 Uhr) steigt das Eröffnungsspiel zwischen Russland und Saudi-Arabien.
Saudi-Arabien stellt ein mehrheitlich aus muslimischen Akteuren zusammengestelltes Nationalteam bei der Fußball-WM 2018 – und ist mit dem Spielplan in Russland nicht ganz happy. Der Weltranglisten-67. eröffnet heute (17 Uhr MESZ, ORF eins) im Luschniki-Stadion zu Moskau das Turnier gegen Gastgeber Russland – also noch vor Sonnenuntergang, der den Abschluss des Fastenmonats Ramadan bedeutet.
Muss man sich auf eine stark geschwächte saudi-arabische Equipe einstellen? "Nein, wir können damit sehr gut umgehen", sagt Team-Manager Omar Bachaschwain: "Man muss sich nicht an das Fasten halten oder kann es verschieben, wenn man beispielsweise auf Reisen ist. Aber die meisten Spieler halten sich schon daran." Auch wenn das Fasten zu den fünf Grundpflichten im Islam zählt, gewährt er Raum für Ausnahmen.
Kritische Töne bei Verstößen
Gern wird das freilich nicht gesehen. Spieler sind deshalb nicht sehr gesprächig, wenn sie ihr Verhalten zu Protokoll geben sollen. Dass etwa Ägyptens Star Mohamed Salah vor dem Champions-League-Finale einen Tag mit dem Fasten aussetzte und sich während der Partie gegen Real Madrid verletzte, verleitete einen kuwaitischen Scheich dazu, von göttlicher Strafe zu reden.
Heute geht in Moskau erst um 20.13 Uhr (MESZ) die Sonne unter, also erst rund eineinhalb Stunden nach Spielende. Das Match gegen Russland wird bei den "Saudis" also an die Substanz gehen. "Das Fasten verändert die Chronologie des Tagesablaufs der Spieler", konstatierte der Algerier Yacine Zerguini vom medizinischen Komitee des Fußball-Weltverbandes FIFA. Die Spieler müssen ihren Schlaf anpassen und mit einer veränderten Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme klarkommen.
Da in Phasen höchster körperlicher Beanspruchung Flüssigkeitshaushalt und Kohlehydratspeicher nicht aufgefüllt werden können, würde die Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.
Der Griff in die Trickkiste
Selbstbeherrschung sei ein elementarer Gewinn während des Fastens, heißt es. Es gibt Teams, die in dieser Situation über sich hinauswachsen. Die Russen sollten sich also nicht zu sicher sein. Vorbild für die "Saudis" sind in dieser Hinsicht die algerischen Kicker, die bei der WM 2014 in Brasilien mitten in der Fastenzeit auf Deutschland trafen und im Achtelfinale nur unglücklich mit 1:2 nach Verlängerung scheiterten. Von Müdigkeit war nichts zu sehen.
Wie bei den Ägyptern dürfte auch bei den Tunesiern die Mehrheit der Spieler den Ramadan einhalten. Sie griffen in der Vorbereitung auf einen besonderen Trick zurück, um während zweier Testspiele nach Sonnenuntergang zum Essen und Trinken zu kommen. Goalie Mouez Hassen täuschte gegen Portugal (2:2) und die Türkei (2:2) jeweils kurz nach der Pause eine Verletzung vor. Seine Teamkollegen tranken und aßen, während er sich behandeln ließ. Zweimal sollte Tunesien in der Folge noch einen Rückstand wettmachen.
Senegals Nationaltrainer Aliou Cissé, wie vieler seiner Spieler ein Muslim, hat ein mulmiges Gefühl im Magen: "Jeder weiß, dass Spitzenfußball und Ramadan nicht kompatibel sind." In Kürze dürfen die betroffenen WM-Stars wieder zur Normalität übergehen. Der Fastenmonat endet nämlich heute. Darauf folgt das dreitägige Ramadan-Fest. Gibt es für Saudi-Arabien etwas zu feiern?