Italien räumt nur halb auf: Trainer weg, Präsident bleibt
MAILAND. Ventura erhält nach WM-Fiasko 700.000 Euro Abfertigung.
Nach dem gestrigen Treffen des italienischen Fußball-Verbands gab es nach dem WM-Desaster keinen wirklichen Neuanfang. Teamchef Giampiero Ventura wurde zwar entlassen. Verbandspräsident Carlo Tavecchio trat jedoch nicht zurück. Jetzt werden Neuwahlen erwartet. Italiens Fußball hat weiterhin zahlreiche Baustellen.
... der Kampf ums Geld: Teamchef Giampiero Ventura hat zumindest einen "kleinen" Sieg erreicht. Mit seiner Weigerung zum Rücktritt erzwang er seine Entlassung. Dies wird im Gegensatz zu einem freiwilligen Rücktritt allerdings rund 700.000 Euro kosten. Venturas Vertrag läuft noch bis zum Sommer 2018. Die ausstehenden Gehälter sind trotz der verpassten WM zu bezahlen.
Im eigenen Land hat es sich Ventura freilich mit allen verscherzt. "Ein Mann ohne Stolz. Das passt zu ihm", meinte Rolando Bianchi, der Kapitän von Venturas Ex-Verein AC Turin. Napoli-Präsident Aurelio de Laurentiis fügte hinzu: "Ich habe Ventura während seiner Zeit in Neapel in der dritten Liga nach drei Monaten gefeuert, weil er unsere besten Spieler mit seinen Entscheidungen ruiniert hat."
... die taktischen Fehler: Immer wieder machte der Trainer mit seinem ungewöhnlichen 4-2-4-System oder eigenartigen Personalentscheidungen auf sich aufmerksam. Spieler wurden auf völlig anderen Positionen als bei ihren Klubs eingesetzt. Oder Ventura ließ Top-Stars wie Stürmer Lorenzo Insigne auf der Bank. Deshalb hatten die Führungsspieler im Team gegen den Trainer auch noch am Tag vor dem Spiel gegen Schweden intern rebelliert. Buffon & Co wollten Ventura zu einem 3-4-3-System mit Insigne im Sturm überreden. Ventura lehnte ab.
... der ungeliebte Präsident: Im Gegensatz zu Ventura kämpft Verbandspräsident Carlo Tavecchio noch immer um seinen Verbleib an der Spitze. Bei der gestrigen Sitzung schloss er einen Rücktritt kategorisch aus. Allerdings könnte es nun Neuwahlen geben, um ihn zu stürzen. Damiano Tommasi, Chef der mächtigen Spielergewerkschaft: "In jedem anderen Land wäre die Verbandsspitze zurückgetreten. Jetzt sind Neuwahlen der einzige Ausweg."
Ancelotti als Favorit
Die Mehrheit der italienischen Fußballfans wünscht sich Carlo Ancelotti als neuen Teamchef. Dies ist allerdings nicht so einfach. Ancelotti liebäugelt auch mit einem Engagement in der englischen Premier League, das für ihn finanziell deutlich lukrativer wäre. Vor allem aber soll Ancelotti einschneidende Veränderungen innerhalb der Strukturen des italienischen Fußball-Verbands verlangen. Davon ist derzeit jedoch nichts zu sehen.