Wo die Weinreben fast den Himmel berühren
Die Buschenschanken sitzen wie Adlerhorste hoch oben über den Reben. Ein Platz in der Sonne ist noch frei, ein Glaserl Wein und eine Brettljausn. Herbstliche Wander- und Gaumenfreuden in der Sausaler Weinregion.
Am späten Nachmittag finden sich Wanderer und Genuss-Sitzer vereint in der Buschenschank der Familie Schauer bei Kitzeck, dem höchstgelegenen Weinbauort Österreichs. Auf fast 600 Metern Höhe fühlt man sich dem Alltag entrückt. Dem Himmel näher als dem hektischen Leben.
Der Platz im Garten gibt den Blick frei auf die Weinregion Sulmtal-Sausal, die sich von 300 Meter Meereshöhe bis hinauf zum Demmerkogel mit fast 700 Metern ausbreitet. Hier haben die Hänge extremes Gefälle, bis zu 70 Prozent Steilheit ist keine Seltenheit. Dass die Weinbauern hier auch Steigeisen tragen, verwundert nicht.
Besonders im Herbst kommt es oft vor, dass unten im Tal Nebelschwaden hängen, während oben die Sonne lacht. Durch Weinstöcke und Blattwerk der Obstbäume blinzelt die Herbstsonne in die Buschenschank. Zeit für einen Schluck aus dem hauseigenen Anbau und für eine Jausn. Die "Saure Ecke" in der Speisekarte lockt mit Kombinationen wie Carpaccio auf steirische Art, Hendlsulz mit Zwiebeln und Kürbiskernöl, Bauernsalat mit Geselchtem und Käse, Presswurstteller, Winzerteller oder Käferbohnensalat mit Rettich.
Interessant ist die Brettljause für "wahre Steirer" mit einer Mischung aus Geselchtem, Brüstl, Rohschinken, Selchwürstl und Käse. Auf jeden Fall wird man fündig unter den Spezialitäten, allesamt hausgemacht und mit Produkten von regionalen bäuerlichen Betrieben.
Seit den Kelten und Römern
Wein wurde hier bereits zu Zeiten der Kelten und Römer ausgeschenkt. Ende des 18. Jahrhunderts schuf Kaiser Joseph II. die Voraussetzung dafür, dass Betriebe selbst erzeugte Lebensmittel und Wein anbieten und ausschenken durften. Keine warmen Speisen, kein Kaffee, kein Bier – dies gilt auch heute noch für Buschenschanken, und das wird den Gästen freundlich erklärt, wenn jemand ein Bier oder eine Suppe möchte.
Steilheit und Sausaler Urgestein sind das Geheimnis. "Wir sind eine typische Buschenschank für diese Gegend", erzählt Karl Schauer, Winzer und Wirt im gleichnamigen Betrieb. "Die Eltern hatten eine kleine Landwirtschaft und dann mit der Buschenschank begonnen. Das haben meine Frau und ich vor 30 Jahren übernommen und um ein Winzerzimmer erweitert. Und unsere Söhne werden weitermachen."
15 Hektar Anbaufläche liefern die Trauben für die charakteristischen weißen Sorten wie Riesling und Welschriesling, Weißburgunder und Grauburgunder, Muskateller, Sauvignon Blanc oder Morillon. "Die steilen Hänge sind mühsam zu bewirtschaften, aber sie bieten auch ein Höchstmaß an Sonneneinstrahlung. Zusammen mit dem Urgestein und den starken Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht entsteht die ganz spezielle Note unserer Weine." Karl Schauer lacht zufrieden, auch wenn der diesjährige Sommer für Wein und Winzer eine Herausforderung war. "Der Sausaler Stock, wie das Urgestein genannt wird, ist ca. 60 Mio. Jahre alt und die Grundlage dafür, dass sich der Wein durch besonderen Tiefgang, Langlebigkeit und spezielle Mineralik auszeichnet."
Dem pikanten Teller für Steirer folgt eine Kastanienschnitte, ein langgezogener Genussseufzer mit Blick ins Land und noch ein Glaserl. "Die Betriebe hier sind klein und überschaubar, und das schätzen unsere Gäste", weiß Herr Schauer. "Die Weine füllen wir selbst ab und verkaufen sie an Gäste und über die Gastronomie."
Von Architekten gestylte Produktionsstätten sind in der Region Sulmtal-Sausal nicht zu finden, dafür schwebt eine fast schon nostalgische Gemütlichkeit über der Landschaft. Der Weitblick über die rebenverzierten Hügel macht leutselig und zufrieden. Die Kombination aus Qualität, Landschaft und gelebter Herzlichkeit verleiht der Gegend eine liebenswürdige Note.
Das sieht auch Weinbauer und Kellermeister Gustav Schneeberger von der Buschenschank Schmölzer bei St. Andrä-Höch so. Er besitzt mit seinen Weinstöcken am Demmerkogel die höchsten Rebstöcke der Region. Die hohen und luftigen Lagen lassen auch einen guten Roten entstehen, der sonst für die Gegend eher untypisch ist. Dass er mit seinen Weinen sogar die Nachfahren des Künstlers Paul Flora begeistern konnte, darauf ist er stolz. Alljährlich gibt es eine Wein-Edition mit Etiketten des Zeichners und Grafikers. Sein feiner Strich macht sich gut auf den Flaschen und nimmt die zarten Linien der Umgebung auf.
Eine leichte Brise weht jetzt vom Westen her auf die Aussichtsterrasse, man sieht die Koralpe am westlichen Horizont, im Norden liegt Graz in Dunst gehüllt. Ich solle noch ein bisschen sitzen bleiben und einfach den Ausblick und die Ruhe aufnehmen, meint Herr Schneeberger, wir würden heute sowieso alle zu viel durch die Zeit hetzen. Langsamkeit ist angesagt. Und so bleib ich noch sitzen auf meiner Buschenschank-Wanderrunde rund um Kitzeck.
Wandern und (W)einkehren
Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen. Das wusste schon Herr Goethe, und ein Spaziergang durch die Reben ist die beste Variante, die Landschaft intensiv zu erkunden und der Seele eine Auszeit zu verschaffen. Eine Stunde gehen und schauen, eine Stunde Buschenschank sitzen – ein genialer Stundenplan.
Der Rundwanderweg Nr. 2 beispielsweise startet in Kitzeck (beim Weinmuseum) und führt in einer dreistündigen Wanderung in großem Bogen um den Ort. Auf der Route liegt eine ganze Reihe von Buschenschanken, die mit dem neu aufgelegten "Genuss-Gutschein" besucht werden können. In jeder Buschenschank wird je einer der insgesamt fünf Menügänge kredenzt: Fisch, Saures, Rind, Schwein und Käse stehen zur Auswahl. Nein, man muss nicht alle fünf Gänge an einem Tag absolvieren, und ja, es ist reichlich auf dem Teller. Saures Rindfleisch mit Käferbohnen oder Bauernschüsserl mit Presswurst oder Fischsulz mariniert mit Kernöl oder Schafkäse mit Kürbiskernpesto oder Zweierlei Bratl … So stell ich mir die Anleitung zum Glücklichsein vor.
Die Zeit selbst bestimmen, zum Essen, Sitzen und Genießen. Dazwischen Weinhänge durchwandern oder von den Hügelkuppen in die Ferne blicken. Auch wenn es schon Oktober ist, hat die herbstliche Sonne fast noch mediterrane Kraft und bringt einen in der Mittagshitze zum Schwitzen beim Auf und Ab durch die Weinlandschaft. Ein Glück, dass praktisch hinter jeder Rebe eine Einkehrmöglichkeit wartet und die Buschenschanken und Wanderwege hier bis in den Dezember hinein Saison haben.
Zwischen Lavendel, Wein und Genusstour
Information zur Region Sulmtal Sausal mit Übernachtungsmöglichkeiten, Buschenschank-Öffnungszeiten, Veranstaltungskalender bekommen Sie auch im Internet unter www.sulmtal-sausal.at
Die Sausaler Weinstraße beginnt bei Leibnitz und endet bei Pistorf. Herz der Weinstraße sind die Orte Kitzeck, Fresing, St. Andrä-Höch. Der Demmerkogel ist mit seinen 671 Metern die höchste Erhebung im Sausal. Europas höchstes Weinmuseum ist in Kitzeck zu finden. Hier liegen auch die einzigen Lavendelfelder in Österreich mit der Lavendelmanufaktur WUNSUM www.wunsum.com
5-Sinne-Genusstour Mit einem Gutschein um 35 Euro erhält man in fünf Buschenschanken der Region Sausal je einen Menügang. Zur Auswahl stehen Schmankerln vom Fisch, Rind, Schwein, Saures und Käse bzw. Süßes. Jeder Betrieb kredenzt seine eigenen Kreationen. Insgesamt sind 20 Betriebe beteiligt.
Die Tour kann auf mehrere Tage aufgeteilt werden. Man kann wandern, radeln, E-biken oder mit dem Auto anrollen.
Auf dem Wanderweg Nr. 2 bei Kitzeck erreicht man folgende Buschenschanken: Bio-Weingut Warga-Hack www.warga-hack.at; Weingut Buschenschank Pichler-Schober www.pichler-schober.at; Buschenschank Steiri www.steiri.at; Weingut Buschenschank Koller www.weingut-koller.at; Weingut Lambauer www.weingut-lambauer.at; Weingut Buschenschank Schmölzer www.schmoelzer-schneeberger.at; Weingut Buschenschank Schauer www.weingut-schauer.at.
Übernachten und Genießen mit Blick in die Weinreben, Meerwasserpool, Winzersauna und Haubenküche im Weinhof Kappel in Kitzeck www.wein-wellness-hotel.at